Fazit

Das gigantische Projekt Energiewende ist teilweise auf einem guten Wege. Die Gesamtbewertung aller Aspekte belegt jedoch, dass es noch viele Herausforderungen gibt, um die Energiewende insgesamt zum Erfolg zu führen.

Die Energiewende gilt als eines der wichtigsten politischen und wirtschaftlichen Projekte der Gegenwart. Und in der Tat ist noch in keinem entwickelten Industrieland der Versuch unternommen worden, die Grundlagen der Energieversorgung und insbesondere der Stromerzeugung vollständig umzustellen. Genau dies ist nämlich der Kern der Energiewende: Bis 2050 sollen 80 Prozent des Stroms aus erneuerbaren Quellen kommen. Der Ausstieg aus der Kernenergie ist dabei nur ein Element von vielen, die zusammen die Energiewende ausmachen.

Der Schutz des Klimas und die Reduktion von Treibhausgasemissionen ist der wesentliche Antrieb der Energiewende. Insofern dient sie zunächst primär dazu, die Umweltverträglichkeit der Energieversorgung zu verbessern. Dabei dürfen aber auch die anderen Dimensionen des energiepolitischen Zieldreiecks nicht vernachlässigt werden. Die Sicherheit und die Wirtschaftlichkeit der Energieversorgung bleiben von besonderer Bedeutung für ein Industrieland wie Deutschland.

Das Projekt der Energiewende ist auf einen außerordentlich langen Zeitraum angelegt. Es wird – nach heutigen Planungen – zehn Legislaturperioden oder ein ganzes Arbeitsleben dauern, bis der Veränderungsprozess abgeschlossen sein wird. Einen derartigen Prozess mit detaillierten Zielvorgaben steuern zu können, erscheint als kaum lösbare Aufgabe. Zu wenig wissen wir über zukünftige Technologien, wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklungen, die die Energiewende auf die eine oder andere Art und Weise beeinflussen. Entscheidend ist es daher, flexibel auf Veränderungen reagieren zu können und den Prozess nicht durch zu detaillierte Ziele in ein zu enges Korsett zu zwängen.

In Anbetracht der Komplexitäten und langen Zeiträume wäre es unrealistisch zu vermuten, dass alle Elemente der Energiewende gleichermaßen weit fortgeschritten sind. Dies gilt insbesondere dann, wenn einzelne der Ziele von vorneherein realistischerweise kaum zu erreichen waren. Beim Ziel eines Rückgangs der Stromversorgung ist dies besonders eklatant. Statt eines Rückgangs hat es über die letzten Jahre sogar einen Anstieg gegeben. Hier stellt sich die Frage, welche Annahmen der Energiewende revidiert werden müssen und was dies für die Möglichkeit bedeutet, die anderen Ziele zu erreichen und die Stromversorgung weiterhin sicher, umweltverträglich und bezahlbar gewährleisten zu können.

Dennoch muss die Bundesregierung sich an den Zielen messen lassen, die sie implizit oder explizit vorgegeben hat. Da man zwischen dem Sommer 2011 und heute natürlich noch keinen Fortschritt messen kann, wurden als längerer Beobachtungszeitraum die Jahre 2000 bis heute gewählt. Dies liegt darin begründet, dass spätestens mit dem Start des EEG eine Politik des deutlichen Ausbaus der erneuerbaren Energien realisiert wurde. Diese wird heute als Energiewende bezeichnet. Für die Bewertung bedeutet dies, dass nicht nur die Veränderungen des letzten Jahres, sondern der gesamten Zeit gemessen an den aktuellen Zielen berücksichtigt werden. Insofern ist sie weniger als Beurteilung des aktuellen Regierungshandelns, sondern vielmehr als Fortschrittsbericht zum Umbau der Energie- und insbesondere der Stromversorgung zu sehen.

Der Zwischenstand ist bei den verschiedenen Elementen der Energiewende sehr unterschiedlich zu beurteilen. Bei einer ersten Gruppe ist der Zielerreichungsgrad hoch. Noch konnte die Versorgungssicherheit hoch gehalten werden. Dies darf allerdings kein Grund zur Beruhigung sein. Gerade hier liegt aufgrund der langen Zeiträume bis zur Realisierung fossiler Kraftwerke ein erhebliches Risiko. Der Ausbau der erneuerbaren Energien ist ebenfalls auf dem Zielpfad, allerdings insbesondere durch den Zubau der teuren Photovoltaik. Ins Stocken gekommen ist hingegen der Ausbau der Offshore-Windkraft. Auch die Steigerungen der Energieeffizienz insgesamt kommen bisher gut voran, hingegen mangelt es an einem effizienteren Umgang mit Strom. Bei der Wettbewerbsfähigkeit der Industrie im Hinblick auf die Stromkostenunterschiede zu den Nachbarländern besteht ebenfalls Handlungsbedarf. Bisher konnte durch die Ausnahmeregelungen ein wenig Spielraum geschaffen werden, durch einen weiteren Strompreisauftrieb geraten jedoch gerade stromintensive Industriezweige zunehmend an ihre Belastungsgrenzen. Bei der Wirtschaftlichkeit (unter Beachtung der erwarteten Steigerung der EEG-Umlage zum Jahreswechsel) und beim Netzausbau ist man weit von den gesetzten Zielen entfernt. Noch kritischer sieht es beim Klimaschutz aus, der durch den Kernenergieausstieg eher behindert als gefördert wird. Die Senkung des Stromverbrauchs ist bisher ebenfalls nicht gelungen. Lässt man in der Berechnung des Zielerreichungsgrades die Begrenzung von 0 Punkten bei den Einzelelementen weg, wird deutlich, dass die Entwicklung des Stromverbrauchs – gemessen an den Zielen – sogar deutlich in die entgegengesetzte Richtung gegangen ist. Tatsächlich würde sich hier ein Zielerreichungsgrad von -198,8 Punkten ergeben. Dieses Ziel wird inzwischen zu Recht als kaum realisierbar infrage gestellt.

  • Ziele der Energiewende: Von fast erreicht bis total verfehlt – Zielerreichungsgrad 100: Ziel erreicht

  • Zielerreichung der Energiewende insgesamt

Summarisch betrachtet bleibt das geteilte Bild von der Energiewende. Fasst man die so berechneten acht Teilindikatoren gleichgewichtet zu einem Gesamtindikator zusammen, kommt man zu einem Gesamtzielerreichungsgrad der Energiewende von 58,4 von 100 Punkten. Würde der Zielerreichungsgrad beim des Stromverbrauch nicht auf null begrenzt, würde die gesamte Zielerreichung nur mit 33,6 Punkten ausgegeben werden.

Dies bedeutet nicht, dass die Energiewende schon mehr als zu halb geschafft wäre. Vielmehr zeigt die Gesamtbewertung an, dass deutliche Erfolge erreicht werden müssen, um wieder auf Kurs zu kommen. Dies gilt weniger für den Ausbau der erneuerbaren Energien, aber umso deutlicher für die Fragen von Wirtschaftlichkeit und Wettbewerbsfähigkeit sowie den Netzausbau. Die größten Risiken einer weiteren Verschlechterung liegen zusätzlich in der Aufrechterhaltung eines hohen Sicherheitsniveaus der Stromversorgung.

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