Wird Frankreich zum Brandherd?
Frankreich steht vor großen wirtschaftspolitischen Herausforderungen. Wenn es der Regierung nicht gelingt das Land grundlegend zu reformieren, könnte Frankreich zum größten Brandherd der Eurozone zu werden. Auch Deutschland muss daraus Lehren ziehen.
Trotz einem Wachstumsplus von 0,5 Prozent im abgelaufenen Quartal entwickelt sich Frankreich für die Eurozone zunehmend zum Brandherd. Schwache Wirtschaft und wenig Reformbereitschaft: So beschrieb Mario Draghi noch Ende Juni die Situation unseres Nachbarstaates. Ebenfalls negativ ist der Ausblick der Ratingagentur Standard & Poor’s. Das gute Quartalswachstum darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass Frankreich große Probleme hat.
Die Gründe dafür hat das Centrum für Europäische Politik (CEP) in einer Länderanalyse beleuchtet. Ein aufgeblähter Staatsapparat mit hohen Defiziten und hohen Steuern, ein verkrusteter Arbeitsmarkt, und dadurch bedingt eine schwindende Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft.
Frankreich weist mit 46,7 Prozent des BIP die zweithöchste Steuerbelastung der Eurozone auf. Die Staatsausgabenquote ist mit über 56 Prozent sogar die höchste im Währungsraum. Zwischen 2000 und 2009 fielen pro Jahr 102 Arbeitstage pro 1000 Arbeitnehmer wegen Arbeitskämpfen aus. Zum Vergleich: In Deutschland waren es im gleichen Zeitraum gerade einmal fünf.
Frankreich braucht Reformen, um wieder auf die Beine zu kommen. Defizite müssen abgebaut werden, Staatsausgaben verringert und der Arbeitsmarkt flexibilisiert werden. Um die Wettbewerbsfähigkeit zu erhöhen, müssen die Lohnnebenkosten gesenkt werden. Ein Reformprogramm ist notwendig, das im Kern der deutschen Agenda 2010 ähnelt.
Seit je her ist Frankreich ein Land, in dem man eher auf Staats- als auf Marktwirtschaft setzt. Das ging bisher gut, weil das Land in der Vergangenheit die schwindende Wettbewerbsfähigkeit durch eine Abwertung des Franc wettmachte. Seit der Euroeinführung ist dieser Weg freilich verbaut.
Die Situation der Franzosen sollte uns auch hierzulande eine Lehre sein: Eine unfreie, staatsgelenkte Wirtschaft ist nicht leistungsfähig. Dennoch reden wir heute auch in Deutschland über Mindestlöhne, Steuererhöhungen und Vermögenssteuern. Die Zahl kommunaler Unternehmen hat sich zwischen den Jahren 2000 und 2010 um 22 Prozent erhöht, gleichzeitig stellen sich die kommunalen Finanzen immer problematischer dar. Die politische Bereitschaft für weitere marktwirtschaftliche Reformen ist hingegen gering.
Wettbewerb, Eigenverantwortung und ein schlanker Staat: Das sind die Säulen der wirtschaftlichen Stärke Deutschlands. Darauf sollten wir weiter bauen, in Deutschland und in Europa.
Autor:
Prof. Dr. Andreas Freytag ist Professor für Wirtschaftspolitik an der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Er ist zudem als Honoraprofessor an der Universität Stellenbosch und am Institute for international Trade der Universität Adelaide tätig. Neben den Fragen zur deutschen und europäischen Wirtschaftspolitik interessieren ihn außenwirtschaftliche und entwicklungspolitische Themen.