Hohe Strompreise und keine Anzeichen für eine Besserung!

Die Politik stellt immer wieder niedrige Strompreise in Aussicht, wenn die Erneuerbaren einst nur weit genug ausgebaut seien. Doch die aktuell hohen Strompreise könnten die Geduld der Verbraucher überstrapazieren und die Akzeptanz für die Energiewende gefährden. Dies sollte die Politik nicht riskieren. Stattdessen sollte sie die Strompreisbelastung von Haushalten und Unternehmen kurzfristig senken und die Energiewende dadurch voranbringen, dass der Netzausbau und die Netzentgelte künftig aus staatlichen Mitteln finanziert werden, nicht mehr von den Verbrauchern, denn der Netzausbau ist eine gesellschaftliche Aufgabe.

Die Energiekrise ist vorbei, alles ist wieder gut. Diese Erzählung macht aktuell die Runde. Und es soll sogar noch besser kommen: Mit dem beschleunigten Ausbau der erneuerbaren Energien soll Strom billiger werden. Dieses optimistische Szenario wird von der Politik in Aussicht gestellt, um die Akzeptanz für die Energiewende zu sichern. Das Szenario beruht auf der Tatsache, dass die variablen Kosten von mit Windkraft- und Photovoltaikanlagen erzeugtem Strom praktisch null sind und diese Anlagen daher konventionelle Kraftwerke aus dem Markt drängen. Als Resultat sinkt der Strompreis an der Strombörse.

Mit fallenden Strompreisen ist angesichts des Kohleausstiegs nicht zu rechnen

Dieser sogenannte Merit-Order-Effekt tritt jedoch nur dann ein, wenn der Wind ausreichend weht oder die Sonne stark scheint. Ist dies nicht der Fall, was im Winter oft vorkommt, können die Strompreise an der Börse temporär stark steigen. Dieser Fall tritt mit der Abschaltung konventioneller Kraftwerke infolge des Atom- und Kohleausstiegs immer öfter ein: Wenn das Stromangebot sinkt, die Nachfrage nach Strom durch die zunehmende Elektromobilität und eine wachsende Zahl an Wärmepumpen aber steigt, ist nicht mit fallenden Preisen zu rechnen.

Stark steigende Kosten des Stromsystems treiben die Strompreise

Es gibt neben der wohl steigenden Nachfrage nach Strom aber einen weiteren, mindestens ebenso wesentlichen Grund, warum die Strompreise langfristig nicht fallen dürften, selbst wenn die Erneuerbaren bis zum Jahr 2030 tatsächlich so stark ausgebaut werden, dass das Ziel eines Grünstromanteils von 80 Prozent am Bruttostromverbrauch erreicht werden sollte. Der Grund ist, dass das Angebot an grünem Strom äußerst selten mit der Nachfrage nach Strom im Einklang steht.

Dies führt dazu, dass sich in vielen Stunden des Jahres Versorgungslücken ergeben, die durch komplementäre Technologien wie Batteriespeicher und Gaskraftwerke gedeckt werden müssen, künftig womöglich auch durch wasserstoffbetriebene Kraftwerke. Denn der massive Ausbau von Windkraft und Photovoltaik ist regelmäßig nur von beschränktem Nutzen: Des nachts würden selbst die für das Jahr 2030 angestrebten 215 Gigawatt an Photovoltaikkapazitäten — das sind etwa das Dreifache der heutigen PV-Kapazitäten — nicht das Geringste zur Deckung des Strombedarfs beitragen, da des nachts bekanntlich keine Sonne scheint.

Die Investitionen in diese komplementären Technologien und deren Betrieb führen zu sogenannten Systemkosten, die mit dem den Ausbau der Erneuerbaren massiv steigen werden, ebenso wie die Kosten des dafür unerlässlichen Ausbaus der Stromnetze. Diese steigenden Systemkosten werden regelmäßig ignoriert, wenn den Verbrauchern mit dem Hinweis auf die vermeintlich niedrigen Stromgestehungskosten der Erneuerbaren fallende Strompreise in Aussicht gestellt werden. Doch die Gestehungskosten stellen nach einer aktuellen Studie von Grimm, Oechsle und Zöttl (2024) keine belastbare Grundlage für die Einschätzung zukünftiger Stromkosten dar, die Systemkosten dürfen dabei nicht vergessen werden — eine unter Energieexperten hinlänglich bekannte, in der Politik hingegen gerne übersehene Erkenntnis.

Abgesehen davon sind Preise und Kosten zwei verschiedene Dinge, die selten übereinstimmen. Auch Bürgerinnen und Bürger ohne wirtschaftswissenschaftliches Studium wissen dies. Das von der Politik mit dem Hinweis auf vermeintlich sinkende Stromgestehungskosten suggerierte Sinken des künftigen Strompreises ist daher bei der überwältigen Mehrheit der Bevölkerung auf gesunde Skepsis gestoßen, wie die Panel-Erhebungen des RWI – Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung im Rahmen des von der E.ON Stiftung geförderten Projektes „Sozialökologisches Panel – Fortführung und Weiterentwicklung“ regelmäßig zeigen (Eßer, Frondel, Sommer 2023).

Ein forcierter Kohleausstieg bis 2030 würde den Strompreisanstieg forcieren

Wenn nun der Kohleausstieg auch noch forciert und auf das Jahr 2030 vorgezogen würde, ist auf absehbare Zeit erst recht nicht mit sinkenden Strompreisen zu rechnen.

Denn die in der sogenannten Kraftwerksstrategie als Ersatz vorgesehenen neuen Erdgaskraftwerke werden bis 2030 wohl kaum gebaut sein, sodass das Stromangebot weiter sinken würde. Mit der Kraftwerksstrategie gibt es hierzu bislang lediglich einen Plan, aber noch keine gesetzliche Grundlage.

Aber auch der darin vorgesehene Bau von 10 Gigawatt an neuen Erdgaskraftwerken würde die Strompreise wohl kaum verringern, denn die Stromerzeugung mit Erdgas ist wegen höherer Brennstoffkosten teurer als mit Kohle — besonders dann, wenn dafür teures, unter hohem Energieaufwand verflüssigtes Erdgas (LNG) eingesetzt werden muss, das per Tanker importiert wird.

Der Gipfel der Ineffizienz: Mit Wasserstoff betriebene Gaskraftwerke

Noch weitaus teurer wird die Stromproduktion in Gaskraftwerken, wenn einst grüner Wasserstoff statt Erdgas dazu verwendet werden soll, so wie dies die Kraftwerksstrategie ab dem Jahr 2035 vorsieht. Selbst wenn grüner Wasserstoff bis dahin in ausreichenden Mengen zur Verfügung stehen sollte, ist die Stromerzeugung damit mehr als doppelt so teuer als der grüne Strom, der zur Wasserstoffherstellung verwendet wird, denn bei der Umwandlung grünen Stroms in Wasserstoff geht über die Hälfte an Energie verloren. Daher gilt es solche Ineffizienzen möglichst zu vermeiden, indem der grüne Strom unmittelbar verwendet wird, anstatt damit über den Umweg Wasserstoff erneut grünen Strom zu erzeugen. Die Kraftwerksstrategie sieht indessen genau diese Ineffizienz als einen zentralen Baustein der künftigen Stromerzeugung vor.

Steigende Preise für Emissionszertifikate bedeuten steigende Strompreise

Zusätzlich zu den nationalen Ausstiegen aus Kern- und Kohlekraft, die für Deutschland zweifellos hohe Wohlstandsverluste bedeuten, werden die künftigen Strompreise in erheblicher Weise von der europäischen Klimaschutzpolitik bestimmt: Wegen der verschärften EU-Klimaschutzziele dürften tendenziell steigende Preise für Emissionszertifikate im EU-Emissionshandel die Strompreise kaum sinken lassen, denn diese Zertifikate verteuern — klimapolitisch erwünscht — die Stromerzeugung auf Basis fossiler Brennstoffe.

Abgaben und Steuern machen den größten Anteil beim Strompreis privater Haushalte aus

Neben diesen den Strom weiter verteuernden Faktoren sorgen zahlreiche Abgaben und Steuern für hohe Endkundenpreise: Inklusive Netzentgelte machen staatliche Komponenten wie die Stromsteuer über die Hälfte des Preises für private Haushalte aus. Und mit dem für die Energiewende unabdingbaren Netzausbau, dessen Kosten der Netzentwicklungsplan der vier großen Übertragungsnetzbetreiber bis zum Erreichen der Treibhausgasneutralität im Jahr 2045 auf mehr als 450 Mrd. Euro taxiert, werden sich die jüngst stark gestiegenen Netzentgelte weiter erhöhen; bereits heute sind sie die mit Abstand größte staatlich bedingte Komponente des Strompreises (Abbildung).

Es liegt in der Hand der Politik, den Endkundenpreis zu senken

Die Politik hat es somit selbst in der Hand: Möchte sie die Strompreisbelastung von Haushalten und Unternehmen kurzfristig senken und die Energiewende voranbringen, sollten der Netzausbau und die Netzentgelte künftig aus staatlichen Mitteln finanziert werden, nicht mehr von den Verbrauchern, denn der Netzausbau ist eine gesellschaftliche Aufgabe.

Zu diesem Zweck sollten die Einnahmen aus der CO₂-Bepreisung verwendet werden, mit der der Verbrauch fossiler Kraft- und Brennstoffe aus Gründen des Klimaschutzes seit 2021 sukzessive verteuert wird. Wenn die in den Klima- und Transformationsfonds fließenden CO₂-Preis-Einnahmen zur Senkung der Netzentgelte eingesetzt würden, könnte dies die Stromverbraucher entlasten und zugleich den für die Energiewende unabdingbaren Netzausbau finanzieren.

Dies wäre die weitaus bessere Alternative zur Verwendung der CO₂-Preis-Einnahmen als das Klimageld, ein einheitlicher Transfer an alle Bürgerinnen und Bürger, mit dem die Politik vor Jahren versprochen hat, die Lasten aus der CO₂-Bepreisung auszugleichen — ein Versprechen, das bislang nicht eingelöst wurde. Allerdings würde das Klimageld zwar die Bürger entlasten, aber nicht auch noch die Energiewende voranbringen, wie dies mit der Finanzierung der Netzentgelte aus den CO₂-Preiseinnahmen der Fall wäre.

Dieser doppelte Nutzen der Finanzierung der Netzentgelte aus den Mitteln des Klima- und Transformationsfonds und die dadurch möglichen Effizienzgewinne sind der wesentliche Vorteil dieser Art der Verwendung der CO₂-Preis-Einnahmen, wie in einer RWI-Position von Frondel und Schmidt (2024) hervorgehoben wird. Darin wird aus diesem und vielen weiteren Gründen gegen eine Auszahlung des Klimageldes zugunsten der Senkung des Strompreises durch die staatliche Finanzierung der Netzentgelte und anderer Abgaben auf Strom votiert.

Anstatt jedoch so für eine kurzfristige Entlastung der Bürgerinnen und Bürger zu sorgen, begnügt sich die Politik mit dem Versprechen, die Strompreise würden in der Zukunft wieder niedriger werden, wenn die Erneuerbaren einst nur weit genug ausgebaut wären. Dieses vage Vertrösten könnte die Geduld der Verbraucher überstrapazieren und die Akzeptanz für die Energiewende gefährden.

Referenzen

Frondel, M., Schmidt, C. M. (2024) Rückverteilung der Einnahmen aus der CO₂-Bepreisung: Das Versprechen der Politik endlich einlösen, aber nicht in Form des Klimageldes! RWI Position #83.

Grimm, Veronika, Oechsle, Leon, Zöttl, Gregor (2024) Stromgestehungskosten von Erneuerbaren sind kein guter Indikator für zukünftige Stromkosten.

Eßer, J., M. Frondel, S. Sommer (2023) Alternative Finanzierung der erneuerbaren Energien: Experimentelle Evidenz für Deutschland. List Forum für Finanz- und Wirtschaftspolitik 48(1), 77-99.

Autor:

Prof. Dr. Manuel Frondel ist außerplanmäßiger Professor für Energieökonomik und angewandte Ökonometrie an der Ruhr-Universität Bochum und Leiter des Kompetenzbereichs „Umwelt und Ressourcen“ am RWI.

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