Warten auf den Währungskrieg
Die expansive Geldpolitik vieler Industrieländer hat die Debatte über einen Währungskrieg wieder angeheizt. Vor allem der jüngste Schwenk der japanischen Notenbank stärkt Befürchtungen, dass Staaten durch die Erhöhung der Geldmenge ihre Währung künstlich schwächen – und so Wettbewerbsvorteile gegenüber anderen Ländern erreichen wollen.
Einen Währungskrieg im eigentlichen Sinne erleben wir derzeit zwar nicht. Noch überlassen die großen Industrienationen die Wechselkurse dem Markt. Sie intervenieren nicht so konsequent im Devisenhandel, wie es etwa China tut, mit der Absicht, Exporte zu verbilligen und Einfuhren zu verteuern.
Was wir aber sehr wohl erleben, ist ein Währungskrieg light. Die USA, Japan und Großbritannien verfolgen eine offenbar längerfristig expansive Geldpolitik. Darauf reagieren jene Volkswirtschaften, deren Währungen aufwerten, besonders empfindlich, weil ihre Produkte bei einer global ohnehin schwächelnden Nachfrage nun auch noch teurer werden. Verschärft wird das Problem durch die Kapitalmärkte. Große Zinsdifferenzen lösen enorme Geldströme in Hochzinsländer aus. Das verzerrt die Wechselkurse.
Dagegen tun können die Betroffenen nicht viel. Sie sind gefangen im Trilemma der internationalen Währungspolitik: Fester Wechselkurs, autonome Geldpolitik und freier Kapitalverkehr sind nicht vereinbar. Das könnte bald auch die Eurozone treffen.
Noch ist hier das Konfliktpotenzial gering. Nominaler und effektiver Wechselkurs des Euro steigen seit Mitte 2012, aber so moderat, dass dies angesichts eines Überschusses von 100 Milliarden Euro in der Warenhandelsbilanz der Währungsunion 2012 verkraftbar ist.
Mittelfristig sieht das aber anders aus. Der geldpolitische Konsens zwischen den Industriestaaten – Inflationsbekämpfung durch eine unabhängige Notenbank – scheint in den USA, Japan und Großbritannien zu wanken. Läuft die Wechselkurspolitik derart auseinander, könnte der Euro mittelfristig spürbar aufwerten, auch real. Der Herdentrieb an den Finanzmärkten und Carry Trades würden Kapital in den Währungsraum schwemmen, Inflationsdivergenzen könnten diesen Effekt nicht wettmachen.
Eine Aufwertung träfe die Eurozone hart, denn in der Schuldenkrise ist ihre Abhängigkeit vom Handel mit dem Dollarraum gestiegen. Und weil die Staaten weiter sparen müssen, liegt die Wachstumshoffnung vor allem auf dem Außenhandel. Insgesamt machen Rezession und Arbeitslosigkeit in den Krisenstaaten sowie die schwächelnde Binnenkonjunktur in anderen Euroländern die Eurozone deutlich empfindlicher für eine Aufwertung.
Die Politikoptionen sind begrenzt. Interventionen am Devisenmarkt könnten den Währungskrieg anfachen, auch Kapitalverkehrskontrollen sind derzeit nicht realistisch. Eine Aufwertung ließe sich wohl nur durch Inflation unterbinden – dem aber steht EZB entgegen, die zu Recht auf ihrer Unabhängigkeit beharrt und Preisstabilität bevorzugt.
Dieses Szenario wäre doppelt brisant. Je offensichtlicher der Konflikt zwischen Inflationsbekämpfung und der Verhinderung einer Aufwertung wird, desto eher könnten Forderungen nach Einschränkungen des Kapitalverkehrs aufkommen. Zudem dürfte es der EZB noch schwerer fallen, bei anziehender Konjunktur und steigender Inflation aus der expansiven Geldpolitik auszusteigen. Sie müsste sich vorwerfen lassen, den Aufschwung durch verfrühte Zinserhöhungen und die daraus folgenden Aufwertungen abzuwürgen.
Halten die geldpolitischen Divergenzen zwischen den Industrieländern wie skizziert an, ist das Image der Europäischen Zentralbank in Gefahr: Reagiert sie nicht früh und entschlossen, droht erhebliche Inflationsgefahr, was das Vertrauen vor allem der Nordeuropäer und Deutschen in den Euro und die Eurozone massiv schädigen dürfte. Reagiert sie allerdings frühzeitig mit einer restriktiven Geldpolitik, dürfte sie den Zorn des Südens – und der Industrie im Norden – auf sich ziehen. Um diesen Zielkonflikt zu vermeiden, muss die EZB rasch und unmissverständlich ihre Strategie kommunizieren.
Lesen Sie hier ein Policy Brief von Jürgen Matthes zum Thema Währungskrieg.
Autor:
Jürgen Matthes ist Senior Economist beim Institut der deutschen Wirtschaft und beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit den ökonomischen Aspekten der Globalisierung.