Will Herr Monti die Transferunion? Oder doch lieber die Stagflationsunion?
Sollten Banken direkten Zugang zu den ESM Mitteln erhalten? Italiens Premier, Mario Monti hat diese Forderung letzte Woche so formuliert. Auch Frankreich ist davon nicht abgeneigt. Doch freier Zugang zum Gemeinschaftsgeld hat Nebenwirkungen. Am Ende droht der Gang in die Transferunion oder die Monetarisierung der Staatsschulden.
In einer Videobotschaft fordert der italienische Premier die deutsche Regierung auf, der Rekapitalisierung von Banken mittels ESM zuzustimmen. Eigentlich waren die Mittel des ESM nur zur Rettung von Staaten vorgesehen. Monti fordert nun aber, die ESM-Mittel sollten für die Rekapitalisierung von Banken eingesetzt werden. Es geht also wieder einmal um die Frage, retten wir Staaten oder retten wir Banken?
In normalen Zeiten ist die ordnungspolitische Antwort eindeutig: Weder noch! Doch die Zeiten sind nicht normal. Es droht der Zusammenbruch des gesamten Finanzsystems. Stabilisierende Eingriffe zur Wahrung des Systems sind dann ordnungspolitisch Aufgabe des Staates. Die Herausforderung ist es, den Schaden so gering wie möglich zu halten.
Die Forderung Montis kommt nicht zufällig zu der Zeit, in der Renditen für italienische Anleihen wieder steigen. Würde nichts dagegen getan, würde der Reformeifer in den betroffenen Ländern erlahmen, so Montis Begründung. Tatsächlich ist der Zusammenhang wohl genau umgekehrt. Offenbar haben zu niedrige Renditen auf Staatsanleihen die Schuldenkrise mitverursacht. Heißt also: Nur hohe Renditenaufschläge können die Ausgabenwut der Staaten in Schranken weisen. Es wäre ein Fehler, diesen Mechanismus erneut zu untergraben. Außerdem reichen sämtliche Mittel der europäischen Rettungsschirme nicht aus, um Spanien, Italien und Portugal zu retten.
Daher wäre das kleinere Übel, Staaten den Weg in die Pleite nicht zu verbauen. In der Folge müssen Banken zwar Kapital abschreiben, wodurch einige selbst in Schwierigkeiten geraten könnten. Doch die systemrelevanten kann man dann immer noch mit Steuergeldern retten, wenn der Staat im Ausgleich dafür Anteilseigner wird. So hauen zwar erneut die Steuerzahler die Banken raus, werden im Gegenzug aber auch Eigentümer. Unter Gesichtspunkten der Verteilungsgerechtigkeit ist diese Lösung vorzuziehen.
Nun sollen laut Herrn Monti die Gelder zur Bankenrekapitalisierung aus dem ESM kommen. Mit dem Geld sollen die Banken dann Anleihen von Italien und Co. erwerben, um so die Renditen für Staatsanleihen zu senken. So können Staaten im Prinzip ohne Gegenleistung, über den Umweg der Banken, auf Geld aus dem ESM hoffen. Sie müssen nur auf steigende Renditen verweisen. Dies führt, anders als Monti behauptet, aber nicht zu mehr Reformeifer, sondern zu weniger, denn die sanktionierende Wirkung hoher Zinsen entfällt. Wenn also die ESM-Mittel zur Bankenrekapitalisierung eingesetzt werden sollen, dann nur zur Abfederung von evtl. Schuldenschnitten. Sonst haben die unsoliden Staaten bedingungslosen Zugang zum großen Topf, der ständig neu gefüllt werden müsste. Der Weg in die Transferunion wäre begangen. Alternativ müsste die EZB einspringen. Über kurz oder lang hielte sie dann wohl sämtliche europäischen Staatsschulden. Natürlich hielte sie sich an das Monetisierungsverbot und gibt den Banken das Geld, die es für Staatsanleihen ausgeben, die dann bei der EZB als Sicherheiten hinterlegt werden. Das wäre wohl das Ende jeglichen Reformeifers und der Weg in die Stagflation!
Autor:
Prof. Dr. Andreas Freytag ist Professor für Wirtschaftspolitik an der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Er ist zudem als Honoraprofessor an der Universität Stellenbosch und am Institute for international Trade der Universität Adelaide tätig. Neben den Fragen zur deutschen und europäischen Wirtschaftspolitik interessieren ihn außenwirtschaftliche und entwicklungspolitische Themen.