Stellschrauben des Wachstums

Die Fertilitätsraten in Deutschland sind zu niedrig, um die Bevölkerungszahl auf konstantem Niveau zu erhalten.Will man verhindern, dass der demografische Wandel auf die Wachstumsstärke der  Volkswirtschaft durchwirkt, so muss man an drei Stellschrauben drehen: Köpfe, Zeit und Produktivität.

Der demografische Wandel gehört zu den zentralen Herausforderungen der nächsten Jahrzehnte. Durch die zunehmende Alterung der Gesellschaft bei gleichzeitiger Schrumpfung der Bevölkerung drohen schon heute Fachkräftemangel, Erhöhung der Fehlzeitenquote, steigende Personalkosten und Know-how-Verlust. Um die Produktivität und das Wachstumspotenzial der deutschen Wirtschaft trotz dieser demografisch bedingten Herausforderungen zu erhalten, muss man an drei Stellschrauben drehen:

Köpfe
Ziel ist die grundsätzliche Erhöhung der Erwerbsbevölkerung. Dabei gilt: Die  Bevölkerung kann man nicht zu mehr Zuwachs zwingen. Doch man sollte zumindest die bestehenden Geburtenwünsche bestmöglich unterstützen. Der Schlüssel zur Stabilisierung der Geburtenrate liegt in der besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Tatsächlich trägt gerade dabei die Zeitsouveränität und  Flexibilität der Eltern in und nach der Phase der Familiengründung für selbige eine hohe Bedeutung. Familienpolitische Leistungen allein sind demgegenüber weniger erfolgreich.

Die Erwerbsbevölkerung lässt sich außerdem über eine gesteuerte Zuwanderung erhöhen. Die seit dem Jahr 2000 zugewanderten Menschen bringen bessere technisch-naturwissenschaftliche Kompetenzen mit als die heimische Bevölkerung. Nur ein zügiger und transparenter Prozess der Anerkennung und der Arbeitserlaubnis ermöglicht, diese Fähigkeiten auch zu nutzen.

Zeit
Das gesamtwirtschaftliche Arbeitsvolumen lässt sich mit Hilfe zweier Maßnahmen steigern: die Erhöhung der Erwerbsquote und die Verlängerung der Arbeitszeit. Dank der Arbeitsmarktreformen wechseln seit 2005 immer mehr Arbeitslose zurück in die Beschäftigung. Eine weitere Anhebung des gesetzlichen Rentenzugangsalters – in der Tat höchst strittig diskutiert –  würde  die Erwerbsquote noch zusätzlich steigern.

Nicht nur die Lebens- sondern auch die Jahresarbeitszeit offenbart Spielraum. Mit Blick auf Nachbarländer, wie z.B. die Schweiz, ist grundsätzlich über eine generelle Erhöhung der Jahresarbeitszeit nachzudenken. Darüber hinaus bietet der hohe Anteil an Teilzeitarbeitenden Potenzial  für eine Steigerung des Arbeitsvolumens. Viele Frauen würden ihre Arbeitszeit gerne ausweiten. Die erfolgsversprechenden Stichworte sind auch hier: Zeitsouveränität und flexible Arbeitszeiten. Kombiniert mit verlässlichen Angeboten für die Kinderbetreuung, können sich so auch Alleinerziehende wieder für eine Vollzeittätigkeit entscheiden.

Produktivität
Das individuelle Leistungsvermögen des Einzelnen in seinem Erwerbsleben lässt sich effizient über Bildungsinvestitionen und eine präventive Gesundheitsförderung im Lebensverlauf fördern. Hier ist nicht nur der Staat in die Pflicht genommen – auch die einzelnen Unternehmen können ihre Mitarbeiter über eine lebenszyklusorientierte Bildungspolitik unterstützen, indem sie die spezifischen Phasen des Erwerbslebens berücksichtigen und sich individuell auf die Leistungsfähigkeit ihre Mitarbeiter  einstellen.

Drehen Politiker, Unternehmen und Bürger gemeinsam an diesen drei Stellschrauben, dann lässt sich der Lebensstandard nicht nur sichern, sondern sogar erhöhen. Modellrechnungen zeigen, dass das Arbeitsvolumen bis zum Jahr 2030 trotz der rückläufigen Erwerbsbevölkerung durch eine Kombination aus verlängerter Erwerbsphase, höheren Beschäftigungsraten und einer höheren Arbeitszeit pro Kopf sogar noch steigen kann. Der Produktivitätsfortschritt kann so auch in Zeiten einer schrumpfenden und alternden Gesellschaft wirtschaftliches Wachstum ermöglichen.

Dieser Beitrag ist in einer längeren Fassung zuerst im Handelsblatt erschienen.

Autor:

Prof. Dr. Michael Hüther ist Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft.

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