Sprungbrett Niedriglohn
Gute Nachrichten vom Arbeitsmarkt. Seit 2001 sind über 2 Millionen neue Jobs entstanden. Vor allem die atypischen Beschäftigungsverhältnisse sind mehr geworden. Und genau darin sehen Kritiker ein Problem. Ist das deutsche Beschäftigungswunder nur durch Lohndumping entstanden?
Die Meldung des Statistischen Bundesamtes, dass die Zahl unbefristeter Vollzeitstellen im Jahr 2011 um 610 000 gestiegen ist, illustriert den bemerkenswerten beschäftigungspolitischen Erfolg der letzten Jahre. Seit 2001 sind 2,3 Millionen neue Jobs entstanden. Die Zahl der Normalarbeitsverhältnisse ist in diesem Zeitraum weitgehend konstant geblieben.
Gestiegen ist hingegen die Zahl der sogenannten atypisch Beschäftigten – auf einen neuen Höchststand von 7,92 Millionen. 22,1% aller Erwerbstätigen sind demnach in dieser Form beschäftigt. Doch die Expansion erfolgt nicht auf Kosten der unbefristeten Vollzeitjobs, sondern ging zu Lasten des inaktiven Anteils der Erwerbsbevölkerung: Arbeitslose, Frührentner oder Nichterwerbstätige. Mit den atypischen Beschäftigungsverhältnissen sind neue Jobs entstanden. Somit konnten Personen in den Arbeitsmarkt integriert werden, die bislang außen vor blieben.
Atypische Beschäftigung ist nicht in jedem Fall gleichbedeutend mit Niedriglöhnen und sozialen Problemen. Reguläre, sozialversicherungspflichtige Teilzeitbeschäftigung ist weder automatisch schlechter bezahlt noch unsicherer als Vollzeit und entspricht ganz überwiegend den Erwerbswünschen der Arbeitnehmer. Selbstständige sind im Durchschnitt sogar sozial besser gestellt als abhängig Beschäftigte.
Aber selbst der Anstieg der Niedriglohnbeschäftigung ist Ausdruck eines arbeitsmarktpolitischen Erfolges, nämlich der zunehmend besser gelingenden Eingliederung Geringqualifizierter und Langzeitarbeitsloser. Man darf nicht vergessen, dass jährlich etwa ein Viertel (24,1 Prozent) der Beschäftigten des Niedriglohnsektors in den Normalverdienerstatus aufsteigen. Das zeigt, dass Niedriglöhne für viele Menschen in Deutschland vor allem eins sind: Einstiegslöhne. Dieser Sektor des Arbeitsmarktes bietet all jenen Ein- und Aufstiegsmöglichkeiten, die sonst vielleicht keine Chancen auf einen Arbeitsplatz hätten.
Autor:
Holger Schäfer ist Senior Economist für Beschäftigung und Arbeitslosigkeit beim Institut der deutschen Wirtschaft.