Zinsbesteuerung: Staat verschärft "Kalte Enteignung" der Sparer
Die öffentlichen Haushalte in Deutschland sind die Profiteure des historisch niedrigen Zinsniveaus. Trotz Rekordverschuldung von über zwei Billionen Euro sind die Ausgaben für den Schuldendienst massiv gesunken. Zuletzt haben Investoren bei kurzlaufenden Schuldtiteln sogar dafür gezahlt, um ihr Geld im sicheren Hafen des Bundes anlegen zu können.
Im Gegensatz zum Staat gehören die privaten Sparer nicht zu den Gewinnern der Niedrigzinspolitik der EZB. Bei einem Leitzzins von 0,75 % sind die die Renditen derart niedrig, dass sie in der Regel nicht einmal die Geldentwertung von 2 % ausgleichen können. Bereits zum zweiten Jahr in Folge sind die Sparer daher mit negativen Realzinsen konfrontiert, so dass es schon vor Steuern zu Substanzverlusten kommt. Dennoch sind Zinseinnahmen, die über den Sparer-Pauschbetrag von 801 Euro im Jahr hinausgehen, in voller nominaler Höhe steuerpflichtig. Außerdem können Werbungskosten, die 801 Euro übersteigen, nicht mehr geltend gemacht werden. Diese Zinsbesteuerung führt zu einem beschleunigten Vermögensverzehr. Das heißt: Der Staat verschärft noch die „Kalte Enteignung“ der Sparer, die aufgrund von Nominalzinsen unterhalb der Inflationsrate ohnehin stattfindet. Das ist ein eklatanter Verstoß gegen eine gerechte Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit.
Diese ungerechte Substanzbesteuerung könnte wirksam verhindert werden, wenn nicht mehr die Nominalzinsen, sondern nur noch die Realzinsen belastet werden. Dieser Systemwechsel ist jedoch anspruchsvoll und aufwändig, weil für jede Anlage im Portfolio die Realrendite zu ermitteln wäre. Um die privaten Sparer kurzfristig zu entlasten bieten sich drei Maßnahmen an:
1. Die Werbungskosten bei Kapitaleinkünften sollten wieder in tatsächlicher Höhe geltend gemacht werden können.
2. Der Sparer-Pauschbetrag ist wieder durch einen klassischen Sparer-Freibetrag und eine Werbungskosten-Pauschbetrag zu ersetzen.
3. Weil Sparer-Freibetrag und Werbungskosten-Pauschbetrag seit längerer Zeit nicht mehr an die Geldentwertung angepasst wurden, sind diese von zuletzt 801 Euro auf insgesamt 1.050 Euro zu erhöhen. Kapitalerträge bis zu diesem Betrag wären künftig steuerfrei.
Autor:
Jens Lemmer ist Referent für Steuerpolitik und Steuerrecht am Deutschen Steuerzahlerinstitut des Bundes der Steuerzahler.