Regierungspolitik im Deutschland-Check
Deutschland-Check April 2010

EEG, Rentengarantie und Arzneimittelversorgung

Im Deutschland-Check April 2010 von INSM und WiWo bewerten die Wissenschaftler des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) Köln, welche ökonomischen Auswirkungen das „Erneuerbare-Energien-Gesetz“ (EEG), die "Rentengarantie" und die Eckpunkte zur Arzneimittelversorgung haben.

20. April 2010

 Anders als noch im Vormonat konnten im März sowohl der Wachstums- als auch der Arbeitsmarktindex Boden gutmachen. Die Arbeitsmarktentwicklung ist von erstaunlicher Robustheit geprägt: Im März ist die Zahl der Arbeitslosen saisonbereinigt um 0,9 Prozent oder 31.000 Personen gesunken. Erstmals seit Februar 2009 liegt damit die Arbeitslosigkeit saisonbereinigt wieder unter dem Vorjahrsniveau, und zwar um 0,5 Prozent oder absolut um 17.000 Personen. Damit liegt die Arbeitslosigkeit auf dem Niveau vor der Krise. Die Zahl der gemeldeten offenen Stellen hat im März um 1,2 Prozent zugelegt, das entspricht einem absoluten Zuwachs um 6.000 Stellen.

Große Fortschritte erzielt im März erfreulicherweise der Wachstumsindex, der gleich um 6,8 Prozent zulegen konnte. Anders als im Vormonat trugen diesmal alle drei Indikatoren zur Verbesserung bei. Den stärksten Zuwachs verzeichnete der DAX-Performance-Index, der gleich um fast 10 Prozent nach oben kletterte. Aber auch der Ifo-Lage-Index verbesserte sich um beachtliche 5,1 Prozent. Er folgte damit den sich seit Monaten aufhellenden Erwartungen der Unternehmen. Nach Ifo ist diese Klimaverbesserung nicht auf einzelne Branchen beschränkt, sondern hat alle Bereiche erfasst. Auch die Industrieproduktion befindet sich im Aufwärtstrend.

Das „Erneuerbare-Energien-Gesetz“ (EEG)

Zehn Jahre nach der Einführung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) hat das Bundeskabinett deutliche Anpassungen bei der Förderung von Strom aus Photovoltaik beschlossen. Hintergrund ist der zuletzt unerwartet stark angestiegene Ausbau von Anlagen zur Erzeugung von Solarstrom und damit verbundenen eine starke Ausweitung der EEG-Fördermittel, die von den Stromkunden zu zahlen sind. Zum 1. Juli 2010 wird der Vergütungssatz für Strom aus Photovoltaik-Dachanlagen zusätzlich zur regulären Degression einmalig um 16 Prozent gesenkt.

Bei den Kosten der EEG-Förderung hat die Solarenergie einen hohen Anteil, bei der erzeugten Strommenge jedoch nicht. Deshalb ist es im Urteil des IW Köln vernünftig, an dieser Kostenentwicklung anzusetzen. Die Neufassung des EEG sieht eine deutliche außerplanmäßige Absenkung der Fördersätze vor. Damit wird der Druck erhöht, Kostensenkungen zu erzielen. Die engere Verknüpfung der zukünftigen Fördersätze mit dem Erreichen des Ausbauziels ist zudem geeignet einen unplanmäßigen übermäßigen Anstieg der Fördervolumina zumindest zu dämpfen. Dieses Ansinnen wird aber dadurch konterkariert, dass das Ausbauziel gleichzeitig auf 3.500 Megawatt installierte Leistung mehr als verdoppelt wird. Damit kommt es erst spät zu einer zusätzlichen Degression der Vergütungssätze. Zudem wird die Zusatzförderung des Eigenverbrauchs deutlich angehoben. Damit wird ein Schlupfloch für zusätzliche Kostensteigerungen nicht geschlossen, sondern noch weiter vergrößert.

Die "Rentengarantie"

Zum ersten Mal greift die von der schwarz-roten Bundesregierung im Frühsommer 2009 verabschiedete Rentengarantie. Davon profitieren rund 16,3 Millionen Ruheständler in Westdeutschland, an die zuletzt jeden Monat etwa 19,8 Einzelrenten gezahlt wurden. Ohne Rentengarantie hätte der Zahlbetrag nach der derzeitigen Anpassungsformel ab dem 1. Juli um 0,96 Prozent gekürzt werden müssen. Auf ein ganzes Jahr gerechnet kostet das die Rentenkasse etwa 1,7 Milliarden Euro.

Zwar tritt der Gesetzgeber mit dem Verordnungsentwurf zur Rentenanpassung 2010 nicht unmittelbar auf den Plan. Schwarz-Gelb bestätigt aber mit der Durchführung noch einmal die im Frühjahr 2009 vor der Bundestagswahl von Schwarz-Rot verabschiedete Rentengarantie. Die belastet nun nicht nur die Rentenkasse, mit ihr wird auch ein ordnungspolitischer Bruch vollzogen. Die zusätzliche Belastung von 1,7 Milliarden Euro sattelt auf den bereits bestehenden „Altschulden“ auf: Die unterlassenen Rentenminderungen, die 2005, 2006 und auch in diesem Jahr aufgrund des Nachhaltigkeitsfaktors fällig geworden wären, belaufen sich bereits auf insgesamt 6,1 Milliarden Euro. Zählt man das Aussetzen der letzten Stufe der „Riester-Treppe“ hinzu, weil im Jahr 2008 den Ruheständlern eine außerordentliche Rentenerhöhung zugestanden worden ist, dann wächst der Berg um weitere 2,9 Milliarden Euro. Insgesamt müssen damit in den nächsten Jahren 10,7 Milliarden Euro an bislang ausgelassenen Minderungen nachgeholt werden. Umgekehrt bedeutet das für die Beitragszahler, dass ohne diesen Brocken der Beitragssatz um etwa 1,2 Prozentpunkte niedriger liegen könnte.

Die Eckpunkte zur Arzneimittelversorgung

Für alle am Markt befindlichen patentgeschützten Arzneimittel steigt der Rabatt von derzeit sechs auf 16 Prozent. Verbunden wird dieser Schritt mit einem Preisstopp. Bis Ende 2013 werden die Preise auf das Preisniveau vom 1. August 2009 festgeschrieben. Für neue patentgeschützte Arzneimittel sollen die Pharmaunternehmen zukünftig bei Markteinführung auf eigene Kosten ein Dossier über die Kosten und den medizinischen Zusatznutzen des neuen Arzneimittels vorlegen. Innerhalb von drei Monaten veranlasst der Gemeinsame Bundesausschuss eine Nutzenbewertung des neuen Präparats. Wenn es keinen Zusatznutzen verspricht, wird das neue Arzneimittel in das bereits existierende Festbetragssystem (Höchstpreise) überführt. Wenn ein Zusatznutzen dagegen erkennbar ist, verhandeln grundsätzlich Hersteller und der Spitzenverband Bund der Krankenkassen über einen Rabatt auf den Listenpreis. Die erhoffte Ausgabeneinsparung der Gesetzlichen Krankenversicherung bei den Arzneimittelausgaben soll bis zu 2 Milliarden Euro jährlich betragen. Die Neuregelung wird für Sommer 2010 angepeilt.

In der Bewertung des IW Köln führt der Verhandlungsansatz zu mehr Transparenz, zur angemessenen Berücksichtigung der Interessen beider Marktseiten (Krankenkassen und Pharmaunternehmen), mehr Preiswettbewerb und damit zu einer Verbesserung des Preis-Leistungs-Verhältnisses von neuen Medikamenten. Der Zwangsrabatt und der Preisstopp, den das Gesundheitsministerium einführen will, um die Krankenkassen kurzfristig zu entlasten, sind hingegen ordnungspolitisch fragwürdig. Das Paket löst das Ausgabenproblem der gesetzlichen Krankenversicherung nicht. Die Arzneimittelausgaben machten 2009 nur 18 Prozent des Gesamtetats der gesetzlichen Krankenversicherung aus.

Das Einfrieren der Preise für drei Jahre und die Erhöhung des Zwangsrabatts von 6 auf 16 Prozent zu Lasten der Pharmaunternehmen satteln auf ein bereits bestehendes, undurchdringliches Geflecht staatlicher Steuerungsinstrumente auf. Im Ergebnis sind die Auswirkungen einzelner Steuerungselemente auf die Preisbildung und damit auf die Ausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung nicht mehr nachvollziehbar, geschweige denn zu kontrollieren. Der Arzneimittelmarkt ist heute bereits überreguliert.