Wie die Integration von Flüchtlingen gelingt: Mit mehr Kita- und Schulplätzen

Für eine reibungslose Integration von Flüchtlingen muss an vielen Stellen angesetzt werden. Der Erwerb von Deutschkenntnissen bildet eine wichtige Grundlage – aber halt nicht mehr. Denn wollen wir die Flüchtlinge in unsere Gesellschaft und unseren Arbeitsmarkt integrieren, bedarf es einer weitergehenden Qualifizierung. So sind neben Sprachkursen auch Kitaplätze, Schulplätze und Angebote für Flüchtlinge, die eine Ausbildung machen oder studieren wollen, notwendig. Das kostet allerdings: für das Jahr 2017 müsste der deutsche Staat nach Berechnungen des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln (IW) im Auftrag der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) 3,5 Milliarden Euro in die Hand nehmen.

Die meisten erwachsenen Flüchtlinge kommen mit einem niedrigen Qualifikationsniveau nach Deutschland – 16 bis 25 Prozent von ihnen haben höchstens eine Grundschule besucht. Diese Menschen sprechen also weder Deutsch noch haben sie die notwendigen Grundfähigkeiten – zum Beispiel im Bereich Mathematik -, um auf unserem Arbeitsmarkt bestehen zu können. Hier sind gezielte Maßnahmen zur Alphabetisierung und Grundbildung notwendig. Und haben die erwachsenen Flüchtlinge dann ein entsprechendes Bildungs- und Sprachniveau erreicht, brauchen sie weitere Qualifizierungsmaßnahmen, etwa in der betrieblichen Ausbildung. Rund ein Drittel der Flüchtlinge ist noch minderjährig und muss hier in Deutschland ins reguläre Bildungssystem integriert werden, sodass auch hier gezielte Integrationsmaßnahmen notwendig sind.

Leichter in den Arbeitsmarkt

Immer mehr Flüchtlinge haben eine Berechtigung, bei uns zu arbeiten. Die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung von Personen aus den vier Hauptherkunftsländern der Flüchtlinge (Syrien, Irak, Afghanistan und Eritrea) ist von 35.000 im Januar 2014 auf 53.000 im März 2016 gestiegen. Meist arbeiten diese Menschen allerdings als Helfer – und die Arbeitslosigkeit von Personen aus diesen vier Herkunftsländern nahm im gleichen Zeitraum stark zu. Dass sich viele Flüchtlinge schwer tun, eine Arbeitsstelle zu finden, schreiben die Unternehmer vor allem den fehlenden Deutschkenntnissen und unzureichenden Qualifikationen zu. Aber auch aufenthaltsrechtliche Restriktionen für Asylbewerber und Geduldete sind ein Hindernis. Vor diesem Hintergrund ist die Aussetzung der Vorrangprüfung in Bezirken mit günstiger Arbeitsmarktlage ein erster Schritt, der aber unbedingt auf das ganze Land ausgedehnt werden sollte. Dazu müssten die Asylverfahren beschleunigt werden, um möglichst schnell Planungssicherheit für den Flüchtling und das einstellende Unternehmen zu schaffen.

Bildungssystem muss durchlässiger sein

Die Durchlässigkeit des deutschen Bildungssystems hat sich in den vergangenen Jahren deutlich verbessert. Es spielt nicht mehr eine so große Rolle, aus welcher sozialen Schicht man kommt, um gute Bildungsergebnisse zu erzielen. Aber dennoch ist in allen Bereichen des Bildungssystems – von der frühkindlichen Bildung über die Schulen bis hin zur betrieblichen und hochschulischen Ausbildung – noch viel zu tun, um die Herausforderung der Bildungsintegration von Flüchtlingen zu meistern.

Mehr frühkindliche Bildung

Wer eine Kindertageseinrichtung besucht hat, dem fällt die Schullaufbahn deutlich leichter – besonders wenn derjenige aus einer bildungsfernen und nicht deutschsprachigen Familie stammt. Daher sollten möglichst alle Flüchtlingskinder im entsprechenden Alter eine Kita oder einen Kindergarten besuchen. Im kommenden Jahr werden hierfür zusätzlich 98.500 Plätze in Kindertageseinrichtungen benötigt – in gemischten Gruppen mit Deutsch als Umgangssprache und Erziehern, die sich im Umgang mit Kindern aus anderen Kulturkreisen auskennen.

Bessere Förderung in der Schule

Die Karriereperspektiven junger Flüchtlinge hängen maßgeblich davon ab, wie gut sie die Schule meistern. Da die meisten Flüchtlingskinder ohne oder nur mit sehr geringen Deutschkenntnissen zu uns kommen, ist eine intensive Vorbereitung auf den Schulalltag in Deutschland notwendig, bevor sie dem regulären Unterricht folgen können. Ziel muss es sein, die Flüchtlingskinder möglichst schnell in die Regelklassen zu integrieren. Dazu sollten Lehrer gezielt im Bereich Deutsch als Fremdsprache auf den Umgang mit Flüchtlingsschülern vorbereitet werden.

Ausbildung bewerben

Eine betriebliche Ausbildung bietet jungen Flüchtlingen gute Beschäftigungsperspektiven und Potenziale für ihre Integration. Hierzu gibt es in den Bundesländern inzwischen zahlreiche Initiativen zur gezielten Ausbildungsvorbereitung, die weiterentwickelt und bei erfolgreichen Modellen übertragen und verstetigt werden sollten.

Leichter an die Uni

Manche Flüchtlinge haben eine Hochschulzugangsberechtigung oder können diese in Deutschland erwerben. Eine Internationalisierungsstrategie würde ihnen ein Studium erleichtern – angefangen bei Sprachkursen, Instrumenten zur Überprüfung der Studierfähigkeit und einem Ausbau von Online-Kursen bis hin zu einem gleitenden Übergang ins Studium als Gasthörer.

Auf die Regionen verteilen

Wo sind die Integrationschancen und Arbeitsmöglichkeiten die besten? Hier sind die Regionen in Deutschland unterschiedlich gut aufgestellt. Nach ersten Erfahrungen orientieren sich Flüchtlinge aber nicht überwiegend an Arbeitsmarkt- und Ausbildungsperspektiven, wenn sie ein neues Zuhause suchen. Vor diesem Hintergrund kann die beschlossene Wohnsitzauflage helfen, die regionale Verteilung der Flüchtlinge besser an Integrationsperspektiven am Arbeitsmarkt, bestehende Kapazitäten an den Ausbildungsstellen und Kapazitäten an Schulen auszurichten. Aus bildungsökonomischer Sicht begrüße ich die beschlossene Wohnsitzauflage daher sehr.

Viele Maßnahmen nötig – und die sind nicht kostenlos

Natürlich kosten all diese Maßnahmen Geld – 3,5 Milliarden Euro pro Jahr wie das IW Köln berechnet hat. Allerdings können diese zusätzlichen Bildungsausgaben bereits in wenigen Jahren durch geringere Ausgaben bei Sozialleistungen und höhere Steuer- und Sozialabgaben mehr als ausgeglichen werden. Wie gut die Arbeitsmarktintegration der Flüchtlinge gelingt, hängt nämlich maßgeblich davon ab, welche Qualifikationen sie hier in Deutschland erwerben und damit von ihrer Integration ins Bildungssystem.  Langfristig können vor allem die Investitionen in die Bildung der Kinder zudem helfen, Fachkräfteengpässe zu mildern und sich so auch positiv auf die wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland auswirken. Aus ethischer Sicht sind sie ohnehin ein Muss, da sie den Flüchtlingen eine vollwertige Teilhabe am gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Leben in Deutschland ermöglichen.

Alle Ergebnisse des  “INSM-Bildungsmonitor 2016” finden Sie hier.

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Autor:

Prof. Dr. Axel Plünnecke ist stellvertretender Leiter des Wissenschaftsbereichs Bildungspolitik und Arbeitsmarktpolitik und Leiter des Kompetenzfelds Humankapital und Innovationen beim Institut der deutschen Wirtschaft.

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