Zwischenruf aus der Praxis: Staatliches Energiemanagementsystem
Der Staat regelt alles – das gilt erst recht beim Thema Strom. Mit zertifizierten Energiemanagementsystemen werden Unternehmen staatlich vorgeschrieben, auf wie und wo Strom gespart werden sollte. Das kann nicht gut gehen. Ein Bericht aus der Praxis.
Energie sparen ist wichtig, auch für Unternehmen. Wer würde dieser Aussage widersprechen? Niemand, sollte man annehmen. Ist doch der sparsame Umgang mit Ressourcen eine völlig normale Aufgabe des Unternehmens, um Kosten zu sparen. Doch wie soll das Energie-Sparen praktiziert werden? Unser Staat hat da eine klare Meinung. Er möchte den Unternehmen vorschreiben, wie sie das tun. Um in den Genuss des so genannten Spitzenausgleichs zu kommen, müssen die Unternehmen ein Energiemanagementsystem aufbauen.
Erinnern wir uns. 1999 wurde die Stromsteuer eingeführt und mit Wirkung ab 2013 geändert. Die Einnahmen aus der Stromsteuer verwendet der Staat zu 90 Prozent für die Senkung der Beiträge zur gesetzlichen Rente. Unternehmen, die dabei schlecht abschneiden – weil sie relativ viel Energie verbrauchen und wenige Mitarbeiter haben, also viel Stromsteuer zahlen und wenig von der Senkung der Rentenbeiträge profitieren –, können durch den Spitzenausgleich entlastet werden, aber nur dann wenn sie ein Energiemanagementsystem einführen und sich von akkreditierten Auditoren zertifizieren lassen.
Das Energiemanagement ist genau geregelt. Denn es ist durch eine internationale Norm definiert, die ISO 50001. Darin wird detailliert vorgeschrieben, wie das Unternehmen Energie sparen muss. Es wird geregelt, wie die strategischen und operativen Ziele zu definieren sind, wie die Maßnahmenpläne zu gestalten sind und ebenso die Planung, die Umsetzung und das Betreiben des Systems, das Überwachen und Messen von Anlagen. Die Dokumentationspflichten sind erheblich. Wer die Zertifizierung in der Praxis erlebt, empfindet sie als ziemlich formalistisch und bürokratisch. Es wird mehr gefragt „Werden Maßnahmen definiert?“ als „Wie sinnvoll sind die Maßnahmen, die definiert werden?“. Nun, gewiss ist auch etliches Sinnvolles dabei, das will ich nicht abstreiten. Es gibt aber viele Ungewissheiten. Wie soll man ein Energie-Einsparungsziel für das nächste Jahr objektiv definieren? Was heißt -1,5 Prozent? Bei dem einen Unternehmen wächst der Umsatz, beim anderen sinkt er. Wenn ein Unternehmen mehrere, unterschiedlich energieintensive Produkte fertigt, wie berücksichtigt man dann im Wert für das Gesamtunternehmen die veränderten Anteile der Produkte am Umsatz? Fragen über Fragen. Wer mit dem Thema nicht vertraut ist – und das sind viele –, kann übrigens Berater engagieren, die sich in der Auditierung auskennen, eventuell weil sie selber Auditoren sind.
Die Auditoren und das Zertifizierungsaudit kosten einiges an Geld, auch erheblicher interner Aufwand fällt an: für Energiemanagement-Beauftragte, interne Audits, Schulungen, Freistellungen und anderes mehr. Ein mittleres Unternehmen ist da schnell bei 20.000 bis 30.000 Euro Gesamtkosten im Jahr. Zwar gibt es für kleine Unternehmen ein vereinfachtes Verfahren, doch die volkswirtschaftlichen Kosten des Energiemanagementsystems liegen gewiss bei mehreren zehn Millionen Millionen.
Mittlerweile ist ein zertifiziertes Energiemanagementsystem auch für die Entlastung bei der EEG-Umlage Voraussetzung. Das Bedenkliche am Energiemanagement ist, dass der Staat den Unternehmen unter Androhung, den Spitzenausgleich zu verpassen, vorschreibt, wie sie ihre Arbeit zu machen haben und dass sie sich zertifizieren lassen müssen. Mag sein, dass Politiker sich gut in der Öffentlichkeit präsentieren können, wenn sie verkünden: „Ich habe diese und jene Maßnahme zum Energiesparen durchgesetzt.“ Aber letztlich ist das ein unnötiger Eingriff in die Autonomie der Unternehmen. Mit dem gleichen Recht könnte sich der Staat in das Sparen bei anderen Unternehmensressourcen einmischen und ein entsprechendes Managementsystem plus Auditierung vorschreiben.
Fazit: Jedes Unternehmen wird sich im eigenen Interesse um die effiziente Nutzung der Energie bemühen und braucht nicht den Staat als Nachhilfelehrer. Wenn das Unternehmen externes Know-how braucht, kann es Berater anheuern. Ein Unternehmen, das seine Hausaufgaben nicht macht, wird im Rahmen unserer Marktwirtschaft sanktioniert, nämlich vom Wettbewerb. Und dabei sollte es bleiben.
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Autor:

Dr. Henning Wagner kommentiert Wirtschaftsthemen aus seiner jahrelangen Erfahrung im internationalen Automotivegeschäft. Zuletzt in der Position als kaufmännischer Geschäftsführer, befasst er sich mit Strategie, Finanzen, Einkauf, Personal und Logistik.