Wer arbeitet, ist der Dumme
Finanzminister Steinbrück will alle beschenken: Die Hartz IV-Empfänger, die Rentner, die Kinder. Alle sollen 2009 laut Existenzminimumbericht mehr bekommen. Nur einer geht leer aus: Der Steuerzahler. Hierzu stellt das Finanzministerium in seinem Bericht lapidar fest, dass das steuerliche Existenzminimum der Steuerzahler, der so genannte Grundfreibetrag, eingefroren werden soll. Folge ist: Die Hartz IV-Regelsätze werden erhöht, der steuerfreie Grundfreibetrag der Steuerzahler aber bleibt auf dem niedrigen Stand von Januar 2005. Das aber ist ungerecht gegenüber allen Steuerzahlern. Auch für sie müsste das verfassungsrechtlich gebotene steuerliche Existenzminimum wie bei den Hartz IV-Empfängern um 500 Euro angehoben werden.
Die Relationen zwischen Empfängern und Zahlern müssen zu Gunsten der Steuerzahler gewahrt bleiben. Bis dato lag der sozialrechtliche Grundbedarf für Hartz IV-Empfänger bei 7.140 Euro, also gut 500 Euro unter dem Grundfreibetrag der Steuerzahler, der bei 7.664 Euro liegt. Während letzterer auf das seit 2005 bestehende Niveau eingefroren wird, steigt das Existenzminimum 2009 auf 7.656 Euro. Steinbrück egalisiert damit den verbliebenen Vorsprung derer, die ins System einzahlen gegenüber denen, die Transfers empfangen.
Aber es gibt noch einen zweiten Grund, warum Steinbrück den Grundfreibetrag auf mindestens 8.164 Euro anheben müsste: Die kalte Progression. Denn seit 2005 hat der Fiskus 32 Milliarden Euro durch gestiegene Löhne und Gehälter aus der Einkommensteuer zusätzlich erzielt. Dabei holt der Staat aus jedem zusätzlich verdienten Euro doppelt so viele Steuern heraus. Somit ist es auch aus diesem Blickwinkel nur gerecht, wenn Steinbrück den Steuerzahlern das Geld teilweise wieder zurückgibt. Gleichzeitig müsste sich der Stufentarif verschieben. Der Finanzminister will aber dem Steuerzahler nichts zurückgeben. Das hat er in seinem Existenzminimumbericht klar gemacht. Würde der Grundfreibetrag ebenfalls um 500 Euro angehoben, sinken die Einnahmen des Staats aus der Einkommensteuer um 6 Milliarden Euro. Bevor die Bundesregierung über teilweise hanebüchene Konjunkturpakete nachdenkt, sollte sie lieber ihre Hausaufgaben an dieser Stelle machen.
Bildnachweis: Das Existensminimum soll 2009 steigen – der Grundfreibetrag aber nicht. Folge: Der Abstand zwischen Hartz IV und den unteren Lohngruppen wird immer kleiner. Der Anreiz, eine Arbeit aufzunehmen, wird künftig also noch geringer. Um den bisher geltenden Lohnabstand aufrecht zu erhalten, müsste eben auch das steuerliche Existenzminimum angehoben werden.
Autor:
Prof. Dr. Reinhold Schnabel ist Inhaber des Lehrstuhls für Volkswirtschaftslehre an der Universität Duisburg-Essen.