Wie lässt sich Vertrauen in die Marktwirtschaft zurückgewinnen, Prof. Dr. Joachim Weimann?
Weltweit entwickeln sich die Lebensbedingungen in Marktwirtschaften besser als in anderen Systemen. Dennoch schwindet in der Öffentlichkeit das Vertrauen in die Marktwirtschaft. Prof. Dr. Joachim Weimann gibt im Video-Interview Antworten darauf, wie sich Vertrauen in die Marktwirtschaft zurückgewinnen lässt.
Dieses Interview wurde im Rahmen der Econwatch-Veranstaltung „Wie sich Vertrauen in die Marktwirtschaft zurückgewinnen lässt“ mit Prof. Dr. Joachim Weimann (Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg) am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung Berlin geführt. Den Policy Brief zur Veranstaltung finden Sie hier. Im Folgenden lesen Sie das Transkript des Videos.
Prof. Dr. Weimann: Wir haben eine lange Phase der Prosperität hinter uns. Deutschland geht es wirtschaftlich enorm gut, wir haben steigende Einkommen, wir haben, entgegen manchen Behauptungen, keine steigende Ungleichheit. Die Sozialkassen sind gefüllt. Wir haben ein ausdifferenziertes, sehr gut ausgebautes soziales Sicherungssystem. Im internationalen Vergleich sind wir an der Stelle ganz weit vorne. Eigentlich sollten alle zufrieden sein und wenn man die Menschen fragt „Wie fühlen Sie sich, wie geht es Ihnen, wo sehen Sie sich in der Gesellschaft?“, dann bildet sich das da auch ab. Das heißt, wenn man diese Antworten aggregiert, ein Bild daraus baut, dann sieht man: Es geht den Leuten besser und sie empfinden das auch so. Das ist die eine Sicht. Aber die Gesamtsicht, die hat jeder Einzele ja nicht in sich. Er kennt ja nicht die Gesellschaft als Ganzes, sondern dieses Bild wird ihm vermittelt. Das wird ihm vermittelt von Medien, das wird ihm vermittelt aber auch von der Politik. Und ich sehe in beiden Bereichen keine Akteure, die die Verdienste der sozialen Marktwirtschaft besonders hervorheben und drauf hinweisen, dass wir all das der sozialen Marktwirtschaft zu verdanken haben, sondern ich sehe da Akteure, die das genaue Gegenteil tun. Und das hat Gründe, über die wir vielleicht noch an anderer Stelle reden sollten, aber die dazu führen, dass wir ein völlig verzerrtes Bild der Wirklichkeit erhalten.
Warum wird die Marktwirtschaft häufig kritisiert?
Prof. Dr. Weimann: Die wichtigen Elemente, konstituierenden Elemente, der Marktwirtschaft sind Wettbewerb und das Gewinnstreben von Unternehmen. Beides ist in der Kritik. Wettbewerb wird nicht als das wahrgenommen, was es in allererster Linie ist, nämlich ein Instrument zur Begrenzung von Macht und das Gewinnstreben von Unternehmen wird interpretiert als purer Egoismus, als Ellenbogengesellschaft, als auch wiederum Entsolidarisierung. Beide Wahrnehmungen sind falsch, denn, wie gesagt, Wettbewerb hat eine enorm wichtige Funktion. Da, wo Wettbewerb fehlt, entsteht Macht, die auch missbraucht wird. Das beobachten wir überall. Das kann man im politischen Bereich beobachten, aber auch im ökonomischen Bereich. Monopole sind da genauso zu nennen wie staatliche Willkür. Und das Gewinnstreben von Unternehmen gehört dazu. Unternehmen müssen nach Gewinnen streben, im Wettbewerb, weil sie nur dann die Ressourcen effizient einsetzen, die sie einsetzen. Und das ist genau ihre Aufgabe. Sie sollen dafür sorgen, dass sie uns mit Gütern und Dienstleistungen versorgen, bei einem effizienten Ressourceneinsatz. Dazu müssen sie nach Gewinn streben, anders geht es nicht. Und das sich das bewährt hat, dass ist offensichtlich. Es ist ein funktionierendes System, das uns allen Wohlstand und Sicherheit gebracht hat. Also Kritik daran, diese grundlegende Kritik, ist völlig überzogen und falsch.
Warum sind Unternehmen bisweilen selbst nicht an Wettbewerb interessiert?
Prof. Dr. Weimann: Die Wirtschaft, also die Unternehmen haben kein originäres Interesse an Wettbewerb. Wenn Sie sich im Wettbewerb befinden, dann ist das gar nicht nett. Sie müssen sich nämlich gegen den unliebsamen Wettbewerber durchsetzen und müssen sich immer anstrengen. Sie müssen dafür sorgen, dass Sie Ihre Ressourcen sinnvoll und vernünftig einsetzen, das macht Mühe. All das wäre viel schöner ohne den Wettbewerber. Man würde auch viel höhere Gewinne machen, man könnte die Konsumenten ausbeuten und so weiter. Das wäre viel schöner. Also die einzelnen Unternehmen haben kein Interesse an Wettbewerb, daher haben sie auch kein Interesse an der grundlegenden, konstituierenden Institution einer Marktwirtschaft. Von daher darf man sich nicht wundern, dass sie gegenüber der Politik jetzt nicht noch mehr Wettbewerb fordern. Das wäre zu viel verlangt. Diese Forderung muss vonseiten der Öffentlichkeit kommen, die muss vonseiten der Wissenschaft kommen, indem sie auf die positiven Seiten und die Unverzichtbarkeit von Wettbewerb hinweist. Das passiert zu wenig.
Warum tut sich Politik mit marktwirtschaftlichen Reformen schwer?
Prof. Dr. Weimann: Menschen mögen es nicht, wenn sie die Welt nicht verstehen. Und die Welt, in der wir leben, die wird immer komplexer und ist immer schwerer zu verstehen. Und deswegen neigen Menschen dazu, einfache Antorten zu suchen, die ihnen eine komplizierte Welt simpel erklären. Das sind leider nicht die Antworten, die die Marktwirtschaft liefert. Die Marktwirtschaft funktioniert nicht nach, sagen wir, einfachen „Wenn-dann“-Bedingungen, sondern da sind Prozesse im Gang, die man nicht so einfach durchschaut. Beispielsweise wie Wettbewerb wirkt, welche Funktion eigentlich Preise haben. Eine Miete ist ein Preis und ein Lohn ist ein Preis. Dass es eben nicht nur Miete und Lohn ist, sondern auch ein Preis – das zu verstehen ist sehr schwierig. Dagegen ist es sehr einfach zu verstehen, dass wenn die Mieten gedeckelt werden, sie dann nicht mehr steigen können – das ist doch gut. Oder wenn ich CO2 einsparen will, dann baue ich eben Windkraftanlagen. Die machen kein CO2 – das ist doch gut. Die Wahrheit ist damit natürlich nicht ausgesprochen, sondern in Wahrheit sind das Maßnahmen, die die Dinge am Ende schlechter machen. Aber das zu erkennen ist relativ kompliziert und diejenigen, die einfache Antworten liefern, werden auch lieber genommen und lieber geglaubt.
Was kann die Wissenschaft beitragen, um das Vertrauen in die Marktwirtschaft zu stärken?
Prof. Dr. Weimann: Partikularinteressen benutzen einfache Geschichten, sogenannte Narrative, um ihre Interessen durchzusetzen. Also Geschichten zu erzählen, an deren Ende immer rauskommt, dass man das und das tun muss, was gerade diesen Interessensuchenden nützt. Es ist Aufgabe der Wissenschaft Narrative zu untersuchen, daraufhin ob sie sich mit den Daten und Fakten decken, die wir vorfinden. Dabei muss sie sich rein evidenzorientiert verhalten, das heißt die Wissenschaft muss sich strikt an den Daten und Fakten orientieren. An überprüfbaren Dingen. Wenn sie das tut, dann kann sie gute und schlechte Narrative entlarven. Und indem sie das tut, wird sie auch viel für das Vertrauen in die Marktwirtschaft tun. Denn die Erfahrung und die Empirie zeigen: Das marktwirtschaftliche System der Bundesrepublik, die soziale Marktwirtschaft, hat in der Vergangenheit extrem gut funktioniert. Das lässt sich an Daten und Fakten wunderbar zeigen.
Joachim Weimann ist Professor für Volkswirtschaftslehre an der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg. Weimanns Forschungsschwerpunkte sind Umweltökonomik, Wirtschaftspolitik, Glücksforschung, Verhaltensökonomik und experimentelle Wirtschaftsforschung.
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Autor:
INSM Redaktion Hier schreibt die Redaktion der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft.