Wie gerecht ist der Mindestlohn?

Der Mindestlohn ist vor und seit seiner Einführung wohl genauso viel bejubelt wie beschimpft worden. „Man muss von seiner Arbeit doch leben können“, war und ist der eingängige Slogan der einen Seite. Die andere mahnt an, dass das Ganze ja auch irgendwie einen Wert haben muss. Gerd Maas tendiere – wen wundert es an dieser Stelle – zur zweiten Fraktion.

Mir kommen bei dem Thema immer zwei Schaufler in den Sinn. Zwei Schaufler mit der gleichen Aufgabe, jeweils ein Loch neben dem anderen auszuschaufeln. Alle Löcher ungefähr gleich tief, beide Schaufler ungefähr gleich kräftig, jeder die gleiche Schaufel. Beide recht stetige Gemüter, die die gleiche Arbeitszeit kontinuierlich schaufeln. Aber nur einer denkt mit beim Schaufeln. Dieser eine macht sich Gedanken über den Sinn seiner Arbeit, nämlich Erde auszuheben, damit danach da Löcher sind. Der andere meint, dass allein schon das Schaufeln sinnvoll ist. Und schüttet jedes Mal mit dem Aushub das vorherige Loch wieder zu.

Zwei Arbeiter mit den gleichen Qualifikationsanforderungen – Lochschaufler –, verrichten die gleiche Arbeit, gleich fleißig. Was meinen Sie, verdienen die beiden den gleichen Lohn? Ist es gerecht, wenn beide den gleichen Lohn bekommen? Ist denn statt der Arbeit nicht die erbrachte Leistung viel ausschlaggebender? Das was hinten herauskommt bei der Arbeit? Nach meinem Dafürhalten ist die Antwort einfach: Es gibt diese Arbeit nur, weil Löcher gebraucht werden. Was zählt, ist ausschließlich das Loch. Dem Gemeinwesen nützt nur jemand der Löcher macht, nicht jemand der einfach drauf los schaufelt. Ein Mindestlohnversprechen für Drauflosschaufler ist kontraproduktiv, der Mindestlohn also kein probates Mittel, um Lohnfairness durchzusetzen (gesetzt den Fall man würde hier tatsächlich eklatante Mängel feststellen).

Man könnte die Geschichte mit den Schauflern jetzt noch mit dem bedingungslosen Grundeinkommen weiterspinnen und wie veräppelt sich selbst der unproduktive Schaufler vorkommen müsste, wenn für einen Dritten schon das Zuschauen beim Schaufeln zur Entlohnung reicht. Aber das ist dann eine ganz andere Geschichte. Es geht mir hier ja noch nicht einmal unbedingt um das Schauflerthema – wie gesagt, das kommt mir beim Mindestlohn nur immer gleich in den Sinn. Mir geht es hier um die Freiheit und um die Grenzen der Selbstbestimmtheit.

Keine Freiheit auf Lohnverzicht

Das Schauflerbeispiel zeigt „nur“ wie der Mindestlohn volkswirtschaftlich falsche Anreize setzt. In der nun eingeführten Praxis offenbaren sich aber nach und nach noch schwerwiegendere Folgen. Der Mindestlohn verleitet eigentlich verantwortungsbewusste Bürger zur Unredlichkeit und zum vorsätzlichen Gesetzesbruch.

Ein Beispiel: Beim ehrenamtlichen Engagement kommt es oft einmal vor, dass wachsende Aufgaben einer gemeinnützigen Initiative das ehrenamtlich Machbare überstrapazieren. Man kommt dann gerne einmal überein, einen Teil der Arbeit zu entgelten. Einen Verdienst im wahrsten Sinne des Wortes zu gewähren: eine Anerkennung.

Ein Verein könnte also beschließen, einem seiner Mitglieder eine geringfügige Beschäftigung anzubieten. Womit ein Teil seiner Tätigkeiten nicht mehr ehrenamtlich, sondern hauptamtlich wird. Und – zack! – unterliegt das Ganze dem Mindestlohngesetz. Also mindestens 8,50 Euro pro Stunde und Aufzeichnungspflichten. Nun ist der ehrenamtlich Engagierte, dem man eine Anerkennung zukommen lassen will, ja besonders ehrenamtlich engagiert, und der freut sich sicherlich auch über einen kleinen Lohn, will aber seiner Natur entsprechend nicht auf die Stunden schauen. Das heißt, er wird aller Wahrscheinlichkeit nach auch für seine vom Anstellungsvertrag abgedeckten Aufgaben gerne Mehrarbeiten, Überstunden, leisten. Da muss er jetzt nur peinlich darauf achten, dass er die nicht aufschreibt.

Und weil diesem Vereinsangestellten die Stundenaufschreibung sowieso auf die Nerven geht – er macht seine Arbeit ja um der Sache willen und nicht wegen des Stundenlohns – wird er sich bald eine möglichst einfache Pseudo-Aufschreibung einrichten, die den gesetzlichen Anforderungen genügt, aber kaum etwas mit der Realität zu tun hat. Und wenn das auch nur im Kleinen spielt, wird eben hier gerade ein besonders verantwortungsbewusstes Mitglied der Gesellschaft zu Lug und Trug getrieben.

Das Beispiel ist im gemeinnützigen Milieu angesiedelt, weil es da besonders absurd ist. Es ist aber in der Wirtschaft genauso vorstellbar. Das Mindestlohngesetz nimmt den Bürgern generell das Recht, aus welchen Gründen auch immer auf Lohn zu verzichten. Mündige und selbständige Menschen, die die Anerkennung und auch den Schutz eines Arbeitsverhältnisses suchen, aber nicht unbedingt eine bestimmte Lohnhöhe, werden kriminalisiert.

Keinen Ökonomen-Blog-Post mehr verpassen? Folgen Sie uns auf Facebook, Twitter, abonnieren Sie unseren RSS-Feed oder unseren Newsletter.

Autor:

Gerd Maas ist Unternehmer im oberbayerischen Landkreis Rosenheim, Publizist, Leiter Wirtschaftsethik-Kommission der Familienunternehmer e.V. und bloggt regelmäßig unter Maashaltig.

Datum:
Themen:

Das könnte Sie auch interessieren