Strukturell abspecken!

Angesichts der horrenden Staatsverschuldung von  1.973.913.626.707  Euro (Stand: 01.09.2011 um 09:00 Uhr)  kann man schnell den Blick für das Wesentliche verlieren: Den gesunden Staatshaushalt! In der mittel- bis langfristigen Perspektive ist das strukturelle Staatsdefizit von entscheidender Bedeutung. Denn eine nachhaltige Konsolidierung der öffentlichen Haushalte kann sich sinnvollerweise nur auf eine Reduzierung des strukturellen Finanzierungsdefizits beziehen, also auf das um konjunkturelle Effekte und Einmalmaßnahmen bereinigte Primärdefizit.

Nachdem strukturell gesehen im Jahr 2007 und 2008 ein ausgeglichener gesamtstaatlicher Haushalt erreicht wurde, stieg das Primärdefizit mit -0,5% in 2009 und -1,3% 2010 deutlich an. Dieser Anstieg ist auf die Reduktion des Beitragssatzes in der Arbeitslosenversicherung, das In-Kraft-Tretens der Unternehmenssteuerreform, die nicht-nachhaltigen Einnahmeausfälle infolge der Konjunkturprogramme und die sogenannte „Rentengarantie“ zurückzuführen. Bei den von den Koalitionsparteien geplanten Steuersenkungen kommt es also darauf an, dass diese strukturell gegenfinanziert werden und nicht auf konjunkturellem Pump basieren: idealerweise durch Zurückhaltung des Staates, also durch Ausgabensenkung. Ein erster wichtiger und mutiger Schritt wäre beispielsweise das Streichen ordnungspolitisch und ökonomisch fragwürdiger Subventionen. Die so genannte „Koch-Steinbrück-Liste“ liefert hier einige wertvolle Anregungen zu Ausgabenkürzungen und zahlreiche Beispiele, die zu Mitnahmeeffekten geführt haben.

Die Reduzierung des strukturellen gesamtstaatlichen Finanzierungsdefizits zielt auf die Erreichung langfristiger Ziele, insbesondere auf die Vermeidung einer übermäßigen Belastung zukünftiger Generationen. Genau hierauf sollte die Politik bei der Diskussion um die Gegenfinanzierung von Steuersenkungen achten. Diese Debatte ist nicht zuletzt mit Blick auf die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse notwendig, die für den Bund eine Obergrenze der strukturelle Verschuldung von 0,35% des BIP ab dem Jahr 2016 vorsieht und für die Länder ab dem Jahr 2020 sogar gänzlich ausschließt.

Dieser Blogbeitrag resultiert aus der Studie „Haushaltslöcher und Steuerentlastungen – Was ist zu tun?, von Prof. Dr. Bodo Herzog, erschienen in Position Liberal Nr. 99, Herausgegeben vom Liberalen Institut der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit, Potsdam 2011

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Prof. Dr. Bodo Herzog ist Professor für Volkswirtschaftslehre, insbesondere für Geldpolitik und Makroökonomik an der ESB Business School, Hochschule Reutlingen.

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