Neuer INSM-Bildungsmonitor: Mangelnde Deutschkenntnisse belasten schulische Leistungen. Potenziale der Zuwanderung im Bildungssystem müssen besser gehoben werden

Nicht der Migrationshintergrund generell, aber fehlende Deutschkenntnisse und Bildungsferne der Eltern haben stark-negative Auswirkungen auf die Bildungs- und späteren Arbeitsmarktchancen von Zuwandererkindern, so das Ergebnis des neusten INSM-Bildungsmonitors, das die Bildungsexperten des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) unter Leitung von Professor Axel Plünnecke im Auftrag der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) erstellt haben.

INSM-Geschäftsführer Thorsten Alsleben:

“Die Studie zeigt, dass nicht Zuwanderung das Problem im Bildungsbereich verschärft, sondern die unzureichende Integration der Kinder bildungsferner Familien.”

Damit würden erhebliche demografische Potenziale ungenutzt gelassen.

15-jährige Kinder mit Migrationshintergrund weisen im Durchschnitt geringere Kompetenzen im Lesen, in Mathematik und in den Naturwissenschaften auf. Die Analysen der IW-Bildungsexperten zeigen, dass Kinder in den PISA-Kompetenzen dann schlechter abschneiden, wenn die Eltern gering qualifiziert sind, wenn wenig Bücher zu Hause vorhanden sind und wenn im Elternhaus nicht deutsch gesprochen wird. Der
Migrationsstatus an sich hat keinen signifikanten Effekt. Dies zieht sich durch bis hin zur
Arbeitsmarktintegration: Auch hier wirkt sich Migrationshintergrund allein in keiner Weise negativ aus, sondern erst dann, wenn die Menschen mit Migrationshintergrund schlechtere Sprachkenntnisse aufweisen und geringer qualifiziert sind.

Die IW-Experten zeigen durch Auswertungen von PISA- und SOEP-Daten weiterhin, dass
Kleinkindern mit Migrationshintergrund weniger oft Bücher vorgelesen werden und sie
seltener über einen längeren Zeitraum den Kindergarten besuchen. Besonders groß sind die Herausforderungen bei Kindern, die selbst zugewandert sind. Rund 40 Prozent dieser Kinder hat kein Elternteil mit guten deutschen Sprachkenntnissen und ihnen steht seltener ein eigener Raum für die Hausaufgaben zur Verfügung.

Zudem besuchen 54 Prozent dieser 15-jährigen Jugendlichen Schulen, in denen über die
Hälfte der Mitschüler einen Migrationshintergrund haben – bei Kindern ohne Migrationshintergrund sind dies lediglich knapp 28 Prozent. Diese Schulen sind besonders herausgefordert, Kinder und Jugendliche bei den Sprachkompetenzen zu fördern. Die Sprachförderung der Kinder ist von zentraler Bedeutung und muss bereits vor der Grundschule in der frühkindlichen Bildung alle betroffenen Kinder erreichen. Die Bundesländer in Deutschland gehen dabei sehr unterschiedlich vor und erreichen zum Teil nicht alle Kinder mit verpflichtenden Angeboten.

Studienleiter und IW-Bildungsökonom Professor Dr. Axel Plünnecke:

„Über 40 Prozent der Kinder im Alter unter 15 Jahren haben einen Migrationshintergrund. Die Zuwanderung stellt damit ein großes Potenzial dar, die demografische Herausforderung bei der Fachkräftesicherung zu meistern. Gute Lese- und Sprachkompetenzen sind der Schlüssel, diese Potenziale zu heben.“

Deshalb müsse der volle Fokus der Bildungspolitik darauf liegen, zielgerichtet die Kinder zu fördern, die aus bildungsfernen Haushalten stammen und die zu Hause nicht gut in der deutschen Sprache gefördert werden können.

Bei der Förderung in Kindergärten zeigt sich ein besorgniserregender Trend. So ist der Anteil der Kinder mit Migrationshintergrund im Alter zwischen drei und sechs Jahren, die in einer Kita betreut werden, von 85 Prozent im Jahr 2013 auf nur noch 78 Prozent im Jahr 2022 gesunken. Zum Vergleich: Bei den Kindern ohne Migrationshintergrund stieg der Anteil im selben Zeitraum von 98 auf 100 Prozent.

Der Psychologe und Integrationsexperte Ahmad Mansour fordert bei der Vorstellung des INSM-Bildungsmonitors ebenfalls eine zielgerichtetere Förderung für benachteiligte Kinder:

„Wenn eine Klasse überwiegend aus Schülern besteht, die die deutsche Sprache nicht beherrschen und aus bildungsfernen Familien stammen, kann dies das Lehrpersonal überfordern und zu einer Leistungssenkung führen, was die Chancen dieser Schüler auf Erfolg deutlich verringert.“

Mansour fordert daher eine Kitapflicht bei Sprachdefiziten und gezielte Förderung von Schulen in Problembezirken.

INSM-Geschäftsführer Thorsten Alsleben kritisiert die Bildungspolitik:

„Wir haben hier riesige Potenziale, die uns helfen können, die Herausforderungen unserer überalternden Gesellschaft zu meistern. Doch die Politik kümmert sich nicht richtig darum.“

Die INSM und die Bildungsökonomen des IW fordern, dass viel gezielter in die frühkindliche Bildung investiert wird. Die Kinder mit Sprachdefiziten müssten bundesweit im Alter von vier Jahren durch verpflichtende Tests identifiziert werden, und für sie müsste eine Pflicht gelten, damit die Defizite aufgeholt werden können, bevor sie in die Schule kommen.

„Jeden Euro, den wir zielgerichtet in die frühkindliche Bildung investieren, spart uns später ein Vielfaches bei drohenden Reparaturarbeiten und trägt langfristig zu Fachkräftesicherung und Wohlstand bei“

so Alsleben. Auch müsse das Startchancenprogramm für benachteiligte Schüler deutlich ausgeweitet werden. So dürften nicht nur rund zehn Prozent der Schulen mit einem ungünstigen Sozialindex besonders gefördert werden, sondern das Programm sollte auf rund 40 Prozent der Schulen ausgeweitet werden. Ansonsten erreiche man nur einen zu kleinen Anteil an Kindern mit besonderen Bildungsproblemen und trage die Probleme immer weiter in die Zukunft.

Autor:

Carl Victor Wachs Leiter Kommunikation und Pressesprecher

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