Umweltschutz durch Kreativität
Gute Umweltpolitik braucht mehr als marktwirtschaftliche Allgemeinplätze. Der US-amerikanische Ökonom Julian L. Simon hat die ökologische Herausforderung stets ernst genommen. Und war dennoch Optimist geblieben. Was wir heute von ihm lernen können.
Ökonomen sehen sich oft mit einem kommunikativen Problem konfrontiert: Nur wenn sie – wie der sprichwörtliche Dr. Doom – eine bedrohliche Zukunft an die Wand malen, finden sie medial statt. Aussagen wie „Die Inflation vernichtet die Lebensersparnisse ganzer Bevölkerungsschichten“, „Zunehmende Staatsverschuldung zerstört die freiheitliche Grundlage der Marktwirtschaft“ oder der moderne Klassiker „Ohne harte Regulierung gegen den Klimawandel steht unsere Lebensgrundlage vor dem baldigen Aus“ kommen gut an. Schwerer hat es die ökonomische Expertise dann, wenn sie zwar den Problemen der Gegenwart ins Auge blickt, zu aktivem Handeln aufruft, dies aber mit Optimismus und Zuversicht tut.
Am 12. Februar wäre ein Ökonom 90 Jahre alt geworden, der sich gegen den Trend der Zukunftspanik gestemmt hat. Der US-amerikanische Ökonom Julian L. Simon (1932–1998) nahm sich in seiner erfolgreichen Karriere vorzugsweise diejenigen Untergangspropheten zur Brust, die den ökonomischen Kollaps aus ökologischen Gründen prognostizierten. Simon nahm ökologische Herausforderungen genauso ernst wie seine Kontrahenten. Doch betonte er, dass die Lösung bedrohlicher ökologischer Szenarien immer vor dem Hintergrund dreier übergreifender Prinzipien anzugehen ist:
- Erstens existieren Zielkonflikte zwischen verschiedenen umweltpolitischen Alternativen.
- Zweitens: An veränderte Umweltbedingungen passen sich Menschen in ihren Entscheidungen an.
- Drittens sind technologische Innovationen der einzige Weg, Umweltproblemen nachhaltig zu begegnen.
Die beste institutionelle Ordnung, um Zielkonflikte zu verhandeln, Anpassungsprozesse zu beschleunigen und technologische Innovation zu fördern, ist das unternehmerische Entdeckungsverfahren in einer Marktwirtschaft. Die zugrunde liegende unerschöpfliche Ressource ist die menschliche Kreativität, wie Simon immer wieder betonte, auch in seinem 1981 erschienenen Hauptwerk „The Ultimate Resource“.
Zielkonflikte, Anpassung, Innovation
Das Simon’sche Argument ist für viele Umweltaktivisten nicht intuitiv. Sie hegen eine legitime Sorge, ignorieren aber seine drei Prinzipien der Umweltpolitik. Sie verweigern sich oft einer Kosten-Nutzen-Rechnung verschiedener Regulierungen und sind der Überzeugung, dass ausschließlich die harte Hand des Staates Umweltprobleme lösen kann, wobei der Staat wundersamerweise bereits alles dafür notwendige Wissen über die Zukunft besitzt. Viele in der Szene glauben, dass sich die Probleme der Gegenwart in die Zukunft fortschreiben lassen und dass Innovationen im besten Fall Probleme lindern. In dieser Logik führt „blindes“ Vertrauen in die Marktwirtschaft in sehr naher Zukunft zum ökologischen Untergang.
„Der Markt regelt nicht. Der Markt hilft, dass Individuen regeln.“
Der nahende Untergang ist eine starke Behauptung, die guter Begründung bedarf. Im Englischen heißt es deshalb: „Put your money where your mouth is“ – wer also mit Prognosen eine dicke Lippe riskiert, den nimmt man am ehesten ernst, wenn er bereit ist, auch etwas Geld darauf zu setzen. Prognosen, deren Scheitern keine Konsequenz hat, kann man – so viel Zuspitzung sei erlaubt – als Dampfplauderei bezeichnen.
„Put your money where your mouth is“
Einen prominenten Dampfplauderer forderte Julian Simon 1980 heraus. Der für seine apokalyptischen Prognosen bekannte Umweltwissenschaftler Paul R. Ehrlich, ebenfalls 1932 geboren, hatte 1968 in seinem Buch „The Population Bomb“ vorhergesagt, dass die Umweltkatastrophen der 1990er-Jahre zu weitreichenden Hungersnöten führen würden. Er ging sogar so weit zu sagen, dass England bis zum Jahr 2000 untergegangen sein würde. Dem englischen Sprichwort folgend, bot Simon Ehrlich eine Wette an. Ehrlich durfte sich fünf Ressourcen frei auswählen, von denen er glaubte, dass sie in Zukunft knapper und damit die Weltwirtschaft vor unlösbare Herausforderungen stellen würden. Egal welche Ressourcen Ehrlich wählte – Simon würde 1000 US-Dollar darauf setzen, dass die Ressourcen zehn Jahre später weniger knapp sein würden. Unternehmerische Innovationen und Anpassungsprozesse auf dem Markt würden Knappheiten abwenden und die an die Wand gemalte Katastrophe verhindern.
Ehrlich nahm die Wette an. Während die Bevölkerung im Wettzeitraum zwischen 1980 und 1990 stärker wuchs als jemals in einer Dekade vorher – 800 Millionen Menschen in zehn Jahren –, sank der Preis jeder einzelnen Ressource im Vergleich zu vor zehn Jahren. Ressourcen waren weniger knapp als zuvor, die Welt war nicht untergegangen, die Menschheit war reicher als je zuvor, die absolute Armut weltweit sank und der pessimistische Paul verlor, während der optimistische Julian 1000 US-Dollar gewann.
Der Markt hilft, dass Individuen regeln
Was bedeutet Simons gewonnene Wette aber für die Gegenwart, gerade für die aktuelle Diskussion über den Klimawandel? Sie heißt nicht, dass wir uns zurücklehnen und darauf vertrauen können, dass die Zukunft allein durch die Steuerung kluger Experten besser wird. Simon blickt stattdessen auf die normalen Menschen und ihre Kreativität: Unzählige Konsumenten, Arbeitnehmer und Unternehmer stellen sich in einer Marktwirtschaft auf Preissignale immer wieder neu ein, sie disponieren um, wenn Ressourcen im Preis steigen – wie aktuell Energieträger – und suchen nach Alternativen für bisherige Prozesse und ihren Ressourcenverbrauch. Der Markt regelt nicht. Der Markt hilft, dass Individuen regeln. Preise in einer Marktwirtschaft sind „Signale, eingepackt in Anreize“. Preisveränderungen – ausgelöst durch Marktprozesse oder durch staatliche Instrumente wie die CO2-Zertifikate – signalisieren, welche Ressourcen knapper werden, und geben den Konsumenten und Unternehmern Anreize, darauf mit Einsparungen und Innovationen zu reagieren. An Simons 90. Geburtstag lernen wir nicht, dass sich Umwelt- und Ressourcenprobleme wie von selbst lösen. Wir lernen, dass es die Marktwirtschaft braucht, um die Umweltprobleme unserer Zeit zu lösen. Menschen sind kreative Wesen, die ein erstaunliches Problemlösungspotenzial besitzen, das von der Markwirtschaft entfesselt wird.
Eine Umweltpolitik im Sinne Simons ist jedoch mehr als marktwirtschaftliche Allgemeinplätze liberaler Ökonomen. Ihr liegt vielmehr das zugrunde, was die Ökonomin Deirdre N. McCloskey das Forschungsprogramm der Humanomics genannt hat: Es sind nicht primär die mit scheinbar überlegener Einsicht beschlagenen Politiker, Bürokraten und Experten, die das Privileg besitzen, die Welt in eine grünere Zukunft zu lenken. Es sind mindestens genauso die häufig unsichtbaren, stets kreativen Menschen in einem marktwirtschaftlichen Kontext, die für sich selbst und – angeleitet durch die Koordinationsfunktion der Marktwirtschaft – auch für ihre Mitmenschen die Welt zu einem besseren, auch grüneren Ort machen. Gewöhnliche Menschen haben in der Geschichte oft Ungewöhnliches vollbracht, so die Wirtschaftshistorikerin McCloskey.
Wenn wir wetten sollten, ob es der Welt in zehn Jahren besser oder schlechter gehen wird: Wir täten gut daran, an Julian Simon und die ultimative Ressource menschlicher Kreativität in der Marktwirtschaft zu denken. Die Probleme sind ernst, Panik war aber selten ein guter wirtschaftspolitischer Ratgeber. Simons humanistisches Vertrauen in die menschliche Problemlösungsfähigkeit bietet Grund genug, mit Selbstbewusstsein auf eine bessere Welt setzen.
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Autor:
Justus Enninga und Prof. Dr. Stefan Kolev Justus Enninga promoviert in politischer Ökonomie am King’s College London und forscht am Economics Department der New York University. Er ist Senior Fellow Research bei Prometheus – Das Freiheitsinstitut. Stefan Kolev ist Professor für Wirtschaftspolitik an der Westsächsischen Hochschule Zwickau und stellvertretender Vorstandsvorsitzender des Wilhelm-Röpke-Instituts Erfurt.