Wie lässt sich die Kitabetreuung in Deutschland verbessern

Frühkindliche Betreuung, Erziehung und Bildung sind in den Fokus der Politik gerückt. Weil sich immer Frauen und Männer eine staatliche Unterstützung bei der Vereinbarung von Familie und Beruf wünschen. Auch, weil die Vereinbarkeit von Familie und Beruf in Zeiten des demografischen Wandels eine gesellschaftliche Frage geworden ist: Hohe Beschäftigungsquoten sichern in einer alternden Gesellschaft den Wohlstand.

Externer Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Artikel ergänzt. Klicken Sie Externe Cookies akzeptieren um diesen Inhalt anzusehen.

Mehr Informationen dazu finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.

Der Ausbau der Kitaplätze in Deutschland hinkt in doppelter Hinsicht den Bedürfnissen hinterher. „Weder die Quantität noch die Qualität des Kindertagesbetreuungsangebots hat in den vergangenen Jahren im gewünschten Tempo zugenommen“, schreiben Prof. Dr. Henrik Egbert und Dr. Andreas Hildenbrand in dem Paper „Masse plus Klasse? – Strukturelle Hürden beim qualitativen Ausbau der Kindertagesbetreuung“, das die beiden Wissenschaftler im Auftrag der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft erstellt haben.

In der politischen Diskussion kommt aktuell vor allem die Qualitätsdiskussion zu kurz. Ordnungspolitik so zu gestalten, dass es genügend Kitaplätze gibt, kann nur der erste von zwei notwendigen Schritten sein. Der zweite muss sein, allen Kindern die bestmögliche Betreuung und Bildung zukommen zu lassen.

Egbert und Hildenbrand sehen in Deutschland umfangreichen Handlungsbedarf. Aus fünf Gründen sei der qualitative Fortschritt geringer als möglich:

 

 

1. Problem: objektbezogene Finanzierung
Bei der objektbezogenen Finanzierungsform wird das Angebot an Kindertagesbetreuung von der öffentlichen Hand administrativ bestimmt. Bei dieser Finanzierungsform (vor allem in deutschen Flächenstaaten üblich), entscheidet letztlich die Politik, welche Einrichtungen wie viel Geld bekommen. Die Präferenzen der Eltern werden nur ungenügend berücksichtigt.

Forderung: Flächendeckende Umstellung auf eine so genannte subjektbezogene Finanzierung, bei denen sich die Eltern ihre Kita selbst aussuchen und die Finanzierung jeder Kita davon abhängt, wie viele Eltern sich für eine jeweilige Kita entscheiden. Egbert:

„Eine Option ist die stärkere Implementierung von subjektbezogenen Finanzierungsformen beispielsweise in Form von Gutscheinsystemen. Hierbei könnte auf Erfahrungen in Berlin und Hamburg zurückgegriffen werden.“

 

 

 

2. Problem: Auseinanderfallen von Kosten und Nutzen
Kommunen finanzieren zum Großteil Kitas und Betreuung, die Bildungsrenditen (etwa in Form von Steuern und Sozialabgaben) entstehen aber überkommunal. Egbert:

„Folglich besteht kein optimaler Anreiz für Kommunen, da sie selbst kaum direkte finanzielle Rückflüsse einer qualitativ besseren Kindertagesbetreuung erzielen. Demnach ist es naheliegend, dass sie bei der Auswahl von Anbietern sparen und Qualitätsaspekte zurückstellen. “

 

Forderung: höhere Kostenübernahmen von Bund und Ländern.

 

3. Problem: monopol- oder oligopolähnliche Stellung der Anbieter
Die relativ geringe Anzahl an Trägern schränkt die Angebotsvielfalt – das heißt die Wahlmöglichkeiten der Eltern – ein.Forderung: Nichtdiskriminierung!
Egbert:

„Eine Nichtdiskriminierung freier gewerblicher Träger bei der Förderung könnte langfristig deren Anteil erhöhen und durch eine größere Angebotsvielfalt den Nachfragern Wahlmöglichkeiten eröffnen. Davon könnten auch positive Effekte auf die Angebotsqualität aller Anbieter ausgehen.“

 

 

4. Problem: zu geringe Qualifikation.
Im internationalen Vergleich fällt auf, dass in Deutschland die Beschäftigten in der Kindertagesbetreuung sehr selten über einen einschlägig qualifizierenden Hochschulabschluss verfügen.Forderung: Fortbildung und Personal mit höheren Abschlüssen einstellen
Egbert:

„Erstens sollte das bereits eingesetzte Personal kontinuierlich weiterqualifiziert werden. Zweitens sollte auch Personal mit einschlägigen Hochschulabschlüssen beschäftigt werden. Wird dieser Qualitätsaspekt noch mit dem Quantitätsaspekt verbunden, so müsste drittens sowohl die Anzahl der Aus- und Weiterbildungsplätze an Fachschulen, als auch die Anzahl an Studienplätzen in einschlägigen Studiengängen zunehmen.“

Wie das gelingen kann:

„Monetäre Anreize, die zu einer Absenkung der Ausbildungskosten führen, wie auch höhere Entlohnungen sind geeignete Maßnahmen, um das Berufsfeld langfristig attraktiver zu gestalten.“

Hier aber liegt das Problem:

„Gegenwärtig ist das Einkommen von in der Kindertagesbetreuung beschäftigten Fachkräften mit anderen Berufsgruppen ohne Hochschulabschluss vergleichbar.“

Was also gebraucht wird:

„Eine Erhöhung des Tariflohns für Beschäftigte mit Hochschulabschluss wäre notwendig. Dies würde erstens Anreize für Fachkräfte setzen, nach einer Fachschulausbildung zusätzlich einen Hochschulabschluss zu erwerben, zweitens würde das Berufsfeld ganz allgemein für Menschen mit Hochschulzugangsberechtigung attraktiver.“

 

 

 

5. Problem: Öffentliche und freie nichtgewerbliche Träger treten ebenfalls als Akteure auf dem Ausbildungsmarkt für Fachkräfte auf.
Egbert:

„Der Ausbildungsmarkt für Fachkräfte wird von zwei Anbietergruppen dominiert: von Fachschulen für Sozialpädagogik in öffentlicher Trägerschaft und – vor allen in den westlichen Ländern – von staatlich anerkannten Fachschulen in kirchlicher Trägerschaft. Damit ist es für öffentliche und freie nichtgewerbliche Träger rational, auf die Einstellung von qualifizierten Hochschulabsolventen nicht nur aufgrund vergleichsweise höherer Löhne zu verzichten, sondern auch um die von denselben Trägern ausgebildeten Fachkräfte zu beschäftigen.“

 

Forderung: Mehr Konkurrenz auf Ausbildungsmarkt ermöglichen, denn so Egbert: „Eine stärkere Konkurrenz durch Hochschulen auf dem Ausbildungsmarkt für Fachkräfte liegt keineswegs im Interesse aller Träger.“

 

 

Fazit der Wissenschaftler:

„Freie gewerbliche Anbieter sollten nicht diskriminiert werden, die Angebotsvielfalt sollte als Chance für Qualitätsverbesserungen erkannt werden, monetäre Anreize auf Arbeitsmärkten sollten geschaffen werden und der Bund sollte die Kommunen weiterhin entlasten. Der aktuelle Gesetzentwurf der Bundesregierung zum quantitativen und qualitativen Ausbau der Kindertagesbetreuung knüpft lediglich an der Entlastung an. Insgesamt greift er derzeit noch zu kurz.“

 

 


Nicht nur die Wissenschaft sieht Defizite beim qualitativen Ausbau der Kitabetreuung in Deutschland. Mehr als ein Drittel aller Eltern in Deutschland bemängeln die Qualität in öffentlichen Betreuungseinrichtungen. Das ist ein Ergebnis einer repräsentativen Umfrage von TNS Emnid im Auftrag der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (dieses und weitere Ergebnisse in den Grafiken unten).

  • Emnid Umfrage Kinderbetreuung Grafik 1

  • Emnid Umfrage Kinderbetreuung Grafik 2

  • Emnid Umfrage Kinderbetreuung Grafik 3

  • Emnid Umfrage Kinderbetreuung Grafik 4

  • Emnid Umfrage Kinderbetreuung Grafik 5

  • Emnid Umfrage Kinderbetreuung Grafik 6

  • Emnid Umfrage Kinderbetreuung Grafik 0

Das könnte Sie auch interessieren