Wie kann bezahlbarer Wohnraum geschaffen werden, Michael Voigtländer?
Steigende Mieten und Immobilienpreise in den Ballungszentren lassen die Rufe an die Politik immer lauter werden, Abhilfe zu schaffen. Was aber hilft? Was ist kontraproduktiv? Der Immobilienökonom Prof. Dr. Michael Voigtländer vom Institut der deutschen Wirtschaft zeigt Lösungswege auf.
Dieses Interview wurde vor der Econwatch-Veranstaltung „Wohnungspolitik sinnvoll gestalten“ aufgenommen. Econwatch ist eine unabhängige, überparteiliche und gemeinnützige Organisation, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, verständlich und wissenschaftlich fundiert über Wirtschaftspolitik zu informieren und Reformmöglichkeiten aufzuzeigen. Das Paper zur Veranstaltung finden Sie hier.
Im Folgenden lesen Sie das Transkript des Videointerviews.
Wie kann bezahlbarer Wohnraum geschaffen werden?
Prof. Dr. Michael Voigtländer: Das größte Problem für die Menschen ist ja tatsächlich, dass sie keinen Wohnraum finden. Und wenn sie Wohnraum finden, ist er eben entsprechend teuer. Und das liegt vor allen Dingen daran, dass wir zu wenig bauen. Und beim Bauen wiederum hängt es nicht so sehr an den Investoren, die fehlen, sondern es hängt daran, dass sie wenig Bauland haben.
Ganz entscheidend ist, dass wir den Wohnungsbau voranbringen. Dazu müssen wir tatsächlich mehr Bauland ausweisen. Wir müssen groß denken für unsere Städte. Berlin beispielsweise wird bis auf vier Millionen Menschen anwachsen. Das heißt, es kommt noch eine Großstadt hinzu. Dann müssen wir auch eine Großstadt bauen, neue Stadtviertel zum Beispiel entwickeln. Wir müssen aber auch zum Beispiel in die Verkehrsinfrastruktur investieren. Das heißt, wir müssen eine bessere Verzahnung zwischen Berlin, dem Umland und anderen Großstädten schaffen, damit es eben auch Wohnstandortalternativen gibt. Denn die Menschen ziehen durchaus dort hin, von wo sie auch schnell in die Großstädte pendeln können. Das Dritte ist, dass wir eben gezielt den sozial Schwachen helfen müssen. Das heißt, denjenigen, die zum Beispiel von der Lohnentwicklung abgekoppelt sind. Da bietet sich zum Beispiel das Wohngeld an als direkte Transferzahlung. Da ist es wichtig, dass dieses Wohngeld tatsächlich auch dynamisiert wird, das heißt, regelmäßig an die Mietenentwicklung angepasst wird. Wenn wir diese drei Maßnahmen umsetzen können, dann können wir auf Dauer den Wohnungsmarkt auch wieder entspannen.
Was sind die wesentlichen Ursachen für den starken Preisanstieg im Immobilienmarkt?
Prof. Dr. Michael Voigtländer: Die Mieten und Immobilienpreise in Deutschland sind insgesamt stark gestiegen, vor allen Dingen seit 2010. Das liegt vor allen Dingen an der starken Zuwanderung, die wir seitdem haben. Und wir sehen vor allen Dingen, dass in den Großstädten die Mieten und auch die Immobilienpreise stark angezogen haben. Davor – in den 2000er-Jahren – hatten wir eigentlich eine relativ ruhige Entwicklung im Immobilienmarkt. Da haben teilweise auch die Mieten stagniert in den Großstädten und auch die Preise haben sich eher moderat entwickelt. Wir sehen bei den Immobilienpreisen heute tatsächlich eine stärkere Konzentration auf die Großstädte, weil dort einfach auch mehr Menschen hinziehen. Wir haben bei den ländlichen Regionen durchaus einige Regionen, die auch prosperieren, auch starke Immobilienpreisentwicklungen haben, aber es gibt eben auch einige Regionen, wo wir nach wie vor eher mit Leerstand als mit hohen Mieten zu kämpfen haben.
Wie versucht die Politik, Wohnungen bezahlbar zu machen?
Prof. Dr. Michael Voigtländer: Das größte Problem für die Menschen ist ja tatsächlich, dass sie keinen Wohnraum finden. Wenn sie Wohnraum finden, ist er entsprechend teuer. Das liegt vor allem daran, dass wir zu wenig bauen. Und beim Bauen wiederum hängt es nicht so sehr an den Investoren, die fehlen, sondern es hängt daran, dass sie wenig Bauland haben. Und danach müssen wir eben schauen, wie funktionieren nun diese Maßnahmen. Die Mietpreisbremse etwa versucht, die Mietenentwicklung zu kappen. Das ist ein sehr starker Eingriff in den Marktmechanismus, führt im Zweifelsfall dazu, dass noch mehr Menschen in den Großstädten suchen und die Vermieter im Zweifelsfall lieber an Selbstnutzer verkaufen, die eben noch eine hohe Nachfrage und hohe Zahlungsbereitschaft haben, als weiter zu vermieten. Und das Baukindergeld etwa das führt dazu, dass wir die Immobiliennachfrage noch weiter treiben und damit die Preise im Endeffekt noch stärker steigen, gerade die Grundstückspreise und wir auch noch, dadurch dass es ja ein Enddatum gibt – 2020 – jetzt noch mal die Nachfrage sehr stark fokussieren. Beides funktioniert nicht, sondern wir müssten eher den Städten mehr Geld geben, damit sie Infrastruktur bauen können und damit sie auch tatsächlich mehr Bauland ausweisen können.
In Berlin engagiert sich eine Bürgerinitiative dafür Immobilienfirmen zu enteignen. Eine gute Idee?
Prof. Dr. Michael Voigtländer: Die Enteignungsdebatte hier in Berlin sehe ich aus mehreren Gründen sehr problematisch. Erst mal muss man sich fragen: Was bringt es eigentlich für die Mieter und wem kommt es zugute? Wir wissen: Kommunale Wohnungsgesellschaften erhöhen die Mieten seltener und weniger stark. Aber wir müssen dann natürlich sehen, das kostet natürlich auch die Gesellschaft etwas. Und wenn wir jetzt sehen, wer in diesen Beständen wohnt, das sind so 55 Prozent Mieter mit überdurchschnittlichem Einkommen, die gar keine Hilfe brauchen. Das andere ist natürlich, das ist ein sehr starker Eingriff wiederum in den Markt und ein sehr starker Vertrauensverlust in die privaten Investoren. Wenn ich als Investor nicht mehr sicher sein kann, dass ich die Erträge tatsächlich realisiere mit meiner Investition, dann werde ich alle Investitionen infrage stellen. Wir brauchen diese Investoren hier in Berlin, damit tatsächlich mehr Wohnungsbau kommt und damit mehr Wohnraum insgesamt geschaffen wird und wir wollen auch die Arbeitsplätze haben. Von daher kann das ein sehr fatales Signal sein und die Wirtschaft auf Dauer, und damit auch den Wohlstand auf Dauer, schädigen.
Prof. Dr. Michael Voigtländer ist Head of the Research Unit Financial and Real Estate Markets am Institut der deutschen Wirtschaft (IW). Seit 2011 ist er Honorarprofessor für Volkswirtschaftslehre an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg. Außerdem ist er Dozent für Immobilienökonomie an der EBS Universität für Wirtschaft und Recht, der IREBS, der Bergischen Universität Wuppertal sowie der Akademie deutscher Genossenschaften. Einen Überblick über seine aktuellen Aktivitäten und Veranstaltungen finden Sie hier.
Keinen Ökonomen-Blog-Post mehr verpassen? Folgen Sie uns auf Facebook, Instagram und Twitter, und abonnieren Sie unseren WhatsApp-Nachrichtenkanal, RSS-Feed oder einen unserer Newsletter.
Autor:
INSM Redaktion Hier schreibt die Redaktion der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft.