Unternehmensteuern: Wettbewerb durch gemeinsame Bemessungsgrundlage stärken
Führen unterschiedliche Unternehmensteuern in Europa zu einem ruinösen Steuerwettbewerb oder ist er notwendig, um den Staat zu disziplinieren? Die Politikberater von Econwatch und Prof. Clemens Fuest plädieren für unterschiedliche Steuersätze, aber eine einheitliche Bemessungsgrundlage innerhalb der Europäischen Union.
Der folgende Policy Brief (.pdf) entstand auf Grundlage des Econwatch-Meetings „Unternehmensbesteuerung in Europa – Harmonisierung oder Wettbewerb?“ mit Prof. Dr. Clemens Fuest (Zentrum für Europäi- sche Wirtschaftsforschung und Universi- tät Mannheim) am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB). Das Video wurde vor der Veranstaltung aufgenommen.
Die zunehmende Globalisierung hat nicht nur den Wettbewerb auf den Güter- und Dienstleistungsmärkten intensiviert, sondern auch dazu geführt, dass mobiles Kapital sensibler auf Veränderungen von Standortbedingungen reagiert. Unterschiedliche Steuerbelastungen können somit Auslöser von Standort- oder Gewinnverlagerungen von international tätigen Unternehmen sein.
Insbesondere aktuelle Fälle multinationaler Unternehmen, die trotz hoher Gewinne kaum Steuern zahlen, haben eine erneute Diskussion um die Harmonisierung von Besteuerungsregeln in der Europäischen Union ausgelöst. Die europäische Steuerpolitik sollte weiterhin darauf abzielen, steuerliche Hindernisse für den gemeinsamen Binnenmarkt abzubauen und die Kosten für die Steuerbefolgung zu senken.
Die positiven Wirkungen des Steuerwettbewerbs sollten nicht durch eine Vereinheitlichung von Steuersätzen ausgeschaltet werden. Um zu verhindern, dass der Steuerwettbewerb durch selektive Steuervergünstigungen und damit unerwünschte Steuervermeidung verzerrt wird, ist ein gemeinsamer Regelrahmen als Wettbewerbsordnung notwendig. Hierzu gehört eine wirksame europäische Beihilfenkontrolle und mehr Transparenz von Steuerregeln – insbesondere über eine Angleichung der Bemessungsgrundlagen. Die Europäische Kommission hat dazu in ihrem Aktionsplan zur Reform der Unternehmensbesteuerung vom 17. Juni 2015 einen Vorschlag angekündigt.
Der Steuerwettbewerb zwischen Staaten hat dazu geführt, dass die Steuerbelastung von Unternehmen in den letzten Jahrzehnten gesunken ist. So hat sich der Steuertarif für Unternehmensgewinne in Deutschland von 1983 bis 2012 halbiert. Damit hat sich Deutschland, das traditionell ein Hochsteuerland ist, dem Durchschnitt der OECD- Staaten angenähert. Trotz der gesunkenen Steuertarife ist der Anteil des Unternehmensteueraufkommens am Bruttoinlandsprodukt leicht gestiegen. Grund dafür ist, dass die Bemessungsgrundlage für die Besteuerung im gleichen Zeitraum verbreitert worden ist und die Unternehmensgewinne stark gestiegen sind.
Grundsätzlich bezeichnet Steuerwettbewerb den Wettbewerb von Staaten um mobiles Kapital mithilfe steuerrechtlicher Regelungen. Ziel der Staaten ist es, attraktive Standortbedingungen anzubieten, um Investitionen ins Land zu holen, Arbeitsplätze zu schaffen, ihre Steuerbasis zu verbreitern und so staatliche Einnahmen zu erhöhen.
Bei der Entscheidung für eine Investition spielen für Unternehmen neben den steuerlichen Regelungen aber auch weitere Faktoren eine wichtige Rolle, so zum Beispiel die Qualität der Infrastruktur, das Ausbildungsniveau der Arbeitnehmer, die Arbeitskosten oder die Größe des Absatzmarktes. Unternehmen bewerten das jeweils an einem Standort vorherrschende Preis-Leistungs-Bündel und treffen auf dieser Basis ihre Standortentscheidung.
Gegner des Steuerwettbewerbs befürchten, dass mobile Faktoren im Vergleich zu immobilen Faktoren zu niedrig besteuert werden, so dass es zu einer ungerechten Steuerlastverteilung kommt. Auch wird vorgebracht, dass es durch Steuerwettbewerb zu einer unerwünschten Verteilung des Steueraufkommens zwischen Staaten kommen kann, wenn einzelne Staaten durch „Steuerdumping“ viel mobiles Kapital anlocken oder gezielt Lücken in anderen Steuersystemen für sich ausnutzen. Schließlich wird auch ein ruinöser Steuerwettbewerb befürchtet, der zu einer Abwärtsspirale führt, die letztlich in einer ineffizient geringen Bereitstellung staatlicher Leistungen resultiert. Daher fordern sie eine weitgehende Harmonisierung der Steuerregeln, die die Bemessungsgrundlagen und auch die Steuersätze umfasst.
Befürworter des Steuerwettbewerbs betonen die disziplinierende Wirkung, die Steuerwettbewerb auf Regierungen hat. So wirkt er als Gegengewicht gegen Überbesteuerung beziehungsweise zwingt Regierungen dazu, ineffizient hohe staatliche Aktivitäten zurückzuführen und dauerhaft niedrigere Steuern zu erheben. Zudem sind steuerpolitische Maßnahmen für viele Staaten ein wichtiges wirtschaftspolitisches Instrument, um Standortnachteile gegenüber anderen Staaten zu kompensieren.
Betrachtet man die Angebote und die zu zahlenden Steuern als Preis-Leistungs-Bündel eines Standortes, ist nicht zu erwarten, dass es zu einer Abwärtsspirale bei der Besteuerung kommt, da Standorte differenzierte Angebote an physischer und institu- tioneller Infrastruktur machen, für die jeweils ein entsprechender Preis in Form von Steuern zu zahlen ist.
Um Wettbewerbsverzerrungen durch selektive Steuerbegünstigung oder ähnliches zu verhindern, ist eine Wettbewerbsordnung für den Steuerwettbewerb notwendig. Die bereits bestehende europäische Beihilfenkontrolle ist ein wichtiges Element einer solchen Wettbewerbsordnung, denn wettbewerbsverfälschende Maßnahmen werden als mit dem gemeinsamen Binnenmarkt unvereinbar angesehen, soweit sie den Handel zwischen den Mitgliedstaaten beeinträchtigen, und können sanktioniert werden. Sie sollte gestärkt werden.
Mehr Transparenz von Steuerregeln – insbesondere durch eine Angleichung der Bemessungsgrundlagen – kann dazu beitragen, wettbewerbswidriges Verhalten schneller zu identifizieren.
Die Europäische Kommission hat am 17. Juni 2015 in ihrem Aktionsplan zur Reform der Unternehmensbesteuerung in der EU unter anderem angekündigt, 2016 einen neuen Legislativvorschlag für die Einführung einer gemeinsamen konsolidierten Bemessungsgrundlage (Common Consolidated Corporate Tax Base, CCC TB) vorzulegen. Anders als bei dem Vorschlag aus dem Jahr 2011 soll die CCC TB künftig verpflichtend sein.
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Autor:
Dr. Susanne Cassel und Dr. Tobias Thomas sind Vorsitzende bei Econwatch, einer gemeinnützigen und unabhängigen Organisation, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, verständlich und wissenschaftlich fundiert über Wirtschaftspolitik zu informieren und Reformmöglichkeiten aufzuzeigen.