Steuern senken – jetzt
Soli: Von wegen abgeschafft

30 Jahre nach der Einheit ist der Soli obsolet – doch wir zahlen weiter

Der Soli wurde zur Finanzierung der Einheit Deutschlands eingeführt – und sollte schon mehrfach abgeschafft werden. Doch 30 Jahre nach der Wiedervereinigung ist er immer noch da. Nach Meinung führender Verfassungsrechtler dürfte der Soli seit dem 1. Januar 2020 – zumindest in der jetzigen Form – nicht mehr erhoben werden. Gegen diesen Missstand geht die INSM unter anderem mit öffentlichkeitswirksamen Anzeigen vor.

4. Januar 2020

Gastbeitrag Prof. Papier: "Der Soli kann gehen"

Die Versprechen über die Abschaffung des Soli ziehen sich in die Länge wie die Nase des Pinocchio: Dieses Anzeigenmotiv schalten wir aktuell in diversen großen Tageszeitungen.

Alles hat ein Ende nur der Soli nicht.

Dabei gilt: Da die Ergänzungsabgabe an einen Zweck gebunden ist, ist sie de facto zeitlich begrenzt. Der Grund für die Einführung des Soli war der zusätzliche Finanzbedarf des Bundes im Nachgang der Wiedervereinigung. In diesem Zusammenhang wurden erst der so genannte Solidarpakt I, dann der Nachfolger Solidarpakt II auf den Weg gebracht: Von 1995 bis 2019 flossen damit 245 Milliarden Euro in den „Aufbau Ost“.

Der Solidarpakt II ist Ende 2019 ausgelaufen. Die Politik hat ihn nicht verlängert oder neu aufgelegt. Damit gilt die Sondersituation der nötigen Aufbauhilfe als beendet. Wo kein Zweck mehr ist, kann auch keine Ergänzungszulage mehr sein: Als diese wurde der Soli eingeführt und hätte folglich in der Logik seiner Daseinsberechtigung auch zum 1. Januar 2020 abgeschafft werden müssenunmittelbar, vollständig und für alle. Die Politik jedoch lässt den Soli im gesamten Jahr 2020 einfach weiterlaufen (geschätzte Einnahmen knapp 20 Milliarden Euro).

Ab 2021 wird der Soli nach Angaben des Bundesfinanzministeriums für 90 Prozent der Lohn- und Einkommensteuerpflichtigen abgeschafft. Der Rest – rund 10 Prozent der Lohn- und Einkommensteuerpflichtigen, darunter viele Unternehmer und Unternehmen - bezahlen den Soli weiter. Hinzukommen zum Beispiel Ruheständler, die ihren Lebensunterhalt mit Einnahmen aus Dividenden und Zinsen bestreiten und auch über 2021 hinaus unverändert Soli auf die Kapitalertragsteuer zahlen. Und für Körperschaftsteuer zahlende Unternehmen bleibt der Soli ebenso erhalten wie für jene Zahler von Einkommensteuer, deren zu versteuerndes Jahreseinkommen über 73.000 Euro (für Singles) liegt. Der Finanzminister schätzt die Mindereinnahmen durch die teilweise Soli-Abschaffung in 2021 auf 9,8 Milliarden Euro, etwas weniger als die Hälfte des geschätzten Soli-Steueraufkommen im Jahr 2020. 

Der Soli – ein Kandidat für das Verfassungsgericht

Der ehemalige Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Prof. Dr. Hans-Jürgen Papier, kommt zu dem Schluss: Das Gesetz zum Solidaritätszuschlag ist mit dem Ende des Solidarpakts II verfassungsrechtlich nicht mehr zu rechtfertigen.

Seit dem 1. Januar 2020 ist das Gesetz also nach Expertenmeinung nicht mehr mit dem Grundgesetz vereinbar. Selbst eine schrittweise Abschmelzung des Solis, wenn sie denn für 2020 beschlossen wäre (was sie nicht ist), hätte nach Ansicht von Papier nicht ausgereicht, um eine verfassungskonforme Situation zu erreichen.

Die Voraussetzungen für die Erhebung des Solidaritätszuschlags sind seit dem 1. Januar 2020 also entfallen. Der Gesetzgeber hätte den Eintritt in den verfassungswidrigen Zustand verhindern und das Gesetz mit Wirkung zum 1. Januar 2020 aufheben müssen.

Auch nach Einschätzung des Heidelberger Verfassungsrechtlers Prof. Dr. Hanno Kube ist der nun eingeschlagene Weg der Regierung in Form einer teilweisen Abschaffung des Soli in keiner Weise zu rechtfertigen. Eine selektive Beibehaltung des Solidaritätszuschlags zulasten eines Teils der Steuerzahler sei mit Blick auf den Finanzierungszweck dieser Ergänzungsabgabe nicht zu legitimieren. Wird politisch mehr Umverteilung gewünscht, müsse – transparent und im Belastungsverlauf schlüssig - der Einkommensteuertarif angepasst werden.

Die unendliche Geschichte des Soli

Der Solidaritätszuschlag wird auch seit dem 1. Januar 2020 unverändert in Höhe von 5,5 Prozent auf die persönliche Steuerschuld aus der Einkommen- bzw. Körperschaftsteuer erhoben. Ausgenommen sind nur Geringverdiener, die unter einer Freigrenze von 972 Euro Steuerschuld pro Jahr liegen.

Der Soli wurde erstmals erhoben von Juli 1991 bis Juni 1992 – damals sogar in Höhe von 7,5 Prozent auf die Einkommen- bzw. Körperschaftssteuer. Dieser Solidaritätszuschlag wurde nicht verlängert und lief nach der einjährigen Erhebung aus. Damals wurden neben „Mehrbelastungen für zusätzliche, früher nicht absehbare Aufgaben in den Neuen Bundesländern“ auch Kosten für den „Konflikt am Golf“ als Grund für den Soli genannt.

1995 wurde der Soli erneut eingeführt – in der Zeit von 1995 bis 1997 wieder in Höhe von 7,5 Prozent der geschuldeten Einkommen- oder Körperschaftsteuer. Seit 1998 beträgt der Zuschlag – bis heute – 5,5 Prozent.

1995 spülte das Gesetz dem Bund 13 Milliarden Euro in die Kasse. Seit 2010 steigt das Aufkommen kontinuierlich. 2016 betrug es knapp 17 Milliarden Euro, 2018 schon knapp 19 Milliarden Euro. Für 2019 rechnete die Bundesregierung mit Einnahmen aus dem Solidaritätszuschlag von rund 19,4 Milliarden Euro, für 2020 erwartet sie rund 20 Milliarden Euro. Der Zuschlag auf die Körperschaftssteuer machte in der Vergangenheit rund 10 Prozent des Gesamtaufkommens aus.

Die Politik will den Soli schon länger abschaffen… oder???

Den Soli nur so lange zu erheben, wie er gebraucht wird, das war das zentrale Versprechen seit der Einführung. Doch 30 Jahre nach der Wiedervereinigung wird der Soli Monat um Monat vom Gehalt oder Lohn direkt abgezogen – ein Blick auf die eigene Abrechnung genügt, um sich die Fakten schwarz auf weiß vor Augen zu führen.

Dabei war in keinem politischen Lager je die Rede davon, dass der Soli eine Dauer-Abgabe werden soll. Das Bundesfinanzministerium stellte 1995 auf eine sogenannte Große Anfrage der SPD klar: „Der Solidaritätszuschlag ist ein Zuschlag auf Zeit.“ In einem Antrag der SPD-Bundestagsfraktion vom Februar 1996 hieß es: „Der Solidaritätszuschlag ist in dem Maße schrittweise zurückzuführen, wie der Aufbau Ost vorankommt.“

Und der Einheitskanzler Helmut Kohl (CDU) versprach seinerzeit: „Der Solidaritätszuschlag ist bis Ende 1999 endgültig weg.“ Kohl verlor 1998 die Wahl gegen den SPD-Herausforderer Gerhard Schröder. Kohl ging, der Soli blieb. Viele Jahre sind seitdem ins Land gezogen. Den Soli gibt es immer noch.

Auf ihrem Parteitag im Herbst 2018 beschloss die CDU, den Solidaritätszuschlag bis Ende 2021 vollständig abschaffen zu wollen. Und im Sommer 2019 sagte der Fraktionsvorsitzende der CDU/CSU im Bundestag, Ralph Brinkhaus: „Wir halten weiter an dem Ziel fest, den Soli abzuschaffen“. Was aber bringt ein Ziel, wenn man es nie erreicht?

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