Regierungspolitik im Deutschland-Check
Deutschland-Check

"Blue Card ist ein klares Signal"

Am 27. April 2012 verabschiedete der Deutsche Bundestag das „Gesetz zur Umsetzung der Hochqualifizierten-Richtlinie der Europäischen Union“. Damit soll der Zugang hochqualifizierter Ausländer zum Arbeitsmarkt in Deutschland erleichtert werden. Wie bewerten die Wissenschaftler des IW-Köln das neue Gesetz?

18. Mai 2012

Was ist geplant?

Nach langem Zögern hat die Bundesregierung die Bedingungen für die Zuwanderung von Hochqualifizierten aus dem Ausland erneut verbessert, um damit einen Beitrag zur Verbesserung der Fachkräfteversorgung in Deutschland zu leisten. Nachdem es bereits nach dem Gipfel in Meseberg im Jahr 2009 zu einer Verbesserung der Zuwanderungsmöglichkeiten nach Deutschland kam, ist mit der nun erfolgten Umsetzung der EU-Richtlinie vor allem die Zuwanderung von hochqualifizierten Drittstaatsangehörigen verbessert worden. Die wichtigsten Regelungen betreffen die Schaffung eines neuen Aufenthaltstitels „Blaue Karte EU“ für Ausländer aus Nicht-EU-Staaten mit akademischem oder diesem gleichwertigen Qualifikationsniveau, die Absenkung der Einkommensgrenzen für hochqualifizierte Zuwanderer, die Einführung eines Visums für die Arbeitssuche und eine Erleichterung für ausländische Studierende. Im Einzelnen:

Es wird ein neuer befristeter Aufenthaltstitel "Blaue Karte EU" für ausländische Arbeitnehmer mit einer akademischen oder einer vergleichbaren Qualifikation und einem bestimmten Mindestabkommen eingeführt. Inhaber der Blauen Karte erhalten grundsätzlich nach 33 Monaten eine Niederlassungserlaubnis, die unter Umständen schon nach 21 Monaten erteilt werden kann. Auch Familienangehörige von Inhabern eines Aufenthaltstitels erhalten das Recht auf eine unbeschränkte Ausübung einer Erwerbstätigkeit.

Das für den neuen Aufenthaltstitel nachzuweisende Mindestarbeitseinkommen wird von 66.000 auf 44.800 Euro abgesenkt. Die Vorrangprüfung, wonach von Arbeitgebern der Nachweis zu erbringen war, dass für den jeweiligen Arbeitsplatz kein inländischer Arbeitnehmer zur Verfügung steht, entfällt.

Für sogenannte Mangelberufe, die vom Bundesarbeitsministerium als Engpassberufe eingestuft werden (z.B. Ingenieure, IT-Spezialisten, Ärzte), wird die Einkommensgrenze sogar auf 34.900 Euro abgesenkt.

Ausländischen Studierenden an deutschen Hochschulen wird der Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt erleichtert. Die erlaubnisfreie Beschäftigung von Studierenden wird von 90 auf 120 Tage erhöht, die Frist zur Arbeitsplatzsuche wird von zwölf auf 18 Monate mit uneingeschränkter Erwerbstätigkeit in dieser Zeit verlängert.

Zudem wird für arbeitsplatzsuchende Akademiker ein sechsmonatiges Visum ausgestellt, mit dem sie einen Arbeitsplatz in Deutschland suchen können.

Für Absolventen von Berufsausbildungen wird eine einjährige Suchphase mit uneingeschränkter Erwerbstätigkeit in dieser Zeit eingeführt.

Die Anforderungen an Unternehmensgründer zur Erreichung eines Aufenthaltstitels werden abgesenkt. Die Investitionssumme von 250.000 Euro und die Schaffung von fünf Arbeitsplätzen werden als Voraussetzungen gestrichen.

4 Sterne vom IW Köln

Bewertung und Begründung

Mit der Umsetzung der Hochqualifizierten-Richtlinie der EU sendet Deutschland ein klares Signal aus, dass es einen privilegierten Aufenthaltsstatus für jene Ausländer geben soll, die dauerhaft in den Arbeitsmarkt integriert werden können. Mit der Schaffung eines neuen Aufenthaltstitels wird die Öffnung des deutschen Arbeitsmarktes für Hochqualifizierte aus Nicht-EU-Staaten substanziell erleichtert. Die Absenkung der Einkommensgrenzen dürfte insbesondere qualifizierten Personen aus Ländern mit einem niedrigeren Durchschnittseinkommen den Einstieg in den deutschen Arbeitsmarkt erleichtern. Der Wegfall der Vorrangprüfung ist dabei auch für die Unternehmen eine Erleichterung, weil die Auskunftspflicht über die vorhandenen Arbeitsbedingungen entfällt.

Spürbar sind auch die Fortschritte für ausländische Studierende. Durch die Verbesserungen bei der Dauer der Arbeitssuche nach einem erfolgreichen Studienabschluss in Deutschland erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, dass hochqualifizierte junge Menschen aus dem Ausland auch nach dem Studium hier bleiben. Die bisher sehr hohen Rückkehrquoten nach dem Studium von bis zu zwei Dritteln dürften daher spürbar zurückgehen. Damit erhöht sich die Rendite eines Studiums für Deutschland als ausbildendem Land. Deutschland war schon bisher wegen des meist gebührenfreien Studiums besonders beliebt bei Studierenden etwa aus China und aus mittel- und osteuropäischen Staaten. Die neuen Regeln könnten dazu beitragen, dass Deutschland mehr als bisher vom weltweiten Zuwachs der Studierendenzahlen profitiert und die Erträge der Bildungsinvestitionen auch stärker im Land verbleiben können.

Nicht ganz überzeugend bleiben an der neuen Regelungen mindestens drei Punkte: Erstens ist der neue Aufenthaltstitel dem Grundsatz nach weiterhin befristet. Das ist definitiv noch keine Willkommenskultur. Zweitens müssen trotz der Abschaffung der Vorrangprüfung die Arbeitsagenturen bei der für Mangelberufe noch weiter abgesenkten Einkommensgrenze noch immer eine Gleichwertigkeit der von Ausländern mitgebrachten Qualifikation bescheinigen. Allerdings gilt diese als bescheinigt, wenn die Arbeitsagenturen nicht binnen zwei Wochen widersprochen haben. Drittens wird das Augenmerk ausschließlich auf die akademischen Abschlüsse gerichtet. Engpässe am deutschen Arbeitsmarkt gibt es aber derzeit auch im Bereich der beruflich Qualifizierten. Es muss daher früher oder später auch die Frage geklärt werden, ob nicht auch junge Menschen für die Aufnahme einer betrieblichen Berufsausbildung nach Deutschland kommen dürfen.

Eine vertane Chance stellt noch immer die Ablehnung von noch weiter reichenden Überlegungen dar, mittels eines Punktesystems die qualifikationsorientierte Zuwanderung zu fördern, das Zuwanderung unbürokratisch und aus Sicht der Zuwanderungswilligen transparent regelt. Mit diesem können Engpässe bei gefragten Qualifikationen verringert und verstärkt die Zuwanderer gewonnen werden, die aufgrund ihrer persönlichen Qualifikationen gute Voraussetzungen für eine zügige und nachhaltige Integration in Beschäftigung und Gesellschaft mitbringen. Länder wie Kanada oder Australien machen mit Punktesystemen bereits seit vielen Jahren gute Erfahrungen und haben erfolgreich Fachkräfte aus aller Welt angelockt.