Wachstumschancen nicht genutzt
Um eine möglichst schnelle konjunkturelle Erholung der deutschen Volkswirtschaft zu fördern, hat die Bundesregierung im Rahmen der Konjunkturpakete öffentliche Investitionen von mehr als 23 Milliarden Euro auf den Weg gebracht. DIW econ hat die bis einschließlich August 2009 bekannte Verwendung der vorgesehenen Mittel nun analysiert. Sind die realisierten Investitionen dazu geeignet, das langfristige Wachstumspotential der deutschen Wirtschaft zu erhöhen? Kann das Konjunkturpaket der anhaltenden Wachstumsschwäche entgegenwirken?
Die Studie kommt zu einem ernüchternden Ergebnis: Ein Großteil der Investitionen von Bund und Länder hat kaum das Potential, das langfristige Wachstum in Deutschland zu steigern.
Um die Wachstumswirkungen genauer zu untersuchen, wurden sieben wichtige Wachstumsfelder für öffentliche Investitionen identifiziert und anhand einer Indikatorenanalyse der konkrete Nachholbedarf Deutschlands im Vergleich zu den EU-15 ermittelt. Vor diesem Hintergrund erfolgt eine Zuordnung der im Rahmen der Konjunkturpakete geplanten und getätigten Investitionsmaßnahmen auf die einzelnen Aktionsfelder (siehe Abbildung).
Demnach werden 80% in die Bereiche Basis-Infrastruktur, Bildung sowie Energieeffizienz und Klimaschutz investiert. Betrachtet man die einzelnen Maßnahmen jedoch genauer, ergibt sich ernüchterndes Bild: Bei einem Großteil der Investitionen in den drei Bereichen handelt es sich um Maßnahmen zur Bestandserhaltung, von denen keine Wirkung auf das langfristige Wachstumspotential zu erwarten ist. Bezogen auf die insgesamt im Rahmen der beiden Konjunkturpakete vorgesehenen öffentlichen Investitionen bedeutet dies, dass nur etwa 30% davon tatsächlich die nach Gesetz erwünschten Zukunftsinvestitionen darstellen.
Besonders negativ ist das Verhältnis im Bereich Bildung. Lediglich 8% der Mittel sollen in Bildungsinhalte zur Erhöhung der Bildungsqualität investiert werden, während 92% für die Erhaltung und Sanierung der Bausubstanz von Bildungseinrichtungen vorgesehen sind.
Darüber hinaus wird die Allokation der verfügbaren Mittel auf die einzelnen Aktionsfelder insgesamt sowie die Allokation der verfügbaren Mittel auf Bundes-, Landes- und Kommunalebene untersucht. Insgesamt zeigt sich eine unausgewogene Mittelverwendung. Einem zu starken Fokus auf Energieeffizienz und Klimaschutz sowie Basis-Infrastruktur steht die zu geringe Berücksichtigung von Gesundheit, Informationsgesellschaft und IKT-Infrastruktur gegenüber. Auf Ebene der Gebietskörperschaften lässt sich am ehesten auf der Länderebene eine ausgewogene Allokation der Investitionsmittel feststellen. Dies liegt vor allem an dem relativ starken Fokus auf Bildungsinhalte und Innovation.
Insgesamt bedeutet das: Es wurde eine Chance vertan, das langfristige Wachstumspotential in Deutschland nachhaltig zu erhöhen und so der anhaltenden Wachstumsschwäche entgegenzuwirken. Vielmehr scheinen die Mittel zur Abschwächung von Finanzierungsproblemen auf Ebene der Länder und Gemeinden verwendet zu werden. Nur so sind etwa die erheblichen Investitionen in den Gebäudebestand von Bildungseinrichtungen zu erklären, die eigentlich aus den laufenden Ausgaben der Länder zu finanzieren sind.
Dr. Ferdinand Pavel am 30. März: Konjunkturpaket – programmierte Geldverschwendung
Dr. Ferdinand Pavel am 22. Juni: Bildung kommt zu kurz!
Wirtschaft soll wieder wachsen, 14. Januar: Kommentare zum Konjunkturpaket II
Autor:
Prof. Dr. Klaus F. Zimmermann ist Direktor des Forschungsinstitut zur Zukunft der Arbeit GmbH (IZA).