Regierungspolitik im Deutschland-Check
Gesetzescheck

Minijobs: "Anpassung ist notwendig"

Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat im Juli die Neuregelung der geringfügigen Beschäftigung beschlossen. Damit steigt die Minijob-Grenze von 400 auf 450 Euro. Die Wissenschaftler des Institus der deutschen Wirtschaft Köln (IW) geben der Gesetzesänderung 3 von 5 Sternen.

24. August 2012

Was ist geplant?

  • Die Regelungen zur geringfügigen Beschäftigung (Mini-Jobs) werden angepasst. Die Grenze des Bruttoentgelts, bis zu der eine Beschäftigung als geringfügig gilt, wird ab dem 1. Januar 2013 von 400 auf 450 Euro monatlich angehoben. Gleichsam steigt die Bruttoentgeltgrenze, bis zu der ermäßigte Arbeitnehmerbeiträge zur Sozialversicherung erhoben werden („Gleitzone“, „Midi-Jobs“), von 800 auf 850 Euro.
  • Für die Umstellung ist eine Übergangsphase vorgesehen. Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte, die bisher zwischen 400 und 450 Euro brutto verdienten, können noch bis Jahresende 2014 die geltende Regelung in Anspruch nehmen. Das Gleiche gilt für Beschäftigte mit einem Bruttoeinkommen zwischen 800 und 850 Euro.
  • Geringfügig Beschäftigte sollen künftig der Rentenversicherungspflicht unterliegen. Sie tragen den Restbetrag zum Pauschalbetrag des Arbeitgebers – rund ein Viertel des gesamten Sozialversicherungsbeitrags – selbst. Eine Befreiung ist künftig auf Antrag möglich („opt-out“). Bisher war die Beschäftigung grundsätzlich versicherungsfrei, die Versicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung aber auf Antrag möglich („opt-in“).
3 Sterne

Beurteilung des IW Köln: Bewertung: 3 von 5 Sternen

  • Die grundsätzliche Entscheidung, einen bestimmten Sektor von Beschäftigungsverhältnissen mit geringem Verdienst von der Sozialversicherungspflicht auszunehmen, ist nachvollziehbar. Nicht für jede Tätigkeit in einem kleinen Rahmen sollte es erforderlich sein, Sozialversicherungsbeiträge zu berechnen und einzuziehen sowie gegebenenfalls Leistungsansprüche zu berechnen und auszuzahlen. 
  • Vor dem Hintergrund dieser grundsätzlichen Einordnung ergibt sich die Notwendigkeit, die Einkommensgrenze der allgemeinen Lohn- und Preisentwicklung anzupassen. Die im Gesetzentwurf vorgesehene Anhebung der Minijob-Grenze von 400 auf 450 Euro ist die erste seit der Minijob-Reform im Jahr 2003 und liegt mit jahresdurchschnittlich 1,3 Prozent im Rahmen der Anhebung der Bezugsgröße, von der sich viele Rechengrößen in den Sozialversicherungen ableiten. Die jahresdurchschnittliche Erhöhung der Löhne im Einzelhandel – einer Branche mit traditionell starkem Einsatz geringfügiger Beschäftigung – lag mit 1,6 Prozent sogar darüber.
  • Als unnötig erscheinen hingegen die Übergangsregeln, die zu einem hohen Vollzugsaufwand bei den Unternehmen führen. So muss ein Betrieb in der Übergangsphase gegebenenfalls zwei Arbeitnehmer mit je 450 Euro Bruttogehalt einmal als geringfügig Beschäftigten führen und einmal als sozialversicherungspflichtig Beschäftigten. Wenn die Beteiligten mehr Zeit zur Umstellung brauchen, könnte alternativ das Inkrafttreten der Neuregelung um ein oder zwei Quartale verschoben werden. Besonders unnötig ist die Übergangsregelung bei den Midi-Job-Beschäftigten, da zwischen alter und neuer Regelung nur wenige quantitative Unterschiede bestehen.
  • Als entbehrlich erscheint auch die verstärkte Einbeziehung der geringfügig Beschäftigten in die gesetzliche Rentenversicherung. Der Sinn eines Segments der geringfügigen Beschäftigung ist es gerade, diese Beschäftigungsverhältnisse von der Bürokratie der Sozialversicherungspflicht auszunehmen – nicht zuletzt weil der dafür erforderliche Aufwand in keinem Verhältnis zum erzielbaren Niveau der sozialen Absicherung steht. Da eine geringfügige Beschäftigung allein zur Existenzsicherung ohnehin nicht ausreicht, muss in jedem Fall Einkommen aus einer weiteren Beschäftigung, Einkommen von Partnern oder aus Transferleistungen gegeben sein, das zur sozialen Sicherung eingesetzt werden kann. Die zu erwartenden Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung sind so gering, dass gegenwärtig nur gut 5 Prozent der im gewerblichen Bereich tätigen Minijob-Beschäftigten die Möglichkeit der freiwilligen Aufstockung wahrnehmen.

Dieser Gesetzescheck ist Bestandteil des Deutschland-Checks, eine monatlich erscheinende Dauerstudie der INSM und der WirtschaftsWoche. Insgesamt besteht der Deutschland-Check aus drei Teilen: Die Entwicklung von Wachstum und Beschäftigung, einer Beurteilung neuer Gesetze und einer Umfrage unter Wirtschaftsexperten, Arbeitnehmern und Arbeitgebern.