Warum eine sogenannte Übergewinnsteuer überflüssig ist

Einige Politiker von SPD, Bündnis 90/ Die Grünen und DIE LINKE wollen sogenannte „Übergewinne“ infolge des russischen Kriegs gegen die Ukraine besonders hoch besteuern. Sie zielen auf Energieversorger, die von gestiegenen Preisen profitieren, und speziell auf Mineralölkonzerne, denen sie unterstellen, sie gäben den befristeten Steuerrabatt an der Tankstelle nicht an die Kunden weiter. Doch vier Gründe sprechen gegen eine neue Steuer oder Abgabe.

Das Land Bremen hat am 3. Juni 2022 einen Entschließungsantrag in den Bundesrat eingebracht (Drs. 268/22), in dem der Bund aufgefordert wird, einen Vorschlag für die befristete Erhebung einer „Übergewinnsteuer“ für das Jahr 2022 vorzulegen. Damit sollen insbesondere im Energiesektor „krisenbedingte Übergewinne“ einer Steuer beziehungsweise Abgabe unterworfen werden, um mit diesen Einnahmen staatliche Entlastungsmaßnahmen im Zusammenhang mit dem Krieg mitzufinanzieren.

Vier Gründe sprechen gegen eine neue Steuer oder Abgabe.

1. Eine „Übergewinnsteuer“ wäre praktisch kaum umsetzbar, denn: Was ist die Bemessungsgrundlage?

Was ist ein normaler, was ein überhöhter Gewinn? Welcher Vergleichsmaßstab sollte verwendet werden? Ein Branchendurchschnitt? Oder ein Maßband für jedes Unternehmen? Und überhaupt: Welche Krisen werden berücksichtigt? Auch solche in fernen Ländern? Und welcher Bezugszeitraum in der Vergangenheit gilt – das Vorjahr oder der Durchschnitt mehrerer Jahre? Und schließlich: Gibt es dann auch in schlechten Jahren einen Rabatt beim Fiskus als „Untergewinnsteuer“? Zum Beispiel in Jahren wie 2020, als der Ölpreis zeitweilig unter null Dollar lag? All das ist viel zu kompliziert. Die Unternehmensgewinne sollten weiterhin einheitlich besteuert werden. Das Steuerrecht sollte weiter nicht zwischen guten und schlechten Unternehmensgewinnen unterscheiden. Solche Berechnungen kann kein Politiker und kein Finanzbeamter vornehmen.

2. Eine „Übergewinnsteuer“ wäre wohl grundgesetzwidrig, wenn sie nur Krisengewinnler einzelner ausgewählter Branchen belastete oder gar nur die vier Unternehmen Shell, BP, Exxon und Total.

Eine Abgrenzung weniger Branchen (und eventuell von deren Lieferanten?) ließe sich sachlich nicht konsistent gestalten und dürfte als ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz der Besteuerung gewertet werden. Grundsätzlich alle Unternehmen müssten einer „Übergewinnsteuer“ unterworfen werden. Doch dann droht viel neue Bürokratie und Streit mit Finanzämtern, was besser vermieden wird.

„Das Steuerrecht sollte nicht zwischen guten und schlechten Unternehmensgewinnen unterscheiden.“

3. Eine „Übergewinnsteuer“ wäre eine Wachstums- und Wohlstandsbremse.

Das Streben nach Gewinn ist der Motor der Marktwirtschaft und Voraussetzung unseres breiten Wohlstands. Die Hoffnung auf Gewinne veranlasst Unternehmer, wirtschaftlich tätig zu werden, Zeit und Kapital einzusetzen und Risiken einzugehen. Ohne hohe Gewinne innovativer Unternehmer hätten wir weiter graue Wählscheibentelefone und keine Smartphones. Und es hätte viel länger gedauert, bis Unternehmen wie Biontech Corona-Impfstoffe auf den Markt gebracht hätten. Ganz zu schweigen von den Tausenden gewinnorientierten Internet-, Computer- und Softwarefirmen sowie den Logistikunternehmen, die es ermöglicht haben, dass wir während der Pandemie besser als gedacht durch die Zeiten des Lockdowns gekommen sind.

Bei ihnen wie auch in allen anderen Wirtschaftszweigen vom Automobilbau über das Handwerk bis zur Gastronomie gilt: Steigen in einem Markt die Preise und locken Gewinne, dann versuchen Unternehmer, dort zusätzliche Güter oder Dienstleistungen anzubieten. Mehr Angebot durch bisherige Anbieter oder durch Marktneulinge befriedigt die gestiegene Nachfrage. Das führt tendenziell zum Sinken der Preise und der Gewinne. Hohe Preise senden Marktsignale, die in der Regel über kurz oder lang zu ihrer Beseitigung führen – ganz im Sinne der Konsumenten, die mehr Güter und Dienstleistungen zu niedrigeren Preisen erhalten. Deshalb ist es auch in der Bauwirtschaft nicht verwunderlich, dass die zeitweilig extrem hohen Preise für Material und Rohstoffe mittlerweile angefangen haben zu sinken. Denn findige Unternehmer überwinden Probleme rund um die gestörten Lieferketten und schaffen neue Kapazitäten. Dasselbe ist auch für den aktuellen Mangel an Halbleitern zu erwarten.

4. Eine „Übergewinnsteuer“ ist haushaltspolitisch überflüssig und steuerpolitisch gefährlich.

Der Staat erzielt unter anderem mit der derzeitigen Gewinnbesteuerung genug Aufkommen – zum Beispiel erhält er gut 30 Prozent der Gewinne von Kapitalgesellschaften plus die Steuer auf der Ebene der Anteilseigner. Steuererhöhungen sind der falsche Weg, denn sie vermindern den Anreiz, in Deutschland zu investieren, und riskieren so, dass das Steueraufkommen sinkt und nicht steigt. Viel eher sollten die Unternehmenssteuern verringert werden, sobald es die Konsolidierung der öffentlichen Haushalte erlaubt, damit der Produktions- und Investitionsstandort Deutschland im internationalen Vergleich attraktiver wird.

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Autor:

Dr. Clemens Christmann ist stellvertretender Hauptgeschäftsführer der Vereinigung der hessischen Unternehmerverbände (VhU) und leitet die Abteilung Wirtschafts- und Umweltpolitik.

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