Weekender-Themen: Corona-Hilfen, Wohlstand, Bidenomics, Kerosinsteuer, Protektionismus
Jeden Freitag empfiehlt der Weekender fünf Vertiefungen zu wirtschaftspolitisch interessanten wie relevanten Themen.
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Unternehmen haben sich in der Corona-Pandemie an die Finanzspritzen des Staates gewöhnt. Der Abschied davon ist ein Problem. Für die Unternehmen – aber auch für die Politik. Denn die Abschaltung der Unterstützung produziert schlechte Nachrichten. Unternehmen, die nicht überlebensfähig sind, werden pleitegehen. Vor allem in Wahlkampfzeiten lesen und hören Amtsinhaber solche News nicht gerne. Mindestens bis nach der Bundestagswahl wird es diese Nachrichten deshalb kaum geben. Patrik-Ludwig Hantzsch von der Wirtschaftsauskunftei und dem Inkassodienstleister Creditreform sagt in der FAZ: „Wir sehen in unseren Zahlen, dass die Unternehmen deutlich weniger große Maschinen ordern als früher.“ Es fehle an Anreizen, effizienter und innovativer zu werden. Wann der richtige Zeitpunkt zum Ausstieg aus den Hilfen gewesen wäre, vermag Hantzsch nicht zu sagen. „Auf jeden Fall früher.“ Er befürchtet sogar, dass sich die nächste Bundesregierung nicht trauen wird, die Unternehmen von den Finanzspritzen zu entwöhnen, die Corona-Hilfen stattdessen etwa zu Zuschüssen für die Digitalisierung von Geschäftsmodellen umwidmen wird. „Wenn wir so weitermachen, dann wäre das eine komplett neue Ausrichtung der Wirtschaftspolitik“, warnt Hantzsch, „eine, in der nicht mehr der Markt bestimmt, welche Unternehmen überleben, sondern Beamte.“
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Vielleicht lässt sich unsere Wohlstandsentwicklung nirgendwo anschaulicher verstehen als in diesen Tagen auf dem Land. Mit großen Maschinen wird die Getreideernte eingefahren. Auf diesen sitzt in der Regel eine einzige Person. Ab und an kommt ein Traktor mit Anhänger angefahren, der Mähdrescher hält dann kurz an, bläst seine bereits von den Ähren getrennte Fracht in nur wenigen Augenblicken auf diesen Anhänger und zieht dann weiter einsam seine Runden auf den meist riesigen Feldern. Wenige Generationen zurück waren zur Erntezeit diese (meist kleineren) Felder voller Menschen. Die langen Schulsommerferien sind ein Überbleibsel aus jenen Zeiten. Jeder musste mit anpacken. Heute arbeiten in Deutschland noch 1,3 Prozent aller Arbeitenden in der Landwirtschaft (weltweit sind es 27 Prozent). Diese erwirtschaften ein Vielfaches an Lebensmitteln als noch vor Dekaden. Statistisch gesehen ernährte 1960 ein Landwirt hierzulande 17 Menschen, heute sind es 134. Übrigens, die Zwischenbilanz der Getreideernte 2021 ist: durchwachsen.
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„Bidenomics“ wird die Wirtschaftspolitik des US-Präsidenten bisweilen genannt. Aber was für eine Politik ist das eigentlich? Ist sie links, grün, konservativ? Barry Eichengreen, Ökonomieprofessor an der University of California, erklärt Joe Bidens Wirtschaftspolitik in der aktuellen Ausgabe des Journals Intereconomics. Im Kern bestehe Bidens Wirtschaftspolitik aus einer expansiven wirtschaftlichen Rolle des Staates. Diese Politik mache sich vor allem am 3,2 Billionen Dollar schweren Infrastrukturvorschlag (Maßnahmen gegen den Klimawandel, neue Straßen, Brücken und Breitband) sowie dem 1,8 Billionen Dollar umfassenden American Families Plan (Ausbau Gesundheitswesen, Kinderbetreuung, Altenpflege und Bildung) fest. Da viele der Projekte von der republikanischen Partei mitgetragen werden müssen, ist eine vollständige Umsetzung in weiter Ferne (vor allem was Klimawandel-Maßnahmen und Reformen des Sozialstaates betrifft). Dennoch sieht Eichengreen eine gewisse Chance für Verwirklichung: Die Pandemie habe die US-Amerikaner an die Unsicherheit des Lebens erinnert und ein Licht auf die Rolle des Staates geworfen, die Menschen vor Risiken zu schützen, vor denen sie sich nicht selbst schützen können.
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Würde eine Kerosinsteuer den Flugverkehr reduzieren und damit auch den Ausstoß klimaschändlicher Gase? Ersteres vielleicht, Letzteres kaum. Denn der europäische Luftverkehr ist Teil des europäischen Emissionshandels (EU-ETS), mit dem der Ausstoß von Treibhausgasen durch Industrie, Stromerzeuger und eben der europäischen Luftfahrt gedeckelt wird. Stößt ein Unternehmen der berücksichtigten Branchen klimaschädliche Gase aus, muss es dafür den Behörden eine Erlaubnis vorlegen – ein Zertifikat. Die Gesamtmenge der Zertifikate ist durch den „Cap“ begrenzt – und sinkt jährlich. Seit Beginn des Jahres sind nun alle Branchen miteinander verschmolzen. Das heißt, dass im Rahmen des Emissionshandels erworbene Zertifikate des Luftverkehrs auch von der Industrie und den Stromerzeugern genutzt werden können. Die Folge: Ein Rückgang des Flugverkehrs führt nicht mehr zu einem Verfall von Zertifikaten, sondern die Zertifikate werden von anderen Branchen gekauft und genutzt. Was bedeutet dies für die Sinnhaftigkeit einer Steuer auf Flugbenzin? „Eine Kerosinsteuer ist keine überzeugende Maßnahme, um Treibhausgase im innereuropäischen Luftverkehr effektiv zu verringern, vielmehr werden Emissionen durch sie nur verlagert“, schreibt Fabian Kurz vom Thinktank IREF.
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Dass Protektionismus schädlich für ein weltweites, gesundes Wirtschaftswachstum ist, wusste man auch vor Donald Trump. Seine Präsidentschaft aber hat das protektionistische Klima in den USA befördert. Und China schränkt den offenen Handel zunehmend ein. Gerade Deutschland als Exportnation könnte darunter verstärkt leiden, rechnet das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) im Handelsblatt vor. Was kann dagegen unternommen werden? Berlin sowie Brüssel seien am Zug, sagt IW-Forscher Jürgen Matthes und fordert eine Verschärfung der Anstrengungen für fairen Handel, etwa den Einsatz für eine Reform der Instrumente der Welthandelsorganisation (WTO) gegen Wettbewerbsverzerrungen. Matthes: „Auch wenn China sich weiter dagegenstellen wird: Die EU muss da noch stärker gemeinsam mit den USA und anderen Marktwirtschaften aktiv werden.“
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Autor:
INSM Redaktion Hier schreibt die Redaktion der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft.