Die Menschen
Wir machen nicht ...

Dr. Anton Hofreiter

Lesen Sie den Dr. Anton Hofreiter Artikel „Wir machen nicht einfach weiter“ in „Das Deutschland-Prinzip“.

27. Juli 2015

Dieser Beitrag erscheint im Original im Buch „Das Deutschland-Prinzip“. Im Buch erörtern 175 prominente Gastautoren Ihre Standpunkte darüber, was  Deutschland stark macht.
Lesen Sie hier eine Auswahl der Beiträge.

 

Wir machen nicht einfach weiter

Von der schillernden Fassade aus niedrigen Arbeitslosenzahlen, hoher Exporterlöse und ordentlicher Steuereinnahmen dürfen wir uns nicht blenden lassen. Selbstzufriedenheit ist kein guter Ratgeber, wenn es um die künftigen Herausforderungen geht.

Und Herausforderungen gibt es viele: Nehmen wir den Verbrauch natürlicher Ressourcen, auf dem unser Wirtschaftsmodell trotz aller Erfolge durch die Erneuerbaren Energien und Effizienzgewinnen basiert. Würden alle so wirtschaften wie wir, würden wir unsere Lebensgrundlage noch schneller zerstören. Wir wirtschaften nicht nachhaltig. Das zeigt der earth-overshooting-day, der 2014 auf den 20. August fiel: Das ist der Tag, ab dem wir ökologisch über unsere Verhältnisse leben.

Was nicht nachhaltig ist, kann nicht dauerhaft stark sein. Wir werden unsere Wirtschaftsweise ändern müssen, damit alle Menschen auf diesem Planeten eine gute Zukunft haben. Die Deutschen sind sich dessen bewusst. Neun von zehn machen ihre Lebensweise auch für die Umweltprobleme in anderen Ländern verantwortlich. Und fast drei Viertel sorgen sich darum, ob die Erde für ihre Kinder und Enkelkinder noch lebenswert ist.

Es geht nicht primär um die Quantität unseres ökonomischen Outputs sondern darum, wie wir wirtschaften. Eine Schrumpfungsstrategie ist vielleicht eine theoretische Möglichkeit, die aber praktisch nicht realisierbar ist. Deswegen müssen wir unsere Wirtschaft ökologisch umbauen, damit sie deutlich weniger Ressourcen verbraucht.

Zusätzlich stellt der demografische Wandel unser Wirtschaftsmodell radikal in Frage. Allein um seine negativen Effekte auf das Wachstum auch nur zu bremsen, müssten 500.000 Menschen netto und pro Jahr in den nächsten 20 Jahren einwandern. Das ist etwa die Einwohnerzahl Nürnbergs. Ein unrealistisches Szenario.

Das Gefühl, im ewigen Hamsterrad zu stecken, macht viele Menschen psychisch krank. Andere haben den Eindruck, dauerhaft abgehängt zu sein und auch durch große persönliche Anstrengungen nicht weiter zu kommen. Zentrales Element der Sozialen Marktwirtschaft ist aber ihr Aufstiegsversprechen. Lässt sich das nicht realisieren, wird die Zahl der Kritiker dieses Wirtschaftsmodells weiter steigen. Schon heute finden nur 46 Prozent, dass Deutschland nach den Prinzipien der Sozialen Marktwirtschaft funktioniert.

Wir werden also nicht einfach so weitermachen können wie bisher. Stark wird Deutschland in Zukunft nur sein, wenn es die Herausforderungen meistert, vor denen unser Land steht. Das ist keine Nörgelei, sondern ein realistischer Blick
auf die Dinge. Die Menschen sind bereit und in der Lage, diese Aufgabe anzugehen. Das ist die wahre Stärke Deutschlands.