Was kostet uns ein Dexit?
Quantitative Ergebnisse einer volkswirtschaftlichen Analyse zeigen dramatische wirtschaftliche Folgen eines Deutschen EU-Austritts.
Ausgangssituation
Eine aktuelle Studie des Österreichischen Institut für Wirtschaftsforschung (WIFO) Wien im Auftrag der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) zeigt die gravierenden Konsequenzen eines möglichen Austritts Deutschlands aus der Europäischen Union (Dexit) auf. Die Experten kommen dabei zu dem Schluss, dass Dexit, d.h. ein Austritt Deutschlands aus der Europäischen Union (EU), mit großer Wahrscheinlichkeit die Rückabwicklung der bisher erfolgten europäischen Integrationsschritte bedeuten würde. Sofern dieses Szenario eintritt, könne man davon ausgehen, dass die bisher empirisch beobachtbaren Effekte des Binnenmarktes, der Zollunion, der Währungsunion, des Schengen-Abkommen und der Freihandelsabkommen wegfallen würden, ebenso wie die Nettotransfers an den EU-Haushalt. Zur Quantifizierung dieser Effekte wurde ein Modell, welches 43 Ländern und 50 Sektoren miteinbezieht, eingesetzt. Im Rahmen der Untersuchung wurden so die wirtschaftlichen Effekte einer Desintegration der Europäischen Union simuliert. Das Modell erlaubt die Berechnung von Handels- und Wertschöpfungseffekten auf sektoraler Ebene sowie die Darstellung von Konfidenzintervallen.
Die bereits existierende wissenschaftliche Literatur zu den Effekten des Brexits auf das Vereinigte Königreich zeigen, dass die mit solchen Modellen vor dem Bruch mit der EU errechneten Effekte ex-post auch eingetreten sind. Das reale BIP des Vereinigten Königreichs dürfte aufgrund des Brexits um 3,2 % bis 6,7 % niedriger liegen, als es sonst wäre. Dass die Effekte nicht größer sind, liegt an der Größe des Inlandsmarktes und daran, dass mit der EU ein umfassendes Freihandelsabkommen existiert.
Exporte und Importe: 20 % Einbruch
Die deutschen Exporte in die EU-Staaten würden stark abnehmen, ohne dass der Handel mit Drittstaaten die Verluste kompensieren könnte. Importe und Exporte von Gütern würden um jeweils knapp 20 % einbrechen, die Wertschöpfung in der Industrie um 5,5 % bis 8,0 %, im Durchschnitt um 7 %, zurückgehen. Metalle, Kunststoffe, Chemie und Lebensmittel wären besonders stark negativ betroffen.
>> Dabei ist allein der Binnenmarkt ist für fast 50 % des gesamten Wertschöpfungsverlustes verantwortlich. Die Zollunion für knapp 30%.
Dienstleistungen: Rückgänge über 20 %
Die Dienstleistungen würden deutlich einbrechen, ohne dass Drittstaaten einspringen könnten. In vielen Sektoren ist mit Rückgängen von über 20 % zu rechnen. Auch die Wertschöpfung würde in allen Dienstleistungsbranchen fallen, wenn auch im Durchschnitt nicht so stark wie in der Industrie, weil der Sektor weniger offen für Handel ist.
Agrarsektor: Wertverlust bis 10,2 %
Der Agrarsektor wäre stärker betroffen als andere Branchen, weil die Handelsbarrieren außerhalb der EU in diesem Bereich noch höher sind. Der Verlust an realer Wertschöpfung würde dadurch zwischen 5,8%und 10,2 % liegen.
Bedeutung für Deutschland
Gesamtwirtschaftlicher Schaden: 200 Mrd. € Schaden pro Jahr
Gesamtwirtschaftlich würde ein Zusammenbruch der EU für Deutschland einen Schaden von circa 200 Mrd. € bedeuten, das 90%-Konfidenzintervall reicht von 137 Mrd. € bis 276 Mrd. € pro Jahr, mit einem erwarteten Effekt von 201 Mrd. €. Das ist fast doppelt so viel wie in Frankreich, der zweitgrößten Volkswirtschaft in der EU. Kurzfristig dürfte der Einbruch bei einem unerwarteten Dexit doppelt so hoch sein
>> In keinem anderen Land wäre der Einbruch des Realeinkommens also höher als in Deutschland.
Vorteile der EU-Mitgliedschaft
Pro-Kopf-EU-Vorteil: 2.420 € jährlich
Der wirtschaftliche Vorteil der EU beträgt in Deutschland pro Kopf im Mittel circa 2.420 € pro Jahr, wobei 90 % der simulierten Effekte im Intervall 1.650 € bis 3.300 € liegen.
EU-Mitgliedschaft: 5 % Wirtschaftsvorteil
Der wirtschaftliche Vorteil der EU-Mitgliedschaft Deutschlands liegt bei circa 5 %. Dieser Wert liegt über jenen für andere große Volkswirtschaften wie Frankreich, Italien oder Spanien