Steuern & Finanzen
Hohe Inflation gefährdet den Wohlstand

10 Fakten zur Inflation

Energiekrise, Lieferkettenprobleme, Arbeits- und Fachkräftemangel: Es gibt ein Reihe von Gründen, weshalb die Inflationsrate – die Veränderung der Preise im Jahresvergleich – in Deutschland und vielen Ländern im Herbst 2022 extreme Höhen von über 10 Prozent erreicht hat.

11. Januar 2023

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Eine hohe Inflation gefährdet den Wohlstand.

 

Fakt 1: Gläubiger und Schuldner trifft Inflation unterschiedlich.

Fakt 2: Eine moderate Inflation ist das Ziel.

Fakt 3: Nach der Euro-Einführung lief alles nach Plan.

Fakt 4: Hohe Inflation bleibt vorerst erhalten.

Fakt 5: Nicht zuletzt der Warenkorb bestimmt die Inflation.

Fakt 6: Inflation trifft Verbraucher unterschiedlich.

Fakt 7: Staatseingriffe müssen wohlüberlegt sein.

Fakt 8: Inflation ist nicht gleich Inflation.

Fakt 9: Staat sollte Ursachen der Inflation angehen.

Fakt 10: Lohn-Preis-Spirale verhindern.

 

Im Jahresdurchschnitt 2022 lag die Inflationsrate laut Statistischem Bundesamt voraussichtlich bei 7,9 Prozent. Und das, obwohl die Europäische Zentralbank das Ziel hat, sie bei „mittelfristig 2 Prozent“ zu halten. Da ist es mehr als verständlich, dass die momentanen Preissteigerungen Bevölkerung, Unternehmen und Politik gleichermaßen beunruhigen. Schließlich sind Wohlstand und Wirtschaftswachstum in Gefahr. Es droht Stagflation.

Deshalb ist es richtig, dass die EZB seit Sommer 2022 den Leitzins erhöht. Doch trotz Zinserhöhungen geht der Bundesbank-Präsident davon aus, dass die Inflation auch 2024 noch deutlich über 2 Prozent liegen wird.

Dieses Faktenheft bietet beim komplexen Thema Inflation Orientierung. Es ordnet die aktuelle Preisentwicklung im historischen Kontext ein, erläutert, welche unterschiedlichen Typen von Inflation es gibt und was die Politik tun kann, um sie zu dämpfen. Eine angebotsorientierte Finanz- und Wirtschaftspolitik muss die Geldpolitik flankieren. Preissteigernde Impulse sollten vermieden und Angebotsknappheiten im Energie- und Arbeitsmarkt behoben werden.

Gläubiger und Schuldner trifft Inflation unterschiedlich.

Wer ein festes Einkommen bezieht, sieht sich mit handfesten Problemen konfrontiert, wenn Preise zu schnell steigen. Denn dann ist das Einkommen real weniger wert: Die Kaufkraft sinkt, weil man sich mit der gleichen Menge Geld viel weniger leisten kann. Gleichzeitig stellt eine hohe Inflation Gläubiger wie etwa Banken vor Probleme. Während Schuldnerinnen und Schuldner wie zum Beispiel Staaten sich freuen, dass der reale Wert ihrer Schulden merklich sinkt, vergeben Gläubigerinnen und Gläubiger gegebenenfalls weniger Kredite. Zudem signalisieren steigende Wettbewerbspreise zunehmende Knappheiten – gibt es von einem Produkt zu wenig, steigt sein Preis. Dann lohnt sich für neue Anbieter der Markteintritt. 

Quelle: Umfrage von IfD Allensbach im Auftrag der INSM

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Eine moderate Inflation ist das Ziel.

Gäbe es überhaupt keine Inflation, wären Ökonomen und Politiker auch beunruhigt. Denn wenn die Löhne zulegen oder die Produktivität, die Preise aber nicht, werden Produkte und Dienstleistungen unterm Strich günstiger. Schlimmstenfalls warten Verbraucher und Unternehmen in dieser Situation auf noch niedrigere Preise, was dem Konsum und den Investitionen erheblich zusetzt.

So ist es verständlich, dass Zentralbanken gemeinhin eine geringe Inflationsrate – bei der Europäischen Zentralbank sind es 2 Prozent – zum Ziel haben: Die höheren Löhne, die in dieser Situation nötig sind, um die Kaufkraft konstant zu halten, können in der Regel durch eine höhere Produktivität und technischen Fortschritt „finanziert“ werden.

Darstellung des IW

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Nach der Euro-Einführung lief alles nach Plan.

Zweistellige Inflationsraten – das gab es zuletzt vor über 70 Jahren mit 11 Prozent im 4. Quartal 1951. In den 1970er Jahren stieg die Inflationsrate dann noch einmal auf 7 Prozent an. Damals war es ebenfalls ein Krieg, der zur Krise führte: Mehrere OPEC-Staaten verhängten während des Jom-Kippur-Kriegs 1973 einen Ölboykott gegen die Verbündeten Israels. Und auch vor 50 Jahren hatte die Bundesrepublik wirtschaftlich viele gute Jahre hinter sich. Seit Mitte der 1990er Jahre hält die Geldpolitik den Geldwert stabil. Auch die Euro-Einführung änderte daran nichts.

Durch die Niedrigzinspolitik der EZB und ihren Ankauf von Staatsanleihen gab es zuletzt Geld im Überfluss, gleichwohl stieg die Inflationsrate bis Ende 2020 nicht nennenswert.

Quelle: OECD, 2022

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Hohe Inflation bleibt vorerst erhalten.

Die Europäische Zentralbank kann die Inflation im Moment nur teilweise beeinflussen. Denn ihr Instrument dafür sind die Leitzinsen, mit denen sie Geld billiger oder teurer machen kann. Der Mechanismus ist denkbar simpel: Ist Geld teuer, weil die Zinsen hoch sind, wird weniger konsumiert, die Nachfrage sinkt und damit stabilisieren sich die Preise und die Inflationserwartungen. Doch dieser Mechanismus braucht Zeit und funktioniert vor allem, wenn die Inflation durch die Nachfrageseite getrieben ist. Momentan treiben aber auch Angebotsknappheiten im Bereich Energie die Preise.

Entsprechend gehen jene Finanzmarktexpertinnen und -experten, die das Forschungsinstitut ZEW regelmäßig befragt, davon aus, dass sich die Inflation 2023 und 2024 zwar abschwächen, aber noch deutlich über 2 Prozent liegen wird.

Quelle: ZEW-Finanzmarkttext, 2022

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Nicht zuletzt der Warenkorb bestimmt die Inflation.

Am Ende ist alles eine Frage der Definition – auch die Inflation. Denn um sie zu berechnen, müssen die Preise für einen definierten Warenkorb kontinuierlich erfasst werden. Doch schon die Entscheidung, welche Produkte welchen Anteil – die sogenannte Gewichtung – am Warenkorb haben, kann nicht völlig objektiv erfolgen. Auch deshalb gibt es für Deutschland einen nationalen Verbraucherpreisindex und einen, der europaweit harmonisiert ist.

Hinzu kommt, dass sich der Konsum über die Zeit verändert, also neue Dinge nachgefragt werden und andere nicht mehr. Zudem führt der technologische Fortschritt zwangsläufig dazu, dass Produkte besser und also auch billiger werden. Außerdem gibt es gewisse Güter – vor allem Nahrungsmittel und Energieträger – die besonders stark schwanken. Deren Preisentwicklung klammert die sogenannte Kerninflationsrate bewusst aus. Aktuell liegt diese deshalb deutlich unter der „normalen“ Inflation.

Quelle: Statistisches Bundesamt, Inflationsrate Oktober 2022

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Inflation trifft Verbraucher unterschiedlich.

Statistiken liefern in der Regel nur Durchschnittswerte– auch mit Blick auf die Inflation. Deshalb bietet das Statistische Bundesamt auf seiner Website mittlerweile den „Persönlichen Inflationsrechner“ an. In ihm kann jede Nutzerin und jeder Nutzer individuell angeben, welche eigenen Ausgaben sie oder er in einzelnen Bereichen hat – und wird dann über die Höhe der eigenen Inflationsrate informiert.

Tatsächlich zeigen verschiedene Studien, etwa vom Institut der deutschen Wirtschaft, dass beispielsweise Pendler und Nicht-Pendler mit ganz unterschiedlichen Inflationsraten konfrontiert sind. Auch auf Mieter und Wohneigentümer wirkt die Inflation unterschiedlich. Und: Jene mit niedrigerem Einkommen trifft eine hohe Inflationsrate meist stärker als Gutverdiener, denn oft steigen vor allem jene Produkte deutlich im Preis, die im Warenkorb Einkommensschwächerer einen höheren Anteil haben.

Quelle: Persönlicher Inflationsrechner des Statistischen Bundesamtes, Stand Oktober 2022

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Staatseingriffe müssen wohlüberlegt sein.

Der Staat hat 2022 versucht, der Inflation mit verschiedenen Maßnahmenpaketen Einhalt zu gebieten. Doch weil die Regierung natürlich nicht grenzenlos Geld zur Verfügung hat, waren beispielsweise das 9-Euro-Ticket und der Tankrabatt zeitlich begrenzt. Das spiegelt sich in der Inflationsrate wider: Im August lag diese in Summe bei „nur“ 7,9 Prozent, im September – nach Auslaufen von Ticket und Tankrabatt – bei genau 10 Prozent.

Auch deshalb mahnen Ökonominnen und Ökonomen regelmäßig, dass die Politik gezielt die wirklich Bedürftigen unterstützen sollte und nicht alle mit der Gießkanne. Verteilt der Staat zu viel Geld, kann das schlimmstenfalls sogar die Inflationsrate weiter erhöhen, weil zu viel Geld zur Verfügung steht. Im Übrigen tragen staatlich administrierte Preise wie die Gebühren für Müllabfuhr oder Kindergarten aktuell nennenswert dazu bei, dass die Inflationsrate nicht noch höher liegt.

Quelle: Statistisches Bundesamt, Inflationsrate für den Bereich Verkehr

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Inflation ist nicht gleich Inflation.

Für Bürger ist der Verbraucherpreisindex die zentrale Kennzahl. Für Unternehmen und die Politik sind zwei andere Indizes allerdings ebenfalls relevant: Der Einfuhrpreisindex misst die monatliche Preisveränderung bei Gütern, die vor allem durch Firmen aus anderen Ländern eingeführt werden. Eine Rolle spielt dabei oft auch der Wechselkurs. Der Erzeugerpreisindex bildet die Preisentwicklung in einer frühen Phase des Wirtschaftsprozesses ab, zum Beispiel im Bergbau und im Verarbeitenden Gewerbe.

Beide Indizes haben sich im Jahr 2022 deutlich stärker erhöht als die Verbraucherpreise – vor allem wegen der Energiekosten. Bereits seit Frühjahr 2021 hatten sie aufgrund ungünstiger Wechselkurse, gestörter Lieferketten und Corona-Nachholeffekten deutlich zugelegt. Allerdings können Unternehmen ihre Mehrkosten nur teilweise an die Kunden weitergeben.

Quelle: Statistisches Bundesamt, Einfuhrpreis, Erzeugerpreis und Verbraucherpreis, Stand: Dezember 2022

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Staat sollte Ursachen der Inflation angehen.

Die Bundesregierung hat 2022 viele Milliarden Euro in die Hand genommen, um die Folgen der Inflation – deutlich höhere Lebenshaltungskosten – abzumildern. Genauso wichtig ist es allerdings, die Ursachen der Preissteigerungen zu bekämpfen oder anderweitig Abhilfe zu schaffen.

So gilt es, Angebotsengpässe zu reduzieren – beispielsweise mit Blick auf den Energiebereich. Die erneuerbaren Energien müssen beschleunigt ausgebaut und bestehende Energiequellen solange wie nötig erhalten bleiben. Ebenso gilt es, entsprechende Infrastruktur zügig auszubauen. Auch das knappe Angebot an Arbeits- und Fachkräften muss adressiert werden. Abhilfe könnten hier höhere Erwerbsquoten von Frauen und Älteren, bessere Bildungs- und Weiterbildungsangebote sowie qualifizierte Zuwanderung schaffen. Darüber hinaus müssen Lieferketten stärker diversifiziert werden.

Quelle: Kompetenzzentrum Fachkkräftesicherung 2022

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Lohn-Preis-Spirale verhindern.

Im Herbst 2022 haben sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer wichtiger Industrien auf neue Tarifverträge mit teils längeren Laufzeiten verständigt. Auch die steuer- und abgabenfreien Sonderzahlungen von bis zu 3.000 Euro sind bereits Teil einiger Tarifverträge. Die deutschen Tarifabschlüsse des Jahres 2022 sind bisher in den Augen von Experten angemessen. Ob die anstehenden Verhandlungen, beispielsweise im öffentlichen Dienst, auch mit Augenmaß geführt werden, ist noch ungewiss.

Zu hohe Abschlüsse würden die Preise weiter steigen lassen und die Inflation im schlimmsten Fall in einer Lohn-Preis-Spirale befeuern. Zudem zeigt ein Blick in die Statistik, dass die Tariflöhne in den vergangenen Jahren in Deutschland im Durchschnitt merklich stärker zugelegt haben als die Inflation.

Quelle: Statistisches Bundesamt, 2022: tarifliche Stundenverdienste

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Ausgewählte Quellen

 

Die Auswirkungen des neuen Inflationsziels der EZB auf die Inflationserwartungen der privaten Haushalte
Deutsche Bundesbank, 2021

Einigung in der M+E-Tarifrunde: Tariferhöhung vereinbart –lange Laufzeit schafft Planungssicherheit
Gesamtmetall, 2022

Umfrage im Auftrag der INSM zu Wohlstandseinbußen durch Inflation
IfD Allensbach, Dezember 2022

Verbraucherpreisindex und Inflationsrate
Online-Themenseite des Statistischen Bundesamts, 2022

Welche Inflationsunterschiede bestehen in der Bevölkerung?
Institut der deutschen Wirtschaft, 2021

ZEW-Finanzmarkttest
Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung, 2022