Aspekt 6: Klimaschutz
Umweltverträglichkeit ist ein Ziel der Energiepolitik. Der CO2-Ausstoß hat sich leider bisher nicht wie gewünscht reduziert, was auch am hohen Stromverbrauch im Zuge von Wachstumsprozessen liegt. Bislang müssen dafür vor allem fossile Energieträger genutzt werden.
Vom Ziel gedacht
Im Zentrum der Energiewende steht das energiepolitische Bekenntnis zum Ausbau erneuerbarer Energien. Dieses Ziel soll sich gemäß dem Leitbild der Nachhaltigkeit ausgewogen an drei übergeordneten Zielen der deutschen Energiepolitik orientieren: Versorgungssicherheit, Wirtschaftlichkeit und Umweltverträglichkeit.
Auf der einen Seite wurde mit erneuerbaren und damit heimischen Energieträgern die Hoffnung verbunden, langfristig Importabhängigkeiten in Bezug auf fossile Energieträger zu reduzieren (für die Stromerzeugung insbesondere Steinkohle und Gas). Außerdem unterliegen sie weniger Preisrisiken auf dem Weltmarkt, als sie für konventionelle Energieträger aufgrund einer weiter steigenden Nachfrage erwartet werden. Diese eher an Versorgungssicherheit und Wirtschaftlichkeit orientierten Aspekte sind in den letzten Jahren zunehmend in den Hintergrund getreten. Stattdessen standen bei der Förderung erneuerbarer Energien zuletzt vor allem klimapolitische Beweggründe und damit Aspekte der Umweltverträglichkeit im Vordergrund.
Eine höhere Konzentration der sogenannten Treibhausgase hält mehr Wärmeenergie in der Atmosphäre zurück und führt auf diese Weise langfristig zu einer Erwärmung des globalen Klimas. Selbst unter der Annahme eines optimistischen Emissionsszenarios simulieren die vom International Panel on Climate Change (IPCC) verwendeten Klimamodelle bereits Temperaturanstiege jenseits der 2 °C, die für viele Fachleute als Grenze der beherrschbaren Folgeschäden gilt. Temperaturanstiege markieren Veränderungen im Klimasystem, an die sich eine Vielzahl ökologischer, ökonomischer und sozialer Folgewirkungen anschließen. Der Auftrag der Klimapolitik ist es folglich, einen gefährlichen Klimawandel zu verhindern. Dazu will die Bundesregierung auf nationaler Ebene die Treibhausgasemissionen bis 2020 um 40 Prozent und bis 2050 um mindestens 80 Prozent gegenüber 1990 reduzieren.
Bei der Erreichung der Klimaschutzziele spielen die Energieversorgung und -verwendung eine Schlüsselrolle. Treibhausgasemissionen, die bei der Verbrennung fossiler Energieträger zur Energiegewinnung entstehen, machen rund 82 Prozent aller Treibhausgasemissionen aus, wovon der Anteil der Energiewirtschaft (öffentliche Strom- und Wärmeerzeugung, Raffinerien, Herstellung von Festbrennstoffen) 46 Prozent beträgt. Aber auch Energieerzeugungsanlagen (Wärme oder Strom) in Industrie und Haushalten kommen zusammen auf rund etwa 28 Prozent. Für eine klimagerechte Stromerzeugung wird auf erneuerbare Energien gesetzt. Strom aus Sonne oder Wind ist, anders als Strom aus fossilen Energieträgern wie Kohle oder Gas, weitgehend frei vom klimaschädigenden Treibhausgas CO2. Auch die Kernenergie, aus der zuletzt 17,6 Prozent des deutschen Stroms erzeugt wurde, gilt als CO2-arm. Sie ist jedoch aufgrund des Schadensausmaßes, das bei unvorhergesehenen Störungen im Betriebsablauf der Kraftwerke, aber auch bei der Lagerung der Brennstoffreste, auftreten kann, in Deutschland keine gesellschaftlich zustimmungsfähige Alternative mehr zu fossilen Energieträgern.
Zielerreichung: INSM-Energiewende-Radar
Im Energiekonzept wird explizit keine Aufteilung der Minderungsleistungen auf unterschiedlichen Sektoren vorgenommen. Es wird daher eine gleichmäßige Verteilung der 40-prozentigen Reduktion auf alle Sektoren, das heißt auch für die Energieerzeugung angenommen. Auch bezüglich der verschiedenen Energieumwandlungsprozesse (z. B. Wärme- oder Stromerzeugung) eine identische Minderungsleistung angelegt. Die Umstrukturierung der Elektrizitätswirtschaft hin zu einer regenerativen und kernenergiefreien Versorgungsstruktur steht im Zentrum der Energiewende. Daher werden zur Überprüfung der Klimaschutzziele innerhalb der Energiewende die energiebedingten CO2-Emissionen in der Stromerzeugung betrachtet.
Im Jahr 1990 wurden bei der Stromerzeugung insgesamt 357 Millionen Tonnen Kohlendioxid (CO2) ausgestoßen. Mit dem Ziel einer 40-prozentigen Reduktion dürften es bis 2020 nur noch 214 Millionen Tonnen sein. Gegenüber dem Jahr 2000, das den Beginn der Energiewende kennzeichnet, entspricht das einer Reduktion von 32,9 Prozent. Ausgehend von einer linearen Zielerreichung müsste im Jahr 2010 bereits eine Reduktion von 16,4 Prozent gegenüber 2000 erreicht worden sein. Wird dieser Wert erreicht, gilt das Klimaschutzziel im Rahmen der Energiewende als erreicht und es werden 100 Punkte vergeben. Wird das Ziel unterschritten, wird die prozentuale Unterschreitung dem Zielerreichungsgrad negativ zugerechnet. Eine 60-prozentige Unterschreitung bedeutet 40 Punkte der Zielerreichung. Im Jahr 2011 wurde nur 4,7 Prozent weniger CO2 emittiert als im Jahr 2000. Das angestrebte Ziel wird damit um 74 Prozent unterschritten. Es ergeben sich 26 von 100 Punkten der Zielerreichung.
Erfolge und Herausforderungen
Die CO2-Emissionen der Stromerzeugung sinken nicht in dem erforderlichen Ausmaß. Die Hauptursache dafür liegt darin, dass der Stromverbrauch anders als der Primärenergieverbrauch bisher nicht stark genug von wirtschaftlichen Wachstumsprozessen entkoppelt werden kann. Zur Verdeutlichung des Wachstumseffektes kann das Jahr 2009 herangezogen werden, das infolge des wirtschaftlichen Einbruchs von einem besonders niedrigen Energieverbrauch gekennzeichnet war: Nach der verwendeten Methode hätte sich hier ein Zielerreichungsgrad von über 50 Punkten ergeben. Gleichzeitig ist die Stromerzeugung nach wie vor zum Großteil von fossilen und damit emissionsintensiven Energieträgern geprägt. Der Anteil erneuerbarer Energien an der tatsächlichen Stromerzeugung nimmt hingegen nur langsam zu und kann daher den Mengeneffekt bisher nicht überkompensieren.
Zusätzlich fordert der nun beschlossene Atomausstieg das Ziel einer klimaverträglichen Stromerzeugung weiter heraus. Die CO2-Emissionen, die bei der Erzeugung 1 Kilowattstunde Strom freigesetzt wurden, sind in den vergangenen zwei Jahren mit dem sinkenden Anteil der Kernenergie im Stromerzeugungsmix gestiegen. Da erneuerbare Energien kurzfristig die grundlastfähigen Kernkraftwerke nicht vollständig ersetzen können, ist davon auszugehen, dass zukünftig verstärkt fossil betriebene Kraftwerke genutzt werden müssen. Damit dürfte sich auch der Emissionsfaktor im deutschen Strommix weiter erhöhen und Mengeneffekte des Verbrauchs sogar verstärken. Im Jahr 2007, als mehrere Kernkraftwerke aufgrund von Störfällen oder Wartungsarbeiten außer Betrieb standen, war ein solcher Effekt bereits beobachtbar.
Bezogen auf die Treibhausgasemissionen insgesamt fällt die deutsche Klimaschutzbilanz positiver aus als im Bereich der Stromerzeugung. Gegenüber 1990 sind die deutschen Treibhausgasemissionen um rund 25 Prozent zurückgegangen. Damit erfüllt Deutschland seine Verpflichtungen der internationalen Klimapolitik, jedoch müsste zur Erreichung des für 2020 angestrebten Emissionsziels auch hier die Reduktionsgeschwindigkeit beschleunigt werden. In den Jahren der Energiewende (2000 bis 2010) ist jedoch eine langsamere Reduktionsdynamik als in den Jahren zuvor zu beobachten. Konnten die Treibhausgase in den Jahren 1990 bis 2000 noch um fast 17 Prozent reduziert werden konnten, waren es in den Jahren zwischen 2000 und 2010 nur noch gut 10 Prozent.
Das liegt zum einen daran, dass der emissionssenkende Effekt des strukturellen Wandels nach der deutschen Wiedervereinigung in der ersten Phase stark durchschlägt, und andererseits daran, dass die wirtschaftlichsten Energieeffizienz- und CO2-Sparpotenziale vielfach bereits gehoben sind, insbesondere dort, wo sie beispielsweise durch den europäischen Emissionshandel ausgiebig politisch adressiert worden sind.
Die größte Herausforderung aber ist: Nationale Anstrengungen reichen nicht aus, um die vom IPCC angeratenen Reduktionspfade zu erreichen. Deutschland vereint nicht einmal 3 Prozent der weltweiten energiebedingten CO2-Emissionen auf sich und auch die EU trägt nur etwa 12 Prozent dazu bei. Perspektivisch wird außerdem der Anteil aufstrebender Volkswirtschaften an den globalen Treibhausgasemissionen deutlich zulegen.
Die wichtigsten politischen Entwicklungen
Für einen erfolgreichen Klimaschutz ist es zentral, von der nationalen Perspektive zu einer internationalen Klimaschutzstrategie zu gelangen. Darum ging es zuletzt auf dem vom Bundesumweltminister einberufenen Petersberger Klimadialog. Zuvor wurde in Bonn außerdem offiziell die Klimakonferenz in Katar Ende des Jahres vorverhandelt.
Die Vielzahl der Zusammenkünfte hat bisher nichts daran geändert, dass ein globales Klimaschutzabkommen für die Zeit nach 2012 nicht zustande kommen wird. Es fehlen die größten Treibhausgas-Emittenten USA, China und Indien und auch Russland, Japan und Kanada gehören nicht mehr zu der Gruppe der Klimaschutz-Willigen. Um den internationalen Verhandlungsprozess nicht abbrechen zu lassen, soll das Kyoto-Protokoll zwar auf unbestimmte Zeit verlängert und bis 2015 ein neues Abkommen erarbeitet werden, das 2020 in Kraft treten kann. Derzeit würde die Gruppe der Kyoto-Nachfolger allerdings nur noch rund 15 Prozent der weltweiten CO2-Emissionen auf sich vereinen. Von deutscher Seite wird versucht, den Stillstand der internationalen Klimapolitik durch unilaterale Klimaschutzziele zu überwinden. Dies geht zunehmend zulasten der Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands, ohne dass damit eine wesentliche Klimaentlastung einhergeht oder etwa die gewünschte Vorbildfunktion erreicht werden konnte.
Vor diesem Hintergrund sind auch die aktuellen Pläne der EU-Kommission, die Zertifikatsmenge im europäischen Emissionshandel weiter zu verknappen, kritisch zu sehen. Ziel dieses Eingriffs ist eine politisch gewollte Preissteigerung für CO2-Zertifikate, um die Klimaschutzanstrengungen in den entsprechenden Sektoren, allen voran der Energiewirtschaft und der Industrie, aufrecht zu erhalten. Damit wird abermals die Planungssicherheit in der Klima- und Energiepolitik gefährdet und obendrein ein Instrument, das auf „Mengensteuerung“ statt auf „Preissteuerung“ setzt, ad absurdum geführt. Die angestrebte Emissionsreduktion im Emissionshandel wird durch die zuvor festgesetzte Obergrenze an Zertifikaten ohnehin erreicht. Eine Befragung des Umweltexpertenpanels des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln zeigt überdies: Über 75 Prozent der Unternehmen wollen ihre Klimaschutzanstrengungen ungeachtet der aktuell niedrigen Preise für Zertifikate beibehalten, also weder verringern noch verschieben.
Fazit und weiterer Handlungsbedarf
Für die Zukunft der deutschen Klimapolitik muss vor allen Dingen die internationale Durchschlagskraft der nationalen Ansätze gestärkt werden. Dazu gilt es, Vorreiterrollen neu zu überdenken, denn einzig und allein immer ambitioniertere Ziele reichen als Vorbild nicht aus. Auch für eine effektive Klimapolitik muss die Energiewende ökonomisch tragfähig bleiben. Denn nur wenn eine umweltverträgliche Energieversorgung sicher und bezahlbar ist, ist sie als Modell exportierbar.
Für eine stärkere internationale Hebelwirkung deutscher Klimapolitik müssen auch verstärkt wieder die internationalen Handelsbedingungen (Beseitigung von Handelshemmnissen, Innovationsschutz) in den Blick genommen werden. Solche Instrumente spielen eine wesentliche Rolle, wenn es darum geht, die Diffusion sauberer Technologien und damit den Klimaschutz in Schwellen- und Entwicklungsländern zu fördern.
Nicht zuletzt muss das Zielsystem der Klima- und Energiepolitik überschaubar und kohärent gestaltet sein. Die existierende Vielfalt der klima- und energiepolitischen Instrumente mit ihren Wechselwirkungen (zum Beispiel EEG und Emissionshandel) provoziert Fehlsteuerungen und Mehrfachbelastungen.