Die Menschen
Die Friedensdividende

Georg Wilhelm Adamowitsch

Lesen Sie den Georg Wilhelm Adamowitsch Artikel „Die Friedensdividende“ in „Das Deutschland-Prinzip“.

14. Juli 2015

Dieser Beitrag erscheint im Original im Buch „Das Deutschland-Prinzip“. Im Buch erörtern 175 prominente Gastautoren Ihre Standpunkte darüber, was  Deutschland stark macht.
Lesen Sie hier eine Auswahl der Beiträge.

 

Die Friedensdividende

Die außen- und sicherheitspolitischen Diskussionen in Deutschland der vergangenen zwölf Monate haben ein Höchstmaß an politischer Gemeinsamkeit und Nachhaltigkeit insbesondere bei Bundeskanzlerin und Außenminister gezeigt. Beide haben eindrucksvoll dokumentiert, dass der Grad des persönlichen Engagements und des politischen Willens, zur Deeskalation beizutragen, den Vorstellungen der Menschen in unserem Land entspricht, Schaden von Deutschland und Europa abzuwenden. Gleichwohl sollte nicht der Eindruck entstehen, dass bemerkenswertes persönlich-politisches Engagement darüber hinwegtäuschen könnte, dass es 70 Jahre nach Beendigung des Zweiten Weltkrieges an einem in unserem Land fehlt, nämlich einen gesellschaftlichen Konsens zu finden, dass Freiheit, nach innen wie nach außen, für diese Gesellschaft als etwas Untrennbares zu tun hat mit einem mutigen Bekenntnis zu Sicherheit, Souveränität und Verantwortung. Oder, um es anders deutlicher zu beschreiben: Freiheit ist nicht umsonst, Freiheit muss erarbeitet und Freiheit muss verdient werden.

Es war ein Trugschluss zu glauben, dass die Friedensdividende, ausgelöst durch die deutsche Wiedervereinigung und die Auflösung des Warschauer Paktes, Bestand haben könnte und ein hinreichendes Zukunftsmodell für die nächste Generation sei. Die gesellschaftliche Enttäuschung über das Scheitern einer europäischen und allgemein akzeptierten Friedensordnung ist groß. Der Zwang, sich mit hybriden außen- und sicherheitspolitischen Entwicklungen auseinandersetzen zu müssen, führt die gesellschaftlichen Eliten in Deutschland zu großer Ratlosigkeit.

Es ist noch nicht lange her, dass die Welt sich in Ost und West spaltete und in Nord und Süd sortierte, um am Ende zu der Erkenntnis zu gelangen, dass es weder eine alte noch eine neue Politik gibt, sondern nur eine erfolgreiche, wenn sie vom politischen Willen getragen war, gemeinsame Werte durch- zusetzen und Spannungen abzubauen. Auch wenn in wenigen Jahren die Friedensdividende des ausgehenden 20. Jahrhunderts verbraucht war, darf sich die damit verbundene Ernüchterung nicht in Resignation verlieren.

Im Gegenteil, wo Verantwortung im europäischen und transatlantischen Maßstab verlangt wird, bedarf es einer nachhaltigen Strategie zu mehr erkennbarem Mut für mehr Verantwortung und Souveränität und zu mehr Bereitschaft für mehr Sicherheit nach außen. Nur so lässt sich das Bekenntnis zur Freiheit in nationales, europäisches und weltweites glaubwürdiges Handeln umsetzen. Freiheit und Sicherheit sind untrennbar miteinander verbunden.