Was bleibt von uns, wenn die Roboter kommen?
Wie wird unsere Arbeitswelt der Zukunft aussehen und wir in ihr? Lisa Herzog prophezeit für das Zeitalter der Algorithmen eine Arbeitswelt, die ganz wunderbar sein kann – aber auch fatal, wenn wir es nicht schaffen, den Menschen wieder in den Mittelpunkt der Arbeit zu stellen.
„Politischer Aufruf“ – wie es im Untertitel zu diesem Buch heißt – ist eindeutig zu harmlos. Zwar ist Lisa Herzogs Duktus weder reißerisch noch radikal, doch ihr nun erschienenes Buch ist ein beherztes und energisches Plädoyer für eine bessere Gesellschaft. Herzog fordert: Man darf die Arbeitswelt in Zeiten des digitalen Wandels nicht ihrem Schicksal überlassen. Sie ist mehr als nur ein Mittel zum Geldverdienen, sie ist eine „zutiefst menschliche Angelegenheit“ und der soziale Kitt, der unsere Gesellschaft zusammenhält. Herzog, Professorin für Politische Philosophie und Theorie an der Technischen Universität München, will die „soziale Dimension der Arbeit wieder in den Blick“ rücken, „nach den Herausforderungen wie auch nach den Möglichkeiten einer solidarischen Arbeitswelt“ fragen und Ideen entwickeln, „wo es hingehen könnte“. So lautet das Anliegen ihres Essays „Die Rettung der Arbeit – ein politischer Aufruf“.
Die Philosophin und Buchautorin (Freiheit gehört nicht nur den Reichen. Plädoyer für einen zeitgemäßen Liberalismus, 2014) vollzieht damit nichts weiter, als einen wirtschaftsethischen Spagat: Im Zeitalter der Digitalisierung will sie zum einen die Würde und die Rechte des Einzelnen wahren und zum anderen die Chancen der neuen Technologien nutzen, um Partizipation und demokratische Formen der Governance sehr viel stärker als bisher in die Welt der Wirtschaft zu übertragen. Um es vorwegzunehmen: Ihr gelingt damit ein lesenswerter und Horizonte öffnender Beitrag in einer bisher mit vielen Ängsten und Spekulationen versehenen Diskussion um die digitale Moderne.
Arbeit muss nicht immer Erfüllung sein
Herzog definiert zunächst ein „weit verbreitetes Missverständnis“, nämlich was Arbeit heute ist und wie sie stattfindet – und schnell wird klar: Arbeit muss genauso wenig Erfüllung sein wie stumpfe Plackerei. Zweitens untersucht sie die Gestaltungsmöglichkeiten auf dem heutigen Arbeitsmarkt. Drittens analysiert sie die ungleiche Verteilung von Verantwortung und Haftung (zum Beispiel in Fällen wie dem VW-Abgas-Skandal). Viertens plädiert sie für eine Demokratisierung der Wirtschaftswelt mit viel flacheren Hierarchien – dank neuer Kommunikationsmöglichkeiten. Und fünftens stellt sie den sozialen Aspekt von Arbeit für unsere Gesellschaft in den Mittelpunkt – gerade auch für das Zeitalter der digitalen Transformation. Denn so wie uns die analoge „Arbeitswelt mit Menschen zusammenbringt, denen wir sonst nie begegnen würden“, darf diese Vielfalt auch „in der digitalen Arbeitswelt der Zukunft“ nicht verloren gehen.
Herzogs Buch ist mit Schwung geschrieben und schon deswegen eine Lektüre, die nicht allein digitale Wissensarbeiter anspricht, sondern auch auf „analoge“ Beschäftigte zielen will. Immer wieder rekurriert die Autorin ebenso punktgenau wie unterhaltsam auf Szenen aus Film und Literatur, um ökonomische Ideen verständlicher zu machen: so auf Charlie Chaplins Moderne Zeiten für die kontrovers geführte Diskussion um das Thema Arbeitsteilung; auf Tom Wolfes Roman Fegefeuer der Eitelkeiten, wenn es um die realen Gestaltungsmöglichketen der eigenen Arbeit geht; auf Arthur Millers All my Sons in Bezug auf Haftung, Verantwortung und Fairness in der Arbeitswelt; oder auf Fjodor Dostojewskis Aufzeichnungen aus dem Kellerloch in ihrem Kapitel über den Zweck von Hierarchien. „Hierarchien“, sagt die Autorin, „setzen auf externe Kontrolle, auf die Verlockung höherer Gehälter bei gleichzeitiger Drohung stagnierenden Einkommens oder sogar des Jobverlusts.” Das habe zwar durchaus einen motivierenden Effekt, könne aber die intrinsische Motivation, gute Arbeit zu leisten, stark reduzieren. Ihre Schlussfolgerung: „Roboter und Algorithmen passen wunderbar in hierarchische Strukturen.“ Aber: „Das, was menschliche Arbeit ausmacht, passt nur bedingt dort hinein.“ Menschliche Arbeit sei am wenigsten dort ersetzbar, wo es um die Anpassung von komplexen Kontexten gehe, wo soziale Dynamiken in all ihrer Vielschichtigkeit eine Rolle spielten und wo die Suche nach neuen Lösungen gefragt sei.
Doch alle Theorie hilft nichts, wenn sie nicht tatkräftige Unterstützer findet. So steht für Herzog fest: Soll die Arbeitswelt demokratischer und sozialer werden und die Teilhabe größer, wird es ohne die Hilfe der Politik nicht gehen. Denn erst sie kann die Bedingungen schaffen, „in denen neue Organisations- und Koordinationsformen erprobt werden können“. In der Frage, wie und wann Menschenarbeit von Robotern übernommen werden kann und wie wir diese Entwicklung in Maßen beeinflussen können, klingt ihr Vorschlag, unterschiedliche Formen von Arbeit verschieden zu besteuern und die Erhöhung der Kapitalsteuer auf Algorithmen, Computer und Roboter durchzusetzen, allerdings ebenso interessant wie abenteuerlich. Da hätte man gerne mehr und Konkreteres gewusst als nur ein paar Ansatzpunkte.
Fazit
Eine Blaupause für die zukünftige Arbeitswelt ist Herzogs Buch nicht. Aber ihr Essay bietet einen erhellenden Einblick, auf welche Schwierigkeiten wir in der digitalen Zukunft stoßen und welche Chancen sich uns dann eröffnen können. Denn eins wird immer bleiben: Arbeit ist gut – und es lohnt sich, für eine soziale und menschenwürdige Arbeitswelt zu kämpfen.
Keinen Ökonomen-Blog-Post mehr verpassen? Folgen Sie uns auf Facebook, Instagram und Twitter, und abonnieren Sie unseren WhatsApp-Nachrichtenkanal, RSS-Feed oder einen unserer Newsletter.
Autor:

Dr. Martin Roos ist freiberuflicher Journalist. Er arbeitet als Autor, Ghostwriter und Redenschreiber für Unternehmen und Topmanager.