Renten-Studie: Riesterfreibetrag bessere Alternative

Die aktuelle Rentendiskussion dreht sich vor allem um die Stabilisierung des Rentenniveaus und die Einführung einer Lebensleistungsrente. Doch beide Maßnahmen stellen keine adäquate Antwort dar, um adressierten Probleme wie dem der Altersarmut zu begegnen. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie Professor Dr. Christian Hagist von der Otto Beisheim School of Management (WHU).

Einleitung

Innerhalb einer Woche ist eine Diskussion um das deutsche Altersversorgungssystem entstanden, welche noch vor einem Monat so nicht vorherzusehen war. Aufgrund eines – mit zumindest fragwürdigen Zahlen und Statistiken arbeitenden – Berichts des Westdeutschen Rundfunks (WDR), welcher am Montag, den 11.04.2016, ausgestrahlt wurde, kam es zu mehreren Reformaufrufen deutscher Spitzenpolitiker u.a. von Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) und dem bayrischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer (CSU). Adressiert werden dabei unterschiedliche Problemstellungen, hauptsächlich jedoch ein vermeintliches Legitimationsdefizit des Altersversorgungssystems aufgrund (erwarteter) steigender Altersarmut und das Versagen der zusätzlichen Altersvorsorge – im Volksmund Riester-Rente genannt. Um diese Probleme anzugehen, wird insbesondere die sogenannte Lebensleistungsrente und eine Fixierung bzw. Steigerung des Niveaus der gesetzlichen Rente diskutiert. Erstere hat – wie im Folgenden ausgeführt wird – massive Anreiz- und Umverteilungsprobleme während eine Festschreibung bzw. die Steigerung des gesetzlichen Rentenniveaus nichts gegen das Problem der Altersarmut entgegensetzt, sondern lediglich eine sehr starke Umverteilung zugunsten der Baby-Boomer-Generationen auf Kosten jüngerer Kohorten bedeutet. Die Kurzexpertise ist wie folgt aufgebaut. Im nächsten Abschnitt wird kurz die Situation der Altersarmut in Deutschland und ihre wahrscheinliche Entwicklung skizziert. Anschließend werden die oben genannten Vorschläge Lebensleistungsrente und die Fixierung des Rentenniveaus vorgestellt und diskutiert. Abschließend erfolgt die Skizzierung eines Freibetrags für Produkte der zweiten Schicht wie etwa die Riesterrente oder Produkte der betrieblichen Altersvorsorge (bAV) um das Akzeptanzproblem der gesetzlichen Rentenversicherung anzugehen.

Altersarmut in Deutschland

Debatten zur Altersarmut verlaufen in Deutschland immer sehr emotional und aufgeregt. Leider wird bei all dieser Aufregung oft vergessen, was die Gesellschaft unter Altersarmut eigentlich versteht und was vor allem Armut in diesem Zusammenhang bedeutet. Auch in den Medien wird die Komplexität der Thematik oft ignoriert und nicht die benutzte Definition von Armut klar dargestellt.

In der Wissenschaft haben sich – gerade in Bezug auf Altersarmut – zwei Definitionen durchgesetzt. Die erste ist eine relative Definition und setzt am Median(netto)einkommen der Bevölkerung an. Wer (als Single-Haushalt) ein Einkommen oder Bezüge unter 60 Prozent dieses Mediannettoäquivalen Mediannettoäquivalenzeinkommens ( im Jahr 2014 lag diese 60%-Grenze bei 986,65 Euro) hat, gilt nach dieser Definition als arm. Diese Definition besitzt zwar eine gewisse Aussagekraft, ist doch aus mehreren Gründen mit Problemen behaftet. Zum Beispiel kann nach dieser Definition die Altersarmut alleine dadurch steigen, dass Löhne und Beschäftigung stärker zunehmen als das Rentenniveau. Einfach ausgedrückt: Sollte Cristiano Ronaldo sich entschließen in die Bundesliga zu wechseln, würde alleine dadurch gemäß dieser Definition die Altersarmut steigen.

Viele Studien, bspw. der OECD oder der Bertelsmann-Stiftung, bedienen sich der oben skizzierten Definition und treten dann mit einem gewissen Alarmismus auf, welcher in der Folge von den Medien aufgenommen wird. Dabei ist nach den Reformen der Schröder-Regierung mittelfristig festgeschrieben, dass die Renten langsamer als Löhne und Beschäftigung wachsen. Somit muss es – zumindest bei einem singulären Blick auf die Renten der gesetzlichen Rentenversicherung – nach dieser Definition von Altersarmut zu einem gewissen Anwachsen dieser kommen.

Die zweite Definition, welche auch derzeit die politische Diskussion bestimmt, orientiert sich an der Grundsicherung im Alter. Wenn das persönliche Nettoeinkommen, bspw. aus Rentenzahlungen der gesetzlichen Rentenversicherung, nach Renteneintritt in Summe das Niveau der Grundsicherung im Alter nicht erreicht, werden nach einer Bedürftigkeitsprüfung die Bezüge aus Steuermitteln auf das Niveau der Grundsicherung aufgestockt. Einkommen bzw. Bezüge wie etwa Zahlungen der gesetzlichen Rentenversicherung oder aus einer privaten Zusatzversorgung (z.B. einer sogenannten Riester-Rente) werden auf die Grundsicherung angerechnet. Da Wohnkosten regional variieren, gibt es hier keinen einheitlichen Betrag, im Durchschnitt kann aber von 773 Euro pro Monat als Grundsicherungsniveau ausgegangen werden. Im Dezember 2015 waren insgesamt 1.038.008 Personen auf Aufstockung auf das Grundsicherungsniveau angewiesen, davon 536.121 oberhalb der Altersgrenze (zwischen 65 und 67).

Beiden Definitionen nach kann kein im EU-weiten Vergleich besonders hervorragendes Altersarmutsproblem in Deutschland festgestellt werden. Laut Statistischem Bundesamt sind jüngere Haushalte – insb. Alleinerziehende mit Kindern – stärker von Armut betroffen als Menschen über 65 Jahre. Armut im Alter könnte allerdings als schwerer zumutbar empfunden werden, da die Chancen aus der Armut – bspw. über Arbeit – herauszukommen deutlich niedriger sein dürften als für jüngere Haushalte. Trotzdem stellt sich bei dieser Faktenlage die Frage, warum gerade der Altersarmut besonders Aufmerksamkeit geschenkt wird – bspw. im Vergleich zur Kinderarmut.

Ein Grund hierfür dürfte die erwartete Zunahme von Altersarmut auch nach der zweiten Definition sein. Die Gründe für diese wahrscheinliche Zunahme absoluter Altersarmut dürften in der unstetigen Erwerbsbiographie von prekär Beschäftigten und der Zunahme alleinerziehender Haushalte – insb. von Frauen geführt – zu finden sein. Die Frage, die sich dabei stellt, ist, ob hier eine Ursachenbekämpfung, sprich bessere Bildung und Vereinbarkeit von Beruf und Familie, nicht das bessere Mittel der Wahl wären als ein Herumdoktern an den Symptomen wie den niedrigen Renten der betroffenen Haushalte.

Ordnungspolitisch ist eine Besserstellung von Altersarmut im Vergleich zu anderen Armutsfällen also als problematisch zu betrachten. Warum sollten wir 68-jährige Arme anders behandeln als arme 35-jährige?

Unsere Sozialgesetzgebung fragt aus guten Gründen (mit ein paar wenigen Ausnahmen wie etwa Behinderungen, etc.) nicht nach der Schuld der Armut (das Gesetz kennt auch hier die Ausnahme des grob schuldhaften Verhaltens, von welcher wir abstrahieren wollen) – sie wird lediglich festgestellt und dem Betroffenen dann geholfen. Ob diese Armut durch Pech, Krankheit, gesamtwirtschaftliche oder individuelle Umstände, verursacht ist, spielt keine Rolle. Warum nun das Alter bzw. der Status als Rentner dabei etwas ändern soll, bleibt unbeantwortet. Bestimmte altersspezifische Ausgaben wie für Krankheit und Pflege, welche einen anderen Bedarf Älterer vielleicht rechtfertigen könnten, werden von anderen Sozialversicherungszweigen aufgefangen.

Allerdings muss anerkannt werden, dass es bei steigenden Armutsquoten im Alter zu einem Akzeptanz- bzw. Legitimationsproblem des deutschen Altersvorsorgesystems in Gänze kommen könnte. Sollte ein solches festgestellt werden, hilft vielleicht sogar die aktuelle Diskussion um das Ringen der besten Lösungsvorschläge.

 

Lebensleistungsrente und Fixierung des Rentenniveaus – Lösung oder Verschlimmbesserung?

Fixierung des Rentenniveaus

Aufgrund des in der Einleitung beschriebenen Beitrags des WDR kam es in den vergangenen Wochen zu mehreren Reformvorschlägen der Politik, u.a. von der Partei „Die Linke“ und Vizekanzler Sigmar Gabriel. Beide schlugen eine Festschreibung bzw. Steigerung des gesetzlichen Rentenniveaus vor. Der Vorschlag des Vize-Kanzlers sieht dabei eine Festsetzung des derzeitigen Niveaus von 48% vor. Die Partei „Die Linke“ möchte hingegen das Standardrentenniveau bis 2030 auf 53% sukzessive erhöhen.

Dieser Vorschlag ist aus dreierlei Gründen abzulehnen, denn erstens setzt eine solche Reform nur wenig dem Zunehmen absoluter Altersarmut entgegen und zweitens werden die Nachhaltigkeitsreformen der Regierung Schröder, welche das Rentensystem langfristig überhaupt erst wieder stabil und einigermaßen nachhaltig finanziert aufgestellt haben, konterkariert. Hinzu kommt drittens eine massive Umverteilung von den jetzt Jungen und zukünftigen Generationen zu den Baby-Boomer-Generationen. Letzteres ist sicher ein normatives Argument, welches an dieser Stelle jedoch erlaubt sein sollte.

Das Rentenniveau hat wenig mit Altersarmut zu tun, da die betroffenen Gruppen – wie etwa alleinerziehende Frauen – schlicht zu wenig Beitragszeiten aufweisen, damit deren Renten sie über das Niveau der Grundsicherung hieven könnten. Somit würden, wie schon bei der Rente mit 63, vor allem gutverdienende Gruppen mit stetigen Erwerbsbiographien profitieren. Zudem ist eine solche Reform sehr teuer und belastet vor allem jüngere Generationen wie etwa die Berechnungen von Holtemöller et al. (2016) zeigen. Die Autoren berechnen, dass der Reformvorschlag von Gabriel im Jahr 2030 einen Beitragssatz zur Rentenversicherung von 24% implizieren würde, die Reform der Partei „Die Linke“ sogar von 27%, gegenüber einem Beitragssatz von 22% im Status quo. Diese Berechnungen können als konservativ angesehen werden und bilden damit eher die Untergrenze.

Lebensleistungsrente

Als zweite Leitlinie bei den bisher diskutierten Reformvorschlägen kann die sogenannte Lebensleistungsrente genannt werden. Wie bei der Fixierung des Rentenniveaus gibt es hier keinen Referen-tenentwurf oder entsprechendes, sondern vielmehr ähnliche Ideen, welche unter diesem Begriff subsummiert werden können. Allen gemein ist eine Aufwertung der Rente (bzw. der Rentenpunkte) bei langjährigen Erwerbsbiographien, welche jedoch im Status quo mit einer (Netto-)Rente unter dem Grundsicherungsniveau rechnen müssen. Beispielhaft hierfür ist die Aufstockung auf mind. 30 Rentenpunkte bei 40-jähriger Erwerbsbiographie, was bei dem derzeitigen aktuellen Renten(punkt)wert von 29,21 Euro (West) einer monatlichen Bruttorente von 876,30 Euro entspricht. Manche dieser Reformvorschläge sehen eine Bedürfnisprüfung analog zur Grundsicherung im Alter vor, andere (wie bspw. im Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD festgehalten) noch weitere Kriterien wie etwa eine zusätzliche betriebliche oder private Altersvorsorge. Die Finanzierung soll bei den meisten Vorschlägen aus Steuermitteln erfolgen.

Eine solche Reform ohne Bedürfnisprüfung würde zu massiven Mitnahmeeffekten mit ungewollten Verteilungseffekten führen. Man nehme nur die in Teilzeit arbeitende Arztgattin, welche trotz erheblichem Haushaltsvermögen dann eine signifikant höhere Rente erhielte als ihr zusteht. Aus diesem Grund sehen die meisten Vorschläge, u.a. auch der aus dem Koalitionsvortrag, eine Bedürfnisprüfung vor. Doch auch dann überwiegen bei der Lebensleistungsrente die Nachteile. In einem gewissen Lohnsegment, zwischen dem halben und drei Viertel des sozialversicherungspflichtigen Durchschnittslohns, dürfte die Lebensleistungsrente den Anreiz einen Teil der Arbeitskraft in die Schwarzarbeit zu verlagern stark erhöhen. Arbeiter und Angestellte mit vergleichbaren Löhnen dürfen nach derzeitigem Recht (je nach Erwerbsbiographie) mit einer Rente um das Sicherungsniveau der Grundsicherung rechnen. Würde nun ihre Rente automatisch aufgestockt, so wäre das Verlagern der Arbeitskraft in den Schwarzmarkt nur rational.

Zusätzlich würde die Zusatzbedingung einer betrieblichen bzw. privaten Vorsorge genau deren Akzeptanz weiter schwächen. Dies hört sich auf den ersten Blick zwar kontraintuitiv an, ist aber wiederum folgerichtig, zumindest für den Fall mit Bedürfnisprüfung. Denn wenn der einzelne Versicherte sowieso mit einer Aufstockung seiner gesetzlichen Rente auf das Grundsicherungsniveau zu rechnen hat, ihm allerdings bei einer Bedürfnisprüfung die Rentenzahlungen aus betrieblichen oder privaten Zusatzversicherungen angerechnet werden, wird es diese nur auf dem kleinsten möglichen Niveau abschließen – was konträr zu den in der letzten Dekade beschlossenen Reformen steht. Abhilfe hierfür würde dann wiederum ein Freibetrag für Riester – und bAV-Renten bringen. Ein solcher Freibetrag würde aber bereits alleine ausreichen um das oben beschriebene (vermeintliche) Legitimitätsproblem der deutschen Altersvorsorge zu vermindern. Im Folgenden wird dies im Detail beleuchtet.

Der Riester-Freibetrag – die beste aller Second-Best-Lösungen?

Im Zuge der Diskussion der Zuschussrente aus dem Hause der damaligen Bundesministerin für Arbeit und Soziales Ursula von der Leyen gab es aus den Reihen des damaligen Koalitionspartners, der Freien Demokratischen Partei (FDP), bereits den ersten Aufschlag in Richtung eines Riester-Freibetrags. So schlug der damalige stellvertretende Fraktionsvorsitzende Heinrich Kolb ein solches Modell vor, welches einen absoluten Freibetrag für aus Riester- und bAV-Verträgen stammenden Renten von 100 Euro bei Grundsicherung im Alter vorsah, gekoppelt mit einer anschließenden Transferentzugsrate von 80%. Eine Riesterrente über 100 Euro würde also bei Ermittlung der Grundsicherung nicht angerechnet. Bei einer Riesterrente von 150 Euro würden entsprechend 110 Euro (100 Euro absoluter Freibetrag plus 20% von 50 Euro) freigestellt und 40 Euro bei der Grundsicherung angerechnet. In allen Fällen erfolgt aber immer eine Bedürfnisprüfung, weshalb es auch kaum soge-nannte Mitnahmeeffekte geben dürfte.

Natürlich stellt auch ein solcher Freibetrag eine Diskriminierung unterschiedlicher Haushalte in Armut dar, da zum einen eben Armen im erwerbstätigen Alter eine solche Besserstellung verwehrt bleibt und zum anderen bspw. Selbstständige und andere Gruppen gar nicht über die bAV oder über Riester vorsorgen können. Der zweite Kritikpunkt ist jedoch einfach über entsprechende Freibeträge für Basisrenten oder Ähnlichem heilbar und soll somit nicht Gegenstand der weiteren Diskussion sein. Zum ersten Kritikpunkt ist festzuhalten, dass dies aus ordnungspolitischer Sicht richtig ist – es besteht grundsätzlich die Frage, ob in die bestehende Struktur aus Grundsicherung im Alter überhaupt eingegriffen werden muss. Wird dies jedoch normativ bejaht, dann gibt es für einen solchen Riester-Freibetrag bereits einen Präzedenzfall – denn das Riestervermögen wird bereits bei Armut während der Erwerbsphase privilegiert. So sind die Riester-Altersvorsorgevermögen – im Gegensatz zur nichtgeförderten Altersvorsorge – zusätzlich zum Schonvermögen von der Anrechnung beim Arbeitslosengeld II freigestellt.

Um die Einkommens- und Anreizeffekte einmal zu skizzieren, werden im Folgenden stilisierte Modellrechnungen dargestellt. Sie stellen keine empirischen Funde dar, sondern sind vielmehr als Gedankenexperimente zu verstehen. Wir gehen dabei im Folgenden immer von Individuen mit 40 Beitragsjahren Beitragsjahren aus. Dies ist bei einem Riester-Freibetrag nicht per se zwingend, stellt aber im Vergleich zur diskutierten Lebensleistungsrente einen guten Referenzpunkt dar. In diesen 40 Beitragsjahren wird (mit Ausnahme von Erziehungszeiten bei den Fällen mit Kindern) jedes Jahr der gleiche Lohn verdient – ein natürlich unrealistisches Szenario, was aber auch als Durchschnittsverdienst über 40 Jahre interpretiert werden kann, wenn keine Löhne über der Beitragsbemessungsgrenze der gesetzlichen Rentenversicherung erreicht wurden. Anhand dieser 40 Beitragsjahre und dem zugewiesenen Lohnprofil lässt sich anhand des aktuellen Rentenwerts eine (fiktive) monatliche Nettorente vor Steuern, also nach Abzug der Sozialversicherungsbeiträge, bestimmen. Anhand dieser Nettorente kann dann beurteilt werden, ob das Individuum in die Grundsicherung im Alter bei alleinigem Bezug einer Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung fallen würde. Das Grundsicherungsniveau wird dabei durchschnittlich mit 773 Euro pro Monat angenommen.

Die Riesterrente wird wie folgt berechnet: Jedes (Riester-) Jahr spart das Individuum vier Prozent seines Jahreseinkommens, mindestens 214 Euro im Jahr. Der eigene monatliche Sparaufwand in der Erwerbsphase resultiert dann aus der Gesamtsparleistung abzüglich der Zulagen (154 Euro Grundzulage p.a., 300 Kinderzulage pro Kind p.a.). Die Höhe der ausgewiesenen monatlichen Riesterrenten wird über die Logik der gesetzlichen Rentenversicherung bestimmt, d.h. jeder jährlichen Sparleistung wird die äquivalente Anzahl an Rentenpunkten zugewiesen, welche dann mit dem ab 01.07.2016 gültigen, aktuellen Rentenwert von 30,45 multipliziert werden.

Abbildung 1 zeigt in Abhängigkeit verschiedener stilisierter monatlicher (Lebensdurchschnitts-) Einkommen das Ergebnis eines Riester-Freibetrags. Dabei gibt der hellblaue Balken die Nettorente aus der GRV nach Abzug der Sozialversicherungsbeiträge und vor Steuern, der dunkelblaue die Riesterrente und der braune Balken die Aufstockung aus der Grundsicherung im Alter wieder. Aus allen drei Balken zusammen resultieren die monatlichen Alterseinkommen mit einem Riester-Freibetrag. Ohne einen solchen würden die Riesterrenten (oder analog Renten aus der bAV) auf die Grundsicherung angerechnet, womit sich in Theorie die Grundsicherungszahlungen verringern würden und Haushalte unter 1.764 Euro monatliches Bruttoeinkommen in der Erwerbsphase auf dem Niveau der Grundsicherung von 773 Euro monatlich landen würden. In der Praxis hat sich aber gezeigt, dass entgegen der ursprünglichen Intention die Mehrheit der gesetzlich Rentenversicherten mit einem Bruttojah-reseinkommen von unter 20.000 Euro nicht über Riester-Verträge vorsorgt. Dies hat eben damit zu tun, dass in vielen Fällen die Erwartungshaltung zugrunde liegen dürfte, auch mit einem Riestervertrag nicht über das Niveau der Grundsicherung zu kommen. Somit kommt es in der Erwerbsphase zu keiner Sparanstrengung. Dies dürfte in der Empirie für viele Haushalte in diesen Einkommensklassen treffen, da die Berechnungen auf einem lebenslang konstanten Einkommen und ohne Phasen von Erwerbslosigkeit fußen.

In der Realität dürften variable Einkommen und Arbeitslosigkeit aber die Entscheidung für eine zusätzliche Altersvorsorge eher verschlechtern. Als Beispiel möge der Fall eines Arbeitnehmers dienen, welcher 40 Jahre lang durchschnittlich 1.550 Euro im Monat verdient und ebenso lange auch mit einem Riestervertrag sparen kann (vierter Balken in Abbildung 1). Aufgrund seiner Versichertenzeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung landet er mit einer monatlichen Rente nach Abzug der Sozialbeiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung bei 549 Euro (Monatliche Nettorente GRV). Da dies deutlich unter dem Niveau der Grundsicherung im Alter liegt, würde er auf dieses aufgestockt – monatlich 773 Euro (gekennzeichnet durch die blaue Linie) – sofern er oder sie eben keine zusätzliche Altersvorsorge betrieben hat (hier fiktiv möglich über 40 Jahre). Hätte er sich zum Abschluss eines Riestervertrags entschieden, so hätte er in der Erwerbsphase im Durchschnitt 49 Euro pro Monat sparen müssen (monatlicher Sparaufwand in der Erwerbsphase, abgetragen auf der rechten vertikalen Achse, die Grundzulage ist hierbei schon eingerechnet). Dafür würde er nun in der Rentenbezugsphase eine monatliche Riesterrente von 130 Euro bekommen. Ohne Freibetrag wie im aktuellen Gesetzesstand würden diese 130 Euro voll auf seine Grundsicherungsleistungen angerechnet, d.h. er würde wiederum bei 773 Euro landen, der Staat würde allerdings 130 Euro Grundsicherungszahlungen sparen. Diese Ersparnis auf Seiten des Staates ist aber sehr unwahrscheinlich, da der Arbeitnehmer derzeit eben kaum Anreize hat, einen Riestervertrag abzuschließen. Würde nun ein Freibetrag wie oben beschrieben eingeführt, so würde der Haushalt deutlich besser gestellt. Die monatlichen Bezüge würden von 773 Euro Grundsicherungsniveau auf 879 Euro ansteigen – ein deutlich gestärkter Anreiz die 49 Euro pro Monat in der Erwerbsphase anzulegen. Da aber über 100 Euro monatlicher Riesterrente bei gleichzeitiger Aufstockung durch die Grundsicherung im Alter die hohe Transferentzugsrate von 80 Prozent greift, spart auch der Staat – seine Grundsicherungszahlung sinkt um knapp 24 Euro auf rund 200 Euro monatlich. Dies wird im Folgenden auch als fiskalische Minderaufwendungen durch Freibetrag bezeichnet. Diese kommen aber nur zustande, wenn sich der Haushalt erst aufgrund der Einführung des Freibetrags überhaupt für eine zusätzliche Altersvorsorge entscheidet.

  • Abbildung 1: Ergebnisse eines Riester-Freibetrags nach dem Bruttoeinkommen

Würde nun ein Freibetrag für zusätzliche Altersvorsorge von absolut 100 Euro und ab dann 20 Prozent der über 100 Euro liegenden Riesterrente eingeführt, steigt der Anreiz für zusätzliche Altersvorsorge stark an, da alle betrachteten Haushalte deutlich besser gestellt werden. Ab einem Einkommen von ca. 2.000 Euro monatlich in der Erwerbsphase ist dann der Freibetrag nicht mehr nötig, da nun die Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung zuzüglich der Riesterrente über dem Wert des Freibetragsregimes liegt. Der Freibetrag sorgt jedoch wahrscheinlich dafür, dass die Abschlusswahrscheinlichkeiten solcher Haushalte deutlich steigen und es somit bei Haushalten über 2.000 Euro Bruttoeinkommen gar keine Leistungen der Grundsicherung im Alter mehr bedarf.

  • Abbildung 2: Ergebnisse eines Riester-Freibetrags nach dem Bruttoeinkommen einer alleinerziehenden Mutter

Sollte also ein Haushalt im Status quo keine zusätzliche Altersvorsorge betreiben, dies aber durch den Anreiz über den Freibetrag ändern, so wird es Haushalte geben, welche sich selbst aus der Altersarmut befreien. Bei anderen spart der Staat zumindest einen Teil der Grundsicherungsleistungen, da Beträge über 100 Euro wiederum zu 80 % (Transferentzugsrate = TER) auf die Grundsicherung angerechnet werden.

Wie Abbildung 2 zeigt, gilt dies insbesondere auch für Alleinerziehende mit Kindern, allerdings mit einer Einschränkung. Zumindest in der bisherigen Förderlogik der zusätzlichen Altersvorsorge müssen Alleinerziehende entweder in Erziehungs-/Elternzeit sein oder einer sozialversicherungspflichtigen (oder Ähnlichem wie einer Beamtentätigkeit) Beschäftigung nachgehen. Hier gilt also wiederum die Forderung der Ursachenbekämpfung von Altersarmut. Eine gute Ausbildung und die Möglichkeit durch die entsprechende Infrastruktur Beruf und Familie zu verknüpfen, sind somit die hinreichenden hinreichenden Bedingungen im Kampf gegen Altersarmut. Ist dies aber der Fall, würden gerade Alleinerziehende (oder auch Familien mit Kindern) im Besonderen profitieren, da ihr monatlicher Sparaufwand in der Erwerbsphase aufgrund der Kinderzulagen deutlich niedriger ausfällt. So muss das Pendant zum vorhin betrachteten Arbeitnehmer mit 1.550 Euro monatlichem Einkommen in der Erwerbsphase lediglich 29 Euro statt 49 Euro aus eigener Tasche monatlich sparen um im Szenario mit Freibetrag auf den gleichen Betrag im Alter zu kommen.

Abbildung 3 zeigt nun wiederum, dass die oben genannten Argumente auch für eine kürzer laufende zusätzliche Altersvorsorge zutreffen. Auch mit 25 Jahren Ansparphase (die beiden Fälle rechts in Abbildung 3) werden die dargestellten Modellfälle mit dem Freibetrag deutlich besser gestellt als vorher mit Grundsicherung. Und dadurch steigt wiederum die Wahrscheinlichkeit für einige Haushalte sogar vollständig auf Grundsicherung verzichten zu können.

  • Abbildung 3: Rentenvergleich mit und ohne Kinder nach Riesterjahren

Allerdings muss konstatiert werden, dass ein solcher Freibetrag eben nur denjenigen hilft, welche eine zusätzliche Altersvorsorge (oder eine bAV) in nennenswertem Ausmaß betrieben haben – und somit wenig Auswirkungen für derzeit Beziehende der Grundsicherung im Alter haben dürfte.

Will heißen: Ein Riester-Freibetrag dürfte vor allem mittel- bis langfristig etwas gegen steigende Altersarmut bewirken, allerdings nur wenig Effekte auf bestehende Altersarmut haben. Dies gilt jedoch auch für die Lebensleistungsrente, welche ja – zumindest bei manchen Vorschlägen – eine zusätzliche Altersvorsorge (oder bAV) vorsieht, welche aufgrund der beschriebenen Anreizproblematik nur wenige derzeit Altersarme vorweisen dürften. Natürlich sind diese Modellrechnungen abhängig von den gewählten Parametern wie bspw. der Transferentzugsrate. Dies ist in erster Linie eine politische Entscheidung, in welcher Höhe eine Umverteilung von Steuerzahlern zu Freibetragsnutzern erfolgen soll. Im Anhang werden in Abbildungen 4 und 5 die Effekte verschiedener Transferentzugsraten aufgezeigt.

Fazit

Die Rentendiskussion in Deutschland hat in den letzten Wochen Fahrt aufgenommen. Diskutiert werden vor allem das Problem der Altersarmut und das damit verbundene Akzeptanzproblem des gesamten Altersvorsorgesystems. Zwar ist das Altersarmutsrisiko älterer Menschen nicht höher als das der Gesamtbevölkerung, jedoch wird erwartet, dass Altersarmut – insb. bei Frauen – signifikant ansteigen wird. Es gilt somit, den ordnungspolitischen Eingriff, Diskriminierung bestimmter Gruppen in Armut, abzuwägen gegen das angezeigte Akzeptanzproblem aufgrund zunehmender Altersarmut. Nichtsdestotrotz sollten immer auch die Ursachen für Altersarmut in Angriff genommen werden – insb. Ausbildung und die Infrastruktur zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf, vor allem für Alleinerziehende.

Sollte sich für einen solchen Eingriff entschieden werden, stellt sich die Frage nach der besten der Second-Best-Lösungen. Im politischen Raum stehen die Fixierung des Rentenniveaus und die soge-nannte Lebensleistungsrente. Erstere Maßnahme ist rundum abzulehnen, da sie in keiner Weise das Altersarmutsproblem adressiert und lediglich eine nicht nachhaltige Umverteilung jüngerer Jahrgänge hin zu den sogenannten Baby-Boomer-Generationen darstellt. Die Lebensleistungsrente, also die Aufwertung der Rentenpunkte bei langjähriger Versicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung, ist sicher zielgenauer als eine Fixierung des Rentenniveaus, mag jedoch auch nicht überzeugen. Ohne eine Bedürfnisprüfung wie in der Grundsicherung im Alter sind hohe Mitnahmeeffekte zu erwarten, mit Bedürfnisprüfung gibt es einen starken Anreiz Teile der Erwerbstätigkeit in Schwarzarbeit zu verbringen.

Besser ist es die Eigenvorsorge zu stärken und für entsprechend gefährdete Einkommens- und gesellschaftliche Gruppen anreizkompatibel zu machen. Die zusätzliche Altersvorsorge wurde bisher bei der Grundsicherung im Alter voll angerechnet, was auch sachlogisch war. Darauf folgend war es aber auch für viele Haushalte rational, keine zusätzliche Altersvorsorge zu betreiben. Ein Freibetrag für zusätzliche Altersvorsorge oder ähnliche Produkte (bAV, Basisrente) würde den Anreiz für das Altern selbstständig vorzusorgen stark erhöhen und könnte dadurch das steigende Altersarmutsproblem zielgenau angehen.

  • Abbildung 4: Sensitivitätsanalyse anhand der Transferentzugsrate

  • Abbildung 5: Riesterrenten in Abhängigkeit verschiedener Transferentzugsraten

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