Weicher Euro als Ruhekissen? Wie die Geld- die Unternehmenspolitik beeinflusst

Die harte D-Mark war für deutsche Firmen eine stetige Herausforderung. Sie mussten dauerhaft besser als die ausländische Konkurrenz sein, damit ihre Produkte trotz des hohen Außenwertes der D-Mark gekauft wurden. Der Euro verlangt diesbezüglich weniger Disziplin. Das hat Folgen: Zwar verkaufen deutsche Unternehmen so viel wie nie ins Ausland, aber die Produktivitätsgewinne sind gesunken, schreibt Professor Dr. Gunther Schnabl.

Das deutsche Wirtschaftswunder nach dem Zweiten Weltkrieg basierte auf einer stabilitätsorientierten Geldpolitik der Deutschen Bundesbank, welche die Deutsche Mark zur Hartwährung machte. Weil die Deutsche Mark unter einem kontinuierlichen Aufwertungsdruck stand, mussten die deutschen Unternehmen stetig die Effizienz erhöhen und sich mit Innovationen gegen den internationalen Preisdruck abschirmen. So entstanden gute Produkte und große Produktivitätsgewinne, die in Form steigender Reallöhne, großzügiger Sozialsysteme und als Transfers an die europäischen Partner verteilt wurden.

  • Quelle: IWF. Wechselkurs gegenüber den 19 wichtigsten Handelspartnern, gewichtet nach Handelsanteilen. Eine fallende Linie bedeutet eine reale Abwertung, d.h. eine Verbesserung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit.

Die Einführung des Euros veränderte dieses Umfeld aus drei Gründen:

  1. Die süd- und westeuropäischen Euroländer wurden fortan daran gehindert, ihre Währungen gegenüber Deutschland abzuwerten. Im Jahr 1999 beseitigte die Euroeinführung für 44 Prozent der deutschen Exporte die Wechselkursrisiken. Mit dem Ausbruch der europäischen Finanz- und Schuldenkrise im Jahr 2008 kam eine sehr lockere Geldpolitik der EZB dazu, die seither den Euro gegenüber dem Dollar um 30 Prozent abgewertet hat. Die Abwertung hat große Gewinne in die Kassen der deutschen Exportunternehmen gespült. Seit Beginn der Euro-Qualifizierungsphase im Jahr 1995 wurde die deutsche Währung gegenüber den wichtigsten Handelspartnern bereinigt um Konsumentenpreise um 20 Prozent abgewertet (siehe Abbildung oben).
  2. Mit der Jahrtausendwende brachte der deutsche Staat unter dem Slogan Hartz IV umfassende Reformen auf den Weg, weil die Staatsverschuldung die Maastricht-Grenze von 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts erreicht hatte. Lohnzurückhaltung im öffentlichen Sektor und die Flexibilisierung des Arbeitsmarktes brachten die gesamtwirtschaftlichen Löhne unter Druck, während diese in anderen Ländern – auch dank Krediten aus Deutschland – weiter stiegen. Die auf der Grundlage von Lohnstückkosten errechnete reale Abwertung der deutschen Währung gegenüber den wichtigsten Handelspartnern fällt deshalb mit knapp 30 Prozent noch stärker aus (siehe Abbildung oben).
  3. Die Leitzinssenkungen der Europäischen Zentralbank – von 4,75 Prozent im Oktober 2000 auf heute 0 Prozent – drückten die Finanzierungskosten. Der Kreditzins, den deutsche Unternehmen im Durchschnitt bezahlen, ist von ca. 5,5 Prozent (1999) auf knapp 2 Prozent (2018) gefallen. Ebenso sind die Zinsen auf Unternehmensanleihen deutlich zurückgegangen, wobei deren Volumen immens gewachsen ist. Einige große deutsche Unternehmen wie Bayer oder Linde haben mit Krediten kostspielige Übernahmen finanziert, die ihre internationale Marktmacht sowie die Verhandlungsmacht gegenüber den Gewerkschaften gestärkt haben.

Das klingt vor allem für die Exporteure gut. Deren Lieferungen ins Ausland sind seit 1999 um 180 Prozent gewachsen. Die Mitarbeiter profitieren hingegen wenig. Das reale Lohnniveau in Deutschland ist seit Einführung des Euros kaum gewachsen. Das ist nicht überraschend, weil die Produktivitätsgewinne der deutschen Wirtschaft gegen null gesunken sind. Es scheint, als hätten es sich die deutschen Unternehmen auf den großen Windfallprofiten, die ihnen der Euro beschert hat, bequem gemacht. Weil damit die wirtschaftliche Basis für die Wohlstandsgewinne in Europa verloren ist, ist der weiche Euro eher Fluch als Segen für die Bürger der Währungsunion. Der Euro als Hartwährung wäre die bessere Option!

Keinen Ökonomen-Blog-Post mehr verpassen? Folgen Sie uns auf Facebook, Instagram und Twitter, und abonnieren Sie unseren WhatsApp-Nachrichtenkanal, RSS-Feed oder einen unserer Newsletter.

Autor:

Prof. Dr. Gunther Schnabl ist Leiter des Instituts für Wirtschaftspolitik an der Universität Leipzig.

Datum:
Themen:

Das könnte Sie auch interessieren