Rechtsgutachten: Selektive Soli-Abschaffung problematisch
Die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) fordert, den Solidaritätszuschlag nach 2019 nicht weiter zu erheben und ihn für alle vollständig abzuschaffen. Hubertus Pellengahr, Geschäftsführer der INSM: „Die Bürgerinnen und Bürger haben eine Steuersenkung verdient. 30 Jahre nach der Wiedervereinigung gibt es für Soli 2020 keine Berechtigung mehr. Da ihn von Anfang an alle zahlen mussten, ist es nur gerecht und richtig, ihn dann auch für alle abzuschaffen.“
Prof. Dr. Hanno Kube, Inhaber des Lehrstuhls für Öffentliches Recht unter besonderer Berücksichtigung des Finanz- und Steuerrechts der Universität Heidelberg, stellt in einem Gutachten für die INSM fest:
„Im System der bundesstaatlichen Finanzordnung rechtfertigen sich maßvolle Ergänzungsabgaben durch einen besonderen, konkreten Finanzbedarf des Bundes. Je länger eine Ergänzungsabgabe erhoben wird und je bedeutsamer ihr Aufkommen ist, desto genauer ist das Fortbestehen dieses Rechtfertigungsgrundes zu prüfen. Besondere Aussagekraft kommt dabei der Folgerichtigkeit der gesetzgeberischen Gesamtkonzeption zu.
Danach besteht kein Zweifel, dass der Glücksfall der deutschen Wiedervereinigung den Solidaritätszuschlag rechtfertigte. Für die Zeit nach 2019 muss er aber gestrichen werden. Der zu diesem Zeitpunkt in Kraft tretende, neu gestaltete bundesstaatliche Finanzausgleich verzichtet zu Recht auf die bisherige, mit dem Föderalen Konsolidierungsprogramm im Jahr 1993 geschaffene Differenzierung nach Ost und West. Der Bundesgesetzgeber geht vielmehr selbst von der finanzverfassungsrechtlichen Normallage aus; alle finanzschwachen Bundesländer erhalten nunmehr die grundsätzlich gleiche Unterstützung, sei es in Ost oder West. In diesem Rahmen erschiene eine Forterhebung des Solidaritätszuschlags nicht mehr folgerichtig.
In der Sache hat sich der rechtfertigende Grund des Solidaritätszuschlags allerdings graduell verflüchtigt. Dies erlaubt eine Abschmelzung des Solidaritätszuschlags über einen Zeitraum von einigen, wenigen Jahren – auch zur Abdämpfung der entstehenden Haushaltswirkungen (qualifizierter Fiskalzweck).
Nicht zu begründen ist dagegen eine partielle, auch zeitlich begrenzte Forterhebung allein zulasten Einkommensstärkerer. Ist in der Sache eine deutlichere soziale Staffelung der allgemeinen Ertragsbesteuerung bezweckt, gebieten es die demokratisch und rechtsstaatlich begründeten Grundsätze der Belastungsklarheit und der Vermeidung willkürlicher Belastungssprünge, dieses Anliegen durch eine Anpassung des allgemeinen Ertragssteuerrechts, insbesondere des Einkommensteuertarifs, umzusetzen.“