Warum der Soli vollständig abgeschafft werden sollte

Union und SPD wollen den Solidaritätszuschlag nur teilweise abbauen. Das bringt Probleme mit sich. Dies zeigt eine Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft im Auftrag der INSM.

Nach dem Sondierungsergebnis von CDU/CSU und SPD soll der Solidaritätszuschlag in den Jahren 2018 bis 2020 unverändert fortbestehen und ab dem Jahr 2021 mittels der Verschiebung der bestehenden Freigrenze für einen Großteil der bisherigen Zahler abgebaut werden. Die maximale Entlastung würde dabei 900 Euro im Jahr betragen. Bei einer Freigrenze tritt allerdings ein sogenannter Fallbeileffekt ein, da bei Überschreiten der Freigrenze der Soli auf das gesamte Einkommen und nicht nur auf den Einkommensanteil oberhalb des Grenzwerts berechnet wird. Um den Fallbeileffekt abzumildern, sieht das Sondierungsergebnis wie bisher eine Gleitzone vor.

Nach den Plänen von CDU/CSU und SPD müsste die Freigrenze ab dem Jahr 2021 auf 61.000 Euro verschoben werden, um wie geplant rund 90 Prozent der Soli-Zahler vollständig von dem Beitrag zu befreien. Die Gleitzone würde sich bis etwa 76.000 Euro zu versteuerndes Einkommen erstrecken. Allerdings würde diese Regelung den anvisierten Aufkommenseffekt von zehn Milliarden Euro um rund 1,4 Milliarden Euro überschreiten. Um das Entlastungsvolumen auf zehn Milliarden Euro zu begrenzen, dürfte die Freigrenze bei analoger Gleitzone maximal 54.000 Euro betragen.

Die Freigrenze ist laut Sondierungsergebnis verteilungspolitisch motiviert, da ausschließlich untere und mittlere Einkommen entlastet werden sollen. Gleichzeitig hat die geplante Freigrenze aus ökonomischer Sicht zwei kritische Folgen:

  1. Trotz Abfederung des Fallbeileffekts durch eine Gleitzone steigen die marginalen Belastungen der Steuerzahler oberhalb des Grenzwerts stark an. Das heißt, von einem zusätzlich verdienten Euro gehen rund 57 Cent und damit sechs Cent mehr als bisher an den Staat. Dies gilt bei einem Single im Jahr 2021 für Jahresbruttogehälter zwischen 73.000 Euro und 89.000 Euro. Bei Ehepaaren sind die Werte entsprechend doppelt so hoch. Im Ergebnis vermindern sich somit die Anreize für diese Personengruppe, ihre Arbeitszeit zu erhöhen oder Überstunden zu machen. Da es sich dabei um hoch produktive Erwerbstätige handelt, kann die wirtschaftliche Entwicklung gedämpft werden. Angesichts der demografischen Entwicklung kann dies nicht im Interesse der Politik sein. Im Gegenteil wäre eine höhere Erwerbsbeteiligung, zum Beispiel des Zweitverdieners bei einem Ehepaar, für die wirtschaftliche Entwicklung wünschenswert. Davon würden auch die öffentlichen Haushalte aufgrund höherer Steuern und Beiträge profitieren.
  1. Sofern der Plan von CDU/CSU und SPD umgesetzt werden sollte, würde der Solidaritätszuschlag künftig ausschließlich von Personen mit höherem Einkommen und Unternehmen getragen werden, die bereits heute einen Großteil des Solidaritätszuschlags finanzieren. Anders als in anderen Industrieländern wie den USA, Großbritannien und Frankreich käme es in Deutschland damit zu keiner steuerlichen Entlastung der Unternehmen. Dies verschlechtert die Rahmenbedingungen hierzulande im internationalen Vergleich. Da die steuerliche Belastung bei Investitionsentscheidungen ein relevanter Faktor ist, kann der Wachstumspfad geschwächt werden. Kapitalgesellschaften müssten den Soli weiter als Zuschlag auf die Körperschaftsteuer entrichten, der Gewinn von Personengesellschaften liegt vielfach oberhalb des geplanten Grenzwerts bei der Einkommensteuer. Bei Umsetzung der Sondierungspläne würden innerhalb der Veranlagung zur Einkommensteuer Personengesellschaften, Einzelunternehmen und Freiberufler künftig 40 Prozent des Soli-Aufkommens zahlen. Unter Hinzunahme des Solis der Kapitalgesellschaften würde der unternehmerische Beitrag zum gesamten Soli-Aufkommen auf rund 60 Prozent steigen.

Für die langfristige gesamtwirtschaftliche Entwicklung sind eine höhere Erwerbsbeteiligung und mehr private Investitionen entscheidend. Vor diesem Hintergrund wirkt die geplante Freigrenze eher wachstumshemmend. Dabei gibt es Alternativen zu einer Freigrenze: Ein Freibetrag würde im Gegensatz zu einer Freigrenze jeden entlasten, gleichzeitig würden dennoch untere und mittlere Einkommen relativ betrachtet stärker profitieren. Allerdings würden auch dann Kapitalgesellschaften weiter den Soli zahlen. Aus systematischen Gründen wäre daher eine vollständige Abschaffung des Solidaritätszuschlags in einem Schritt geboten. Angesichts der guten Haushaltslage wäre dies zudem finanzierbar.

Dieser Blog-Beitrag basiert auf den Ergebnissen einer IW-Studie, die im Auftrag der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft erstellt wurde. Die Studie finden Sie hier [pdf].

Keinen Ökonomen-Blog-Post mehr verpassen? Folgen Sie uns auf Facebook, Instagram und Twitter, und abonnieren Sie unseren WhatsApp-Nachrichtenkanal, RSS-Feed oder einen unserer Newsletter.

Autor:

Dr. Tobias Hentze ist Experte für Finanz- und Steuerpolitik am Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW).

Datum:
Themen:

Das könnte Sie auch interessieren