Corona-Pandemie: Auch Studierende und Auszubildende leiden

Die Corona-Pandemie hat nicht nur durch die Schließungen von Schulen und Kitas zu einer Verschärfung der Ungleichheit der Bildungschancen geführt, auch an den Hochschulen und bei der beruflichen Ausbildung haben sich größere Herausforderungen für die Bildungsgerechtigkeit ergeben. Ein Überblick.

Bereits im Frühjahr dieses Jahres wurde in einem ersten Sonderbericht zum INSM-Bildungsmonitor herausgearbeitet, wie schwerwiegend die Auswirkungen der Schulschließungen auf die Bildungsgerechtigkeit waren. Abgeleitet wurden daraus die Empfehlungen, dass in allen Klassen Vergleichsarbeiten durchgeführt und darauf aufbauend gezielte Maßnahmen zur Unterstützung der von Lernlücken betroffenen Schülerinnen und Schüler konzipiert und umgesetzt werden sollten.

Nun wurde in einem zweiten Sonderbericht auch die Lage in den weiteren Bildungsstufen in den Blick genommen, die bisher weniger im Fokus der öffentlichen Wahrnehmung standen. Im Folgenden sollen einige zentrale Befunde aus diesem dargestellt werden.

Auf den ersten Blick mag es so scheinen, als ob die Verlagerung der Lehre in die digitale Welt an den Hochschulen kaum zu Problemen geführt hätte. So war die technische Ausstattung bereits vor der Pandemie weitaus besser als an den Schulen und die pädagogische Seite stellte vor dem Hintergrund der geringeren Interaktion zwischen Lehrenden und Lernenden ebenfalls ein viel kleineres Problem dar.

Besuchte noch im Wintersemester 2019/2020 nur rund jeder zwanzigste Studierende mindestens die Hälfte seiner Lehrveranstaltungen auf digitalem Wege, waren es im Sommersemester 2020 bereits sechs Siebtel. Von Lehrausfällen war in diesem ersten Pandemiesemester nur rund ein Viertel betroffen.

Ein großes Problem ist der fehlende Kontakt zu den Mitstudierenden.

Allerdings ist eine adäquate Ausstattung der Studierenden notwendig, damit die digitale Lehre Erfolg haben kann, und hier bestanden im Sommersemester 2020 noch verbreitet Engpässe. So verfügten 22 Prozent der Studierenden über keine ausreichende Internetverbindung und 20 Prozent über keinen geeigneten Lernort in der Wohnung.

Wie in den Schulen droht also auch an den Hochschulen ein Teil der jungen Menschen mit ungünstigeren Voraussetzungen abgehängt zu werden.

Erschwerend kommt dabei noch hinzu, dass im Sommersemester 2020 fast jeder fünfte Studierende insbesondere vor dem Hintergrund weggefallener Jobmöglichkeiten unter finanziellen Schwierigkeiten gelitten hatte. Allerdings ist dazu anzumerken, dass die Rahmenbedingungen in Deutschland mit kostenfreier Hochschulausbildung und BAföG deutlich besser sind als in den meisten anderen OECD-Ländern.

Ein großes Problem stellte für viele Studierende während der Pandemie auch der fehlende Kontakt zu den Mitstudierenden dar. Dieser kann sich auch auf den Studienerfolg negativ auswirken, da Verständnisprobleme unter normalen Bedingungen häufig in Flur- und Campusgesprächen geklärt und Inhalte in Lerngruppen erarbeitet werden. Haben Studierende in ihrem engeren sozialen Umfeld niemanden mit entsprechendem Fachwissen und tun sich schwer, mit ihren Fachfragen auf Mitstudierende und Lehrende gezielt zuzugehen, drohen sie in einer derartigen Situation abgehängt zu werden.

Zudem haben die digitalen Studienformate für nahezu zwei Drittel der Studierenden die Tagesorganisation schwieriger gemacht, obwohl sie durch die wegfallenden Wegstrecken an sich zeitlich entlastet wurden.

Auch stellten das Bewältigen des Lernstoffs, Folgen der Veranstaltungen und Entwickeln von Lernstrategien während der Pandemie für viele größere Herausforderungen dar. Ein zentrales Problem ist dabei die Lernmotivation, die sowohl durch den fehlenden Kontakt zu den Kommilitoninnen und Kommilitonen als auch die Unsicherheit über die Karriereperspektiven beeinträchtigt wird. Im Herbst 2020 wollte mehr als jeder zehnte Studierende sein Studium gezielt verlängern, um auf bessere Aussichten am Arbeitsmarkt zu warten.

Bei der betrieblichen Ausbildung hatten die Schutzmaßnahmen zur Eindämmung der Pandemie ebenfalls zu stark veränderten Lernbedingungen geführt. So gab im Herbst 2020 rund ein Drittel der Betriebe an, dass Ausbildungsinhalte nicht wie geplant vermittelt werden konnten, und ein Viertel, dass Auszubildende infolge von Kurzarbeit nicht im üblichen Umfang tätig sein und betreut werden konnten. Ob es dadurch zu einer zunehmenden Zahl an Ausbildungsabbrechern kommen wird, lässt sich derzeit noch nicht abschätzen.

Klar ist jedoch bereits, dass im Jahr 2020 sehr viel weniger neue Ausbildungsverträge geschlossen wurden als in den Vorjahren und sich diese negative Entwicklung auch im Jahr 2021 fortsetzen dürfte. Dies geht nicht vorwiegend darauf zurück, dass die Unternehmen vor dem Hintergrund wirtschaftlicher Schwierigkeiten weniger Ausbildungsstellen anbieten konnten.

Noch stärker als das Angebot ist nämlich die Ausbildungsplatznachfrage eingebrochen. Wo die fehlenden jungen Menschen verblieben sind, lässt sich noch nicht klären. Daher ist auch noch keine abschließende Einschätzung zur Bedeutung für die langfristigen Bildungschancen möglich. Dennoch lässt sich festhalten, dass auch die Folgen der Corona-Pandemie bei der beruflichen Ausbildung zu politischem Handlungsbedarf führen könnten.

Ein größeres Problem könnte für die betriebliche und hochschulische Bildung in den nächsten Jahren auch daraus erwachsen, dass die Berufs- und Studienorientierung an den Schulen sehr stark eingebrochen war. So gab es den Angaben von Schülern und Schulabgängern zufolge während der Pandemie wesentlich weniger Beratungsangebote, Veranstaltungen wie Tag der offenen Tür in Unternehmen, Praktikumsmöglichkeiten und weitere Formate in diesem Bereich.

Dabei stehen die für die Berufs- und Studienwahl relevanten Informationen zumeist auch online zur Verfügung. Jedoch haben viele junge Menschen Probleme, sich ohne Hilfe zurechtzufinden. Können die Eltern oder andere Personen aus ihrem sozialen Umfeld sie nicht unterstützen, ist die Gefahr groß, dass sie Bildungswege einschlagen, die für sie an sich eher ungeeignet sind, was sich mittelfristig sehr negativ auf ihren Bildungserfolg auswirken und zu einer steigenden Zahl an Ausbildungs- und Studienabbrüchen führen kann.

Mentorenprogramme, die sich vorwiegend an junge Menschen mit geringen Bildungsressourcen in ihrem sozialen Umfeld richten, könnten hier, wie auch in der betrieblichen und hochschulischen Ausbildung selbst, sehr hilfreich sein.

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Autor:

Dr. Wido Geis-Thöne ist Senior Economist im Bereich Bildung, Zuwanderung und Innovation beim Institut der deutschen Wirtschaft.

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