Staat denkt wenig an die Zukunft: Deutschland investiert deutlich unter OECD-Durchschnitt
Deutschland investiert deutlich weniger als andere Staaten in seine Zukunft. Bei den staatlichen Investitionen im Allgemeinen und bei Bildungsausgaben im Speziellen liegt die größte europäische Volkswirtschaft weit hinter vergleichbaren Wirtschaftsnationen. Das ist ein Ergebnis einer Studie des ifo-Instituts in München im Auftrag der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft.
Deutschlands staatliche Investitionen liegen weit unter dem Durchschnitt der Mitgliedsstaaten der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD). Der Anteil der investiven Ausgaben am Bruttoinlandsprodukt (BIP) beträgt aktuell nur noch 2,12 Prozent (siehe Grafik unten). Im OECD-Schnitt sind es über drei Prozent. „Der deutsche Staat müsste seine Investitionstätigkeit um mindestens 40 Prozent erhöhen, um den OECD-Durchschnitt zu erreichen“, schreibt Prof. Dr. Niklas Potrafke, einer der Autoren der Studie „Die Zusammensetzung des öffentlichen Budgets in Deutschland”. Im besonders wichtigen Bereich „Forschung und Entwicklung” beträgt der Nachholbedarf zum OECD-Durchschnitt sogar 70 Prozent. „Selbstverständlich kann der bloße Vergleich von Ausgabenquoten keinen Handlungsbedarf begründen, doch sollte die Politik die Trends im Zeitablauf zur Kenntnis nehmen und prüfen, ob Handlungsbedarf besteht”, heißt es einschränkend weiter.
Besonders die skandinavischen Länder haben laut Studie in der Vergangenheit ihren Anteil der investiven Ausgaben deutlich gesteigert (siehe Grafik unten). Aber auch die Benelux-Staaten sowie Österreich und die Schweiz haben eine rund 50 Prozent höhere Investitionsquote, gemessen am BIP – und das, obwohl die Staatsquote in beiden Ländern deutlich geringer ist als in Deutschland.
Die Nettoinvestitionen in Deutschland, also die Differenz aus staatlichen Investitionen minus den Abschreibungen, pendelt dabei um den Nullpunkt (siehe Grafik unten), das heißt: „Seit 1997 wird nur noch genau so viel investiert, wie notwendig ist, um den öffentlichen Kapitalstock konstant zu halten”, heißt es in der der Studie weiter.
Die Staatsquote, also der Anteil der Staatsausgaben am BIP, liegt in Deutschland bei 44,2 Prozent – und damit über der Staatsquote der Schweiz und Österreich, aber unter jener der Benelux-Staaten und der skandinavischen Länder (siehe Grafik unten).
Die Staatsquote sinkt derzeit in fast allen Staaten aufgrund der weltweit guten wirtschaftlichen Entwicklung und der niedrigen Zinsen für die Begleichung von Staatsschulden. „Die Veränderung ist vor allem auf den robusten wirtschaftlichen Aufschwung in den letzten Jahren zurückzuführen, während sich die (absolute) Ausgabentätigkeit des deutschen Staates weiterhin erhöht hat”, schreiben die ifo-Autoren.
Worin sich Deutschland dagegen von anderen OECD-Staaten unterscheidet: im Anteil der Ausgaben für den Bereich „Soziale Sicherung”. Die ist mit aktuell 43,6 Prozent seit Jahren relativ konstant (siehe Grafik unten). Der Durchschnitt der OECD-Staaten liegt dagegen deutlich darunter, allerdings hat der Anteil in den letzten Jahren zugenommen.
Selbst die für ihren ausgeprägten Sozialstaat bekannten Skandinavier geben anteilsmäßig an den Staatsausgaben weniger für soziale Sicherung aus als Deutschland (siehe Grafik unten links). Mit negativen Konsequenzen für die Zukunftsfähigkeit Deutschlands: „Wenngleich dieser hohe prozentuale Anteil mit der langen Tradition des Sozialstaates in Deutschland begründet werden kann, sollte nicht unerwähnt bleiben, dass es sich hierbei zum Großteil um Umverteilungsmaßnahmen mit eher konsumtiven Charakter handelt”, heißt es in der Studie. Die Folge: „Die zunehmende Mittelverwendung für Transfers und abnehmende für öffentliche Güter und Investitionen deuten darauf hin, dass Deutschland sich von den Kernaufgaben des Staates im Sinne der Sozialen Marktwirtschaft entfernt.”
Die negativen Konsequenzen zeigen sich nicht zuletzt bei der Bildung. Der Anteil im Bildungswesen ist konstant bei lediglich zwischen neun und 9,5 Prozent der Staatsausgaben (siehe Grafik unten rechts). Studienleiter Potrafke: „In Deutschland ist im OECD-Vergleich immer noch ein nur unterdurchschnittlicher Teil des Staatsbudgets für Bildungsaufgaben reserviert.”
Unsere Nachbarländer geben dagegen einen deutlich größeren Anteil für Bildung aus. Das Staatsbudget für Bildung ist in Deutschland um rund ein Fünftel kleiner als in den Benelux- und skandinavischen Ländern und ein Viertel geringer als in Österreich und der Schweiz. Das hat langfristig negative Folgen für den Wohlstand: „Dass das Wirtschaftswachstum eines Landes positiv mit den Bildungsausgaben korreliert, ist in der Literatur vielfach empirisch belegt”, so die Studie.
Fazit der Studien-Autoren: “Im deutschen Staatshaushalten sind relativ gesehen deutlich mehr Fiskalmittel für Konsumausgaben im Bereich der sozialen Sicherung und im Gesundheitswesen vorgesehen. Dies geht zu Lasten von Ausgabenanteilen in den Bereichen Bildung, wirtschaftliche Angelegenheiten inklusive Infrastruktur und Verteidigung. Wünschenswert wäre daher, in Zukunft mehr Mittel für öffentliche Güter und Investitionen aufzuwenden. Der Finanzierungsspielraum für Mehrausgaben in diesen Bereichen kann durch eine Verringerung des Transfervolumens geschaffen werden. Auf Steuererhöhungen oder Neuverschuldung braucht nicht zurückgegriffen werden.”
„Die Zusammensetzung des öffentlichen Budgets in Deutschland”, ifo-Institut München, Juli 2018, Niklas Potrafke (Projektleiter), Florian Dorn, Stefanie Gäbler, Björn Kauder, Manuela Krause, Luisa Lorenz, Martin Mosler
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Autor:
INSM Redaktion Hier schreibt die Redaktion der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft.