Warum Deutschland keine Vermögensteuer braucht

Die SPD möchte eine Vermögensteuer einführen – “um die Schere zwischen Arm und Reich zu schließen und die Spaltung unserer Gesellschaft zu stoppen”, so die Begründung der Parteispitze. Ein Plädoyer für deren Nichtumsetzung. 

Seit zehn Jahren wächst das Steueraufkommen von Bund, Ländern und Gemeinden jährlich durchschnittlich um 4,5 Prozent. Trotz nachlassender Konjunktur wird es absehbar nicht viel weniger werden. 2022 werden sich die Steuereinnahmen im Vergleich zu 2005 verdoppelt haben (von 452 auf 906 Milliarden Euro) – bei stagnierender Einwohnerzahl. Braucht es da tatsächlich eine neue Steuerquelle?

Das Handelsblatt titelte unlängst „Steuerlast wird für Deutschland zum Standortrisiko“ (15.3.19). Laut einem Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundesfinanzministerium werden Unternehmensgewinne in Deutschland voraussichtlich im Jahr 2020 durchschnittlich mit 31 Prozent besteuert – im Vergleich liegt der OECD-Durchschnitt bei 23,4 Prozent.[1] Annähernd überall auf der Welt werden Investitionen sehr bald steuerlich attraktiver sein. Und die Welt titelte am 11.4.2019 „Deutsche Steuerlast ist ‚Weltspitze‘ – doch die Infrastruktur verfällt“. Gemeinsam mit Belgien ist Deutschland Spitzenreiter in der Belastung der Bruttolöhne. 39,7 Prozent gehen bei uns durchschnittlich als Steuer ab – im OECD-Durchschnitt sind es nur 25,5 Prozent. Nur acht Prozent aller Staatseinnahmen fließen in Bildung, Forschung, Verkehr und Infrastruktur. Das meiste wird sozial umverteilt – häufig mit der Gießkanne.

Die Idee des SPD Interims-Co-Vorsitzenden Schäfer-Gümbel et al. für eine Vermögensteuer ist eine Schnapsidee. Denn: Wie nachhaltig und zukunftsträchtig kann eine Reichen-nehmen-und-Armen-geben-Strategie sein? In Deutschland sind rund vier Millionen Menschen selbstständig unternehmerisch oder freiberuflich tätig. Zusammen mit mitarbeitenden Familienangehörigen, Kindern und Ruheständlern sind es mindestens zehn Prozent der Gesamtbevölkerung. Das sollte man im Kopf haben, wenn gerade wieder einmal vielerorts hinausposaunt wird, wie ungerecht es doch wäre, dass zehn Prozent der Bevölkerung den Großteil des gesamten privaten Vermögens auf sich vereinen.

Die zehn Prozent Selbstständige müssen neben ihrer Altersvorsorge und der Absicherung für Krankheit und Pflege auch noch ihre unternehmerischen Risiken daraus bestreiten. Und im Alter müssen sie davon leben, idealerweise aus den Renditen der investierten Mittel.

Für den nicht-selbstständigen, angestellt beschäftigten Teil der Bevölkerung steckt dagegen ein ganz erheblicher Teil ihres Vermögens in den Versorgungsansprüchen gegenüber den öffentlichen sozialen Sicherungssystemen. Nimmt man die kapitalisierten Barwerte der Sozialleistungen – also das Geldkapital, das erforderlich wäre, um die Leistungen erbringen zu können – fällt das ganze Vermögensungleichheitskonstrukt krachend in sich zusammen.

Die Vermögensteuer-Idee der SPD ist ein Angriff auf Selbstständigkeit und Eigenverantwortung, denn was nicht vergessen werden darf: die linear-progressive Einkommensteuer, plus Reichensteuer, plus Extra-Reichensteuer (sprich Solidaritätszuschlag nur noch für 10 Prozent der Steuerpflichtigen).

Der für sich selbst sorgende Staatsbürger, der vom Staat Befähigung und Solidarität aber nicht Bevormundung fordert, war Ludwig Erhards Idealbild der Sozialen Marktwirtschaft. Eine Vermögenssteuer konterkariert diesen Grundgedanken des eigenverantwortlichen Souveräns. Das kann man machen, sollte es aber dann nicht mehr freiheitlich-demokratisch nennen, sondern vielleicht Fürsorgediktatur (vermutlich das, was die SPD in ihrem Grundsatzprogramm mit dem Oxymoron „demokratischer Sozialismus“ meint; Hamburger Programm. 2007).

Was im Übrigen in der Vermögensteuer-Debatte gerne übersehen wird: Der überragende Teil aller Vermögen ist in selbst genutztem Wohneigentum angelegt – laut der Auswertung des Sozio-oekonomischen Panels durch das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung nämlich über die Hälfte des gesamten Nettovermögens der Bundesbürger (Immobilienwert abzüglich Hypotheken).[3] Rund ein Zehntel sind zudem Versicherungen und Bausparverträge. Allseits hält die Politik ihre Bürger an, Eigenheime zu schaffen und sich selbst abzusichern. Und dann bestraft man just das wieder steuerlich? Der weitgehende Rest, rund ein Viertel des Gesamtvermögens, liegt in Betriebsvermögen und entsprechenden Immobilien. Diese Vermögen sichern die Liquidität der Unternehmen und sind investiert in Produktionsanlagen, Geschäftsausstattung sowie in Forschungs- und Entwicklungsvorhaben. Allein damit werden Arbeitsplätze gesichert. Was wird wohl passieren, wenn man diese Substanz schmälert?

[1] Wissenschaftlicher Beirat beim Bundesministerium der Finanzen Stellungnahme 01/2019, “US-Steuerreform 2018 – Steuerpolitische Folgerungen für Deutschland”

[2] Böckler Impuls Ausgabe 04/2017, Serie Ungleichheit, “Wie sind die Vermögen in Deutschland verteilt”?

[3] DIW Wochenbericht 09/2014 zur Vermögensverteilung

Autor:

Gerd Maas ist Unternehmer im oberbayerischen Landkreis Rosenheim, Publizist, Leiter Wirtschaftsethik-Kommission der Familienunternehmer e.V. und bloggt regelmäßig unter Maashaltig.

Datum:
Themen:

Das könnte Sie auch interessieren