Viel zu teuer: Wie die EU-Kommission beim CO2-Ausstoß von PKWs die falschen Anreize setzt
Der CO2-Ausstoß pro gefahrenen Auto-Kilometer sinkt. Aber die Zahl der PKW steigt. Im Saldo nehmen die Emissionen zu. Die EU-Kommission geht dagegen mit drastischen Mitteln vor. Dabei wären die Klimaziele einfacher und günstiger zu erreichen.
Im Gegensatz zu anderen Sektoren nehmen die Treibhausgasemissionen im Verkehrssektor seit 1990 nahezu beständig zu − trotz Verbesserungen beim spezifischen Kraftstoffverbrauch von PKW und der damit verbundenen Verringerung der pro Kilometer ausgestoßenen Emissionen. Maßgeblich verantwortlich für die Zunahme der Emissionen im Verkehrssektor war der Anstieg der Zahl an Kraftfahrzeugen. So nahm die Zahl der Autos in Deutschland allein zwischen 2007 und 2016 um über elf Prozent zu, von 41,2 auf 45,8 Millionen.
Kein Kaprizieren auf den Verkehrssektor
Aufgrund der unvorteilhaften Emissionsentwicklung steht der Verkehrssektor seit geraumer Zeit besonders im Fokus der Europäischen Kommission, wenn es um die Reduzierung von Treibhausgasemissionen geht. Allerdings ist es für den Klimaschutz prinzipiell gleichgültig, in welchem Sektor die Emissionen, insbesondere von Kohlendioxid (CO2), gesenkt werden, solange die Treibhausgasemissionen insgesamt verringert werden können. Ökonomisch effizient wäre, die Emissionen in jenen Sektoren zu verringern, in denen es mit den effizientesten Technologien am kostengünstigsten ist. Das europäische Handelssystem mit Emissionszertifikaten setzt an diesem Punkt an und setzt Anreize in Form von CO2-Zertifikatpreisen, um Emissionen auf kosteneffiziente Art und Weise mit den kostengünstigsten Technologien zu senken. Vor diesem Hintergrund wäre die Einbindung des Verkehrssektors in den Europäischen Emissionshandel das von Ökonomen bevorzugte Mittel der Wahl zur Treibhausgasreduzierung.
Weitere Verschärfung der Emissionsstandards bis zum Jahr 2030
Stattdessen hat die Europäische Kommission im April 2009 eine Verordnung verabschiedet, mit der die Autohersteller gezwungen wurden, den durchschnittlichen CO2-Ausstoß von neu zugelassenen PKW bis 2015 auf 130 Gramm pro Kilometer im Flottendurchschnitt zu senken. Für das Jahr 2020 wurde inzwischen eine strengere Norm von 95 g/km für den Flottendurchschnitt neuer PKW festgelegt. Und der am 8. November 2017 von der Europäischen Kommission vorgelegte Entwurf einer Verordnung für CO2-Grenzwerte für Personenkraftwagen und leichte Nutzfahrzeuge (KOM (2017) 676 final) sieht vor, dass die europäische Neufahrzeugflotte ab 2025 einen spezifischen CO2-Ausstoß aufweisen soll, der gegenüber dem Jahr 2020 im Schnitt um 15 Prozent geringer ausfällt, ab dem Jahr 2030 gar um 30 Prozent geringer.
Hoher impliziter CO2-Preis durch hohe Strafen
Die Nichteinhaltung dieser gesetzlichen Vorgaben ist für Autohersteller mit empfindlichen Strafen verbunden: Mit jeder Überschreitung der Zielvorgaben um einen Gramm pro Kilometer wird derzeit für den Autohersteller eine Strafe von 95 Euro fällig. Unterstellt man für einen neu zugelassenen PKW während seiner Lebensdauer eine Fahrleistung von 100.000 km, impliziert dies für die zusätzlich über die Lebensdauer ausgestoßenen 0,1 Tonnen CO2 (=100.000 km mal 0,001 kg/km) eine CO2-Pönale von 950 Euro je Tonne CO2 (Frondel et al. 2011). Würde man eine Fahrleistung von 200.000 km über die PKW-Lebensdauer unterstellen, läge die mit der Strafe verbundene CO2-Pönale mit 475 Euro je Tonne CO2 noch immer weit über dem aktuellen CO2-Zertifikatspreis im EU-Emissionshandel von rund 20 Euro je Tonne. Autohersteller werden folglich auch sehr teure Maßnahmen vornehmen, um keine hohen Strafzahlungen leisten zu müssen. Es ist daher davon auszugehen, dass die mit der Einhaltung der Emissionsstandards verbundenen Kosten für die Autohersteller hoch ausfallen.
Negative Wohlfahrtseffekte von Effizienzstandards
Dies wirkt sich negativ auf die Wohlfahrtseffekte einer solchen Regulierungsmaßnahme aus. Tatsächlich gibt es zahlreiche Studien für die USA, die zu dem Schluss kommen, dass die dort in den 1970er Jahren eingeführten CAFE (Corporate Average Fuel Efficiency) Standards negative Wohlfahrtseffekte zur Folge haben. So schätzen Karplus et al. (2013) auf Basis eines Allgemeinen Gleichgewichtsmodells, dass Effizienzstandards für PKW eine mindestens sechsmal so teure Maßnahme darstellen wie entsprechend hohe Kraftstoffsteuern mit derselben Effektivität bei der Kraftstoffeinsparung. Viele andere Studien kommen darüber hinaus zu dem Schluss, dass Kraftstoffsteuern effektivere Maßnahmen darstellen, um den Kraftstoffverbrauch zu senken, als Effizienzstandards (Austin, Dinan 2005; Crandall 1992; Kleit 2004; Li et al. 2014).
Ineffektivität von Emissionsstandards
Ein wesentlicher Grund für die Ineffektivität von Emissionsstandards ist das Auftreten von Rebound-Effekten: Mit energieeffizienteren PKW wird aufgrund der geringeren Kraftstoffkosten pro Kilometer tendenziell mehr gefahren als mit weniger effizienten PKW (Frondel et al. 2008). Der dadurch erfolgende Anstieg der Fahrleistung macht einen Teil der möglichen Kraftstoffeinsparungen durch die Benutzung eines effizienten PKW wieder zunichte (Rebound-Effekt). Frondel et al. (2008, 2012) sowie Frondel und Vance (2013, 2018) kommen für den motorisierten Individualverkehr in Deutschland zum Schluss, dass derartige Rebound-Effekte zwischen 40 bis 70 Prozent ausmachen können. Das heißt: 40 bis 70 Prozent der bei unverändertem Fahrverhalten möglichen Energieeinsparungen werden durch Erhöhung der Fahrleistung wieder zunichtegemacht.
Ein weiterer Grund dafür, dass Kraftstoffsteuern effektivere Maßnahmen zur Senkung des Kraftstoffverbrauchs darstellen als Effizienzstandards, besteht darin, dass höhere Standards nur für Neufahrzeuge gelten, nicht für die gesamte Fahrzeugflotte. Höhere Kraftstoffsteuern wirken sich hingegen auf die Benutzung aller PKWs aus und sorgen bei allen PKW-Haltern für unmittelbare Anreize, weniger zur fahren.
Aus all diesen Gründen steht die Effektivität von Emissionsstandards in Frage. Bei dieser von der EU-Kommission seit 2009 bevorzugten Emissionsminderungsstrategie im Verkehrssektor wird offenbar ignoriert, dass die USA trotz einer frühen Einführung von Effizienzstandards in den 1970er Jahren lange Zeit kaum Fortschritte in Bezug auf die Energieeffizienz von PKW erzielt hat (siehe Abbildung unten). In Deutschland sowie in der gesamten Europäischen Union dürfte hingegen die teils kräftige Erhöhung der Kraftstoffsteuern, ab dem Jahr 2005 unterstützt durch stark steigende Rohölpreise, deutliche Spuren bei der Energieeffizienz von PKW hinterlassen haben.
Integration des Verkehrssektors in den EU-Emissionshandel
Anstatt nun die Emissionsstandards weiter zu verschärfen, wie es die EU-Kommission vorhat, um Emissionsreduktionen im Verkehrssektor zu erzwingen, würde es sich als Ergänzung zu den existierenden Kraftstoffsteuern anbieten, den Verkehrssektor in den EU-Emissionshandel zu integrieren, da damit eine höhere Flexibilität bei der Treibhausgasminderung erlangt werden kann. Da weitere spezifische Verbrauchs- und Emissionsminderungen beim PKW-Verkehr wohl teuer ausfallen werden, werden bei einer Integration des Autoverkehrs in den Emissionshandel die Minderungen eben in jenen Sektoren erzielt, in denen auf kostengünstigere Art und Weise Emissionen vermieden werden können als im Verkehrssektor. Im Endeffekt kommt es beim Klimaschutz für die EU jedoch lediglich darauf an, dass das EU-Ziel für das Jahr 2030, die Treibhausgasemissionen um 40 Prozent gegenüber 1990 zu senken, eingehalten wird − in welchem Sektor dies geschieht, ist für das Klima völlig belanglos.
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Zitierte Literatur:
Austin, D., Dinan, T. (2005) Clearing the Air: The Costs and Consequences of Higher CAFE Standards and Increased Gasoline Taxes. Journal of Environmental Economics and Management 50, 562-582.
Crandall R. W. (1992) Corporate Average Fuel Economy Standards. Journal of Economic Perspectives, 6 (2), 171-180.
Frondel, M., Peters, J., Vance, C. (2008) Identifying the Rebound: Evidence from a German Household Panel. Energy Journal, 29 (4), 154-163.
Frondel, M., Ritter, N., Vance, C. (2012) Heterogeneity in the Rebound: Further Evidence for Germany. Energy Economics, 34 (2), 388-394.
Frondel, M., Schmidt, C. M., Vance, C. (2011) A Regression on Climate Policy: The European Commission’s Legislation to Reduce CO2 Emissions from Automobiles. Transportation Research Part A: Policy and Practice 45 (10), 1043-1051.
Frondel, M., Vance, C. (2013) Re-Identifying the Rebound: What About Asymmetry? The Energy Journal 34 (4), 43-54.
Frondel, M., Vance, C. (2018) Drivers’ response to fuel taxes and efficiency standards: evidence from Germany. Transportation 45, 989–1001.
Babiker, M., Reilly, J.M., Karplus, V., Paltsev, S. (2013) Should a vehicle fuel economy standard be combined with an economy-wide greenhouse gas emissions constraint? Implications for energy and climate policy in the United States. Energy Economics 36, 322-333.
Kleit, A. N. (2004) Impacts of Long-Range Increases in the Fuel Economy (CAFE) Standard. Economic Inquiry, 42 (2), 279-294.
Li, S., Linn, J., Muehlegger, E. (2014): Gasoline taxes and consumer behavior. American Economic Journal: Economic Policy 6(4), 302–342.
Autor:
Prof. Dr. Manuel Frondel ist außerplanmäßiger Professor für Energieökonomik und angewandte Ökonometrie an der Ruhr-Universität Bochum und Leiter des Kompetenzbereichs „Umwelt und Ressourcen“ am RWI.