Weekender-Themen: Getreide, Rubel, Rentner, Globalisierung, Emigration
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Hungersnot droht – 14 Prozent der weltweiten Getreideproduktion hätten laut Vorkriegsprognose in diesem Jahr aus der Ukraine kommen sollen. Vermutlich wird das nicht geschehen. Weil Russland den Export blockiert. Weil im März und April die Aussaat für die nächste Ernte stattfinden muss. Die Folge: Die Zahl der Menschen, die weltweit an Hunger leiden, könnte sich von aktuell knapp 300 Millionen Menschen in naher Zukunft verdoppeln. Der CEO der Bayer AG, Werner Baumann, plädiert in der Financial Times für rasche Maßnahmen. Dazu zählen, die Lebensmittel-Produktion von Sanktionen auszunehmen, die Vorratsspeicher der einzelnen Staaten schnell aufzulösen und kleinere Landwirte so zu unterstützen, dass sie ihren Output schnell erhöhen können. Baumann: „It’s not the moment for small and isolated efforts, but for bold and broad action to prevent a catastrophe.“
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Russische Währung erholt – Wie hat es Russland geschafft, dass der Kurs des Rubel – nachdem er zu Kriegsbeginn fast die Hälfte seines Wertes gegenüber dem US-Dollar verloren hat – mittlerweile wieder auf Vorkriegsniveau ist? Durch massive Interventionen der russischen Zentralbank. Der Kauf ausländischer Währung gegen Rubel wurde massiv eingeschränkt (Kapitalverkehrskontrollen), und der Leitzins wurde massiv von 9,5 Prozent auf 20 Prozent erhöht (wodurch es attraktiv wurde, in der Währung Rubel zu bleiben und diese zu verleihen). Beide Maßnahmen aber haben einen hohen Preis. Investitionen in die russische Wirtschaft werden verhindert. Der Ökonom Paul Krugman spekuliert in der New York Times, warum Russland so hart reagiert hat. Seine These: Der Rubelkurs ist nicht zu verheimlichen, und er ist für Putin ein Prestigewert. Der wiedererstarkte Rubel soll signalisieren, dass die westlichen Sanktionen wenig bewirken. Andere Indikatoren, wie steigende Arbeitslosigkeit oder Inflation, so vermutet Krugman, könne Putin dagegen, dank der Pressezensur, relativ gut verschleiern.
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Warum arbeiten Rentnerinnen und Rentner? – Menschen, die noch im Ruhestand erwerbstätig sind, haben überdurchschnittlich oft einen akademischen Bildungsabschluss und waren häufiger bis zum Rentenbeginn ins Arbeitsleben integriert als nicht erwerbstätige Rentenbeziehende. Das zeigt eine Befragungsstudie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB). Zwar erhöhe auch ein niedriges Haushaltseinkommen die Wahrscheinlichkeit, während des Rentenbezugs weiter einer bezahlten Tätigkeit nachzugehen, fast alle Befragten hätten aber auch angegeben, aus Spaß an der Arbeit im Ruhestand noch erwerbstätig zu sein, betonen die IAB-Forscher. Rund 38 Prozent der erwerbstätigen Rentenbeziehenden haben einen akademischen Abschluss und damit deutlich mehr als nicht erwerbstätige Rentenbeziehende mit 28 Prozent. Doch gleichzeitig spielt auch die Rentenhöhe für die Erwerbsentscheidung eine Rolle: Rentnerinnen und Rentner, deren Haushaltseinkommen im untersten Einkommensviertel liegt, bessern vergleichsweise häufig ihre finanzielle Situation mit Erwerbsarbeit auf. „Das zeigt, dass es verschiedene Gruppen von arbeitenden Rentenbeziehenden gibt, die sich hinsichtlich ihrer sozioökonomischen Situation und Erwerbsmotive stark unterscheiden“, erklärte IAB-Forscherin Stefanie Gundert.
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Globalisierung neu denken – Der Krieg in der Ukraine könnte, so schreibt im Handelsblatt Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), ein Wendepunkt im globalen Systemwettbewerb sein, der die wirtschaftlichen Stärken von Marktwirtschaften und Demokratien unterstreiche. Voraussetzung dafür sei, so Fratzscher, dass die westlichen Demokratien die richtigen Lehren zögen, die wirtschaftliche Globalisierung reformierten und die regelbasierte globale Ordnung stärkten. Der Fehler der Vergangenheit sei die falsche Annahme gewesen, liberale Demokratien würden sich in einer immer globaleren Welt von selbst durchsetzen, weil sie und ihre Marktwirtschaften den größeren wirtschaftlichen Wohlstand schaffen und damit Freiheiten ermöglichen. Was es jetzt brauche, so der DIW-Chef, sei eine klüger gestaltete Globalisierung. Gerade Deutschland aber habe in den vergangenen 30 Jahren eine regelbasierte, werteorientierte Außenwirtschaftspolitik zu häufig den kurzfristigen wirtschaftlichen Interessen geopfert. Das müsse sich ändern. Eine „Reform erfordert auch eine engere Partnerschaft zwischen den USA und der Europäischen Union, um gemeinsam die globalen Standards des Miteinanders für uns, aber auch für Autokratien und illiberale Demokratien zu setzen“, so Fratzscher.
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Abstimmung mit den Füßen – Russlands Bevölkerung schrumpft, weil viele Menschen das Land verlassen, weil die Geburtenrate niedrig ist, weil Soldaten im Krieg sterben. Allein in der Tech-Industrie haben seit Ende Februar zwischen 50.000 und 70.000 Arbeitende das Land verlassen, schreibt die Financial Times. „Mit diesem irrsinnigen Konflikt, schießt sich Putin in den eigenen Fuß“, sagt Ilya Kashnitsky, Assistenz-Professorin am Interdisciplinary Centre on Population Dynamics in Dänemark. Sergey Plugotarenko, Chef der Russian Association for Electronic Communications (RAEC), vermutet, dass im April weitere 70.000 bis 100.000 Menschen aus dieser Branche Russland den Rücken kehren werden. Plugotarenko: „Diese Emigration geschieht in einem Ausmaß und in einer Geschwindigkeit wie wir sie noch nie gesehen haben.“
Gute Kommentare, interessante Hintergründe – jeden Freitag präsentieren wir (Link zum Archiv) fünf Vertiefungen zu den wirtschaftspolitisch interessantesten und relevantesten Themen der Woche. > Keinen Blogpost verpassen
Autor:
INSM Redaktion Hier schreibt die Redaktion der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft.