Wie gerecht ist Deutschland?

Wie gerecht ist Deutschland? Der INSM-Gerechtigkeitsmonitor des Instituts der deutschen Wirtschaft hat die Gerechtigkeit in Deutschland unter die Lupe genommen.

Menschen wollen, dass es gerecht zugeht. Fragen rund um das Thema Gerechtigkeit sind so alt wie die Menschheit selbst. Philosophen wie Platon oder Aristoteles, wie Kant oder Rawls beschäftigen sich seit jeher mit verschiedenen Gerechtigkeitstheorien. Juristisch ist die Sache eindeutig: Gesetze bestimmen was gerecht und ungerecht ist. Doch moderne Gesellschaften streben auch nach sozialer Gerechtigkeit. Doch hier fängt oft der Streit an. Ist der Mindestlohn gerecht oder nicht? Arbeit muss sich lohnen sagen die Befürworter. Die Gegner finden ihn ungerecht, weil er Menschen vom Arbeitsmarkt ausschließt und er im unteren Lohnniveau einem Arbeitsverbot gleichkommt. Soziale Gerechtigkeit ist eben ein normatives Konzept wie immer bei normativen Auseinandersetzungen, kann es keine Einigung geben, wenn das Wertegerüst sich unterscheidet.

Wie lässt sich also Gerechtigkeit messen? In unserem Gerechtigkeitsmonitor tragen wir den unterschiedlichen Gerechtigkeitskonzepten Rechnung. Wir unterscheiden zwischen 6 unterschiedlichen Prinzipien:

  1. Einkommensgerechtigkeit: Darunter  versteht man, dass Güter und Lasten möglichst gleich zwischen den Menschen verteilt sein sollen. Absolute Einkommensgerechtigkeit wäre demnach erreicht, wenn alle Gesellschaftsmitglieder genau das gleiche Einkommen hätten.
  2. Bedarfsgerechtigkeit: Eine Gesellschaft ist dann gerecht, wenn ein –wie auch immer definierter- Mindestbedarf an Gütern jedem Menschen zusteht. Über die Höhe des Mindestbedarfs lässt sich trefflich streiten, wie die Vielzahl der Auseinandersetzungen um die Höhe der Sozialhilfe zeigt.
  3. Leistungsgerechtigkeit: Danach gemessen ist es sozial gerecht, wenn jeder Mensch das verdient, was er erwirtschaftet. Offenkundig besteht zwischen Einkommensgerechtigkeit und Leistungsgerechtigkeit ein Trade-Off. Menschen besitzen unterschiedliche Talente. Absolute Einkommensgerechtigkeit und Leistungsgerechtigkeit können nicht gleichzeitig erreicht werden.
  4. Chancengerechtigkeit: Alle Menschen sollen die Chance habe, ihre gegebenen Talente zu nutzen und die eigene Lebenssituation zu verbessern.
  5. Regelgerechtigkeit: Regeln des gesellschaftlichen Zusammenlebens müssen fair und allgemeingültig sein.
  6. Generationengerechtigkeit: Sie gilt als erfüllt, wenn die nachfolgenden Generationen die gleichen Voraussetzungen vorfinden wie die heutige und wir jetzt nicht auf Kosten zukünftiger Generationen leben.

Gemessen an allen sechs Gerechtigkeitsdimensionen belegt Deutschland Rang sieben und liegt deutlich über der durchschnittlichen Punktezahl der OECD-Staaten. Seit 2005 kletterte Deutschland um 10 Plätze nach oben.

Wie es für die Soziale Marktwirtschaft kennzeichnend ist, weist Deutschland eine gute Balance zwischen den einzelnen Dimensionen auf. Den größten Satz nach vorne (von Platz 14 auf Platz 5) hat die Bundesrepublik bei der Chancengerechtigkeit gemacht. Hier wirkt sich die positive Entwicklung am Arbeitsmarkt positiv aus.

Doch Deutschland darf sich nicht auf diesen Erfolgen ausruhen. Denn einerseits könnten einzelne politische Maßnahmen der Regierung zu einer Verschlechterung führen der Gerechtigkeit führen: Der Mindestlohn untergräbt die Leistungsgerechtigkeit genauso wie die Mütterrente die Generationengerechtigkeit. Darüber hinaus gibt es immer noch Defizite im Bildungsbereich. Bessere Bildung schafft nicht nur mehr Chancen, sondern vergrößert auch noch die Einkommensgerechtigkeit. Bildung ist der Schlüssel zum Erfolg – nicht nur in puncto Gerechtigkeit.

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Autor:

Prof. Dr. Dominik H. Enste ist Geschäftsführer IW Akademie, Professor an der TH Köln und Leiter des Kompetenzfelds „Verhaltensökonomik und Wirtschaftsethik“ am Institut der deutschen Wirtschaft.

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