Stromengpass? Warum wir keinen Kapazitätsmarkt brauchen
Die deutsche Stromversorgung ist bis auf weiteres sicher. Stromkonzerne sollten nicht für die Bereitstellung von Kraftwerkskapazitäten subventioniert werden. Für die Zukunft gibt es marktgerechtere Lösungen.
In Talkshows hört man es immer wieder: In Deutschland drohen wegen der Energiewende schon bald die Lichter auszugehen. Der Grund: Die Kraftwerkskapazitäten zur Stromerzeugung könnten nicht ausreichen, da Stromkonzerne kein Interesse mehr daran hätten, weiterhin konventionelle Kraftwerke zu betreiben. Deren Betrieb würde sich genauso wenig rentieren wie Investitionen in deren Neubau. Schließlich werden diese im Zeitalter der regenerativen Energie nur dann hochgefahren, wenn der Wind zu schwach bläst oder die Sonne nicht mehr scheint. Für die Versorgungssicherheit sind diese Kraftwerke aber zwingend erforderlich. Deshalb sollen Erzeuger nicht nur Geld damit verdienen können, indem sie Strom verkaufen, sondern auch für das bloße Bereithalten von Erzeugerkapazitäten.
Ein solcher Systemwechsel ist jedoch nicht notwendig. Es gibt keinen Grund zur Panik: In den nächsten Jahren sind auf dem deutschen Markt keine Versorgungsengpässe zu befürchten. Die Monopolkommission hat belegt, dass selbst die Höchstlast des Jahres 2012 ohne Importe und bei minimaler Einspeisung aus erneuerbaren Energien sowie bei maximal ungeplantem Leistungsausfall noch zu 116 Prozent gedeckt war. Das bedeutet, dass in weiten Teilen des Jahres 2012 Überkapazitäten von deutlich mehr als 16 Prozent vorhanden waren. Dass in einer solchen Lage mit hohen Überkapazitäten die Börsenpreise in den Keller rauschen, ist eine normale Marktreaktion und das Gegenteil von Marktversagen. Anders ausgedrückt: Ein Marktversagen, das einen staatlichen Eingriff rechtfertigen würde, ist nicht festzustellen. Die Zurückhaltung der Investoren ist gerade ein Beleg für das Funktionieren des Marktes. Es dürfte sich um eine effiziente Marktbereinigung handeln.
Zudem wäre die Einführung eines Kapazitätsmarktes, bei dem auch für das Bereithalten von Erzeugungskapazitäten bezahlt wird, mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden. Der Blick ins Ausland zeigt, dass derartige Mechanismen immer wieder nachgebessert und angepasst werden, langfristige Lösungen sind so gut wie ausgeschlossen. Eine große Spielwiese für Lobbyisten.
Zweifellos werden auch weiterhin konventionelle Kraftwerke benötigt, solange Strom nicht zu wirtschaftlich vertretbaren Kosten gespeichert werden kann. Das bedeutet aber nicht, dass es einer Subvention bedarf. Man muss dann jedoch Preisspitzen an der Börse aushalten, wenn Solar- und Windstrom nicht verfügbar sind. Die Preisschwankungen an der Börse werden zunehmen, je höher der Anteil der wetterabhängigen Stromerzeugung ist. Diese Preisschwankungen jedoch sind gerade wichtig, um Investitionen in die Entwicklung von Speichertechnologien einerseits sowie die nachfrageseitige Flexibilität andererseits anzureizen. Ein künstliches Glätten der Preisschwankungen hingegen reduziert die Anreize zur Entwicklung von Speichertechnologien und nachfrageseitiger Flexibilität.
Wenn unbedingt eine Versicherung in Form von Reservekraftwerken gewünscht ist, so bietet das Modell der strategischen Reserve einen Ausweg. Ältere Anlagen sollten dann nicht komplett stillgelegt werden, sondern als strategische Kaltreserve wieder reaktiviert werden können, wenn das Preisniveau einen bestimmten Preis übersteigt.
Eine ausfürhliche Analyse zum Thema finden Sie hier.
Autor:
Prof. Dr. Justus Haucap ist Direktor des Duesseldorf Institute for Competition Economics (DICE), Partner der Düsseldorf Competition Economics GmbH und früherer Vorsitzender der Monopolkommission.