Sozialer Wohnungsbau: Weniger Aktionismus, mehr Bewährtes
In den deutschen Metropolen steigen die Mieten und bezahlbarer Wohnraum wird knapp. Logisch, dass die Politik reagiert – nur leider mit Mitteln, die nur schnelle Lösungen versprechen. Besser wäre es, bewährte Instrumente neu zu justieren.
In den Metropolen Berlin, Hamburg und München, aber auch in Universitätsstädten wie Freiburg und Münster steigen die Preise auf den Wohnungsmärkten seit einigen Jahren stark. Einige politische Forderungen suggerieren den Wählern einfache und schnelle Lösungsmöglichkeiten. Jedoch gibt es in der Immobilienpolitik keine einfachen Rezepte – die Immobilienmärkte sind durch komplexe sachliche und räumliche Verflechtungen mit engen Bezügen zur Finanz- und Realwirtschaft gekennzeichnet, deren Rahmenbedingungen durch eine Vielzahl von Politikfeldern wie dem Steuerrecht, dem Mietrecht oder öffentlichen Förderprogrammen gesteckt werden.
Daher sollten wir bei Veränderungen im Markt erst einmal die bestehenden Instrumente hinterfragen und diese neu justieren. Die Lage ist weder dramatisch noch erfordert sie hektische Notfallpläne. Aufgeblähte Förderprogramme (etwa durch die Wohnraumförderung) und neue Instrumente (wie die Mietpreisbremse) sind nicht erforderlich. Sie kosten den Steuerzahler viel Geld und sind kontraproduktiv.
Der falsche Anreiz – die Mietpreisbremse
Der erste unsinnige Reflex der Politik wurde im Juni 2015 rechtskräftig: die Mietpreisbremse. Neuvertragsmieten in angespannten Wohnungsmärkten dürfen demnach nicht mehr als 10 Prozent über den ortsüblichen Mietspiegeln liegen. Aus ökonomischer Sicht ist eine Regulierung der Vertragsfreiheit zwischen Vermietern und Mietern aber kaum zu rechtfertigen. Deutschland hat – trotz der deutlich gestiegenen Preise und Mieten – sehr gut funktionierende Wohnungsmärkte, die einkommensschwachen Bevölkerungsgruppen auch in Großstädten angemessenen Wohnraum ermöglichen. Die Mischung stimmt!
Deutschland hat eine Mischung aus Eigentum, Miete und genossenschaftlichem Wohnen, um die uns das Ausland beneidet. Und sie ist entstanden, gerade weil die Neuvertragsmieten in der Bundesrepublik nicht reguliert waren und ein starkes Mietrecht die Interessen von Mietern schützt. Die Mietpreisbremse sendet nun ein völlig falsches Signal an den Markt und senkt die Bereitschaft der Investoren, Geld in den Mitwohnungsbau zu stecken. Mehr Bautätigkeit ist aber notwendig, um dort das Wohnangebot zu erhöhen. Hinzu kommt, dass die Mietpreisbremse leicht zu umgehen ist und die örtlichen Mietpreisspiegel kaum belastbar sind.
Objektförderung nur mit Augenmaß
Die Zuständigkeit für die soziale Wohnraumförderung wurde im Zuge der Föderalismusreform 2006 vom Bund auf die Länder übertragen, der Bund stellt aber jährlich weiterhin knapp 520 Millionen Euro zur Verfügung. Seit über 20 Jahren ist das Fördervolumen stark rückläufig, sodass der Bestand an Sozialwohnungen mit Mietpreisbindungen und Belegungsrechten von 3,6 Millionen im Jahr 1990 auf heute 1,5 Mio. deutlich abgenommen hat. Der soziale Wohnungsbau erlebt jedoch gerade eine Renaissance: Nach eigenen Schätzungen geben Bund und Länder in diesem Jahr wieder bis zu 3 Milliarden Euro aus. Das ist viel zu viel, denn dieses Instrument ist zwar erfahrungsgemäß sehr effektiv, aber auch sehr teuer. Besser ist es, mehr auf private Investitionen zu setzen, die auch im unteren Preissegment in Kooperation mit den Kommunen möglich sind.
Subjektförderung als zentraler Baustein
Ein zentraler Baustein für eine erfolgreiche soziale Wohnungspolitik ist die sogenannte Subjektförderung, die die Wohnkosten teilweise (Wohngeld) oder vollständig (Kosten der Unterkunft und Heizung über die Grundsicherung) übernimmt. Das Wohngeld hat den Vorteil, dass es die Signal- und Lenkungsfunktionen der Marktmieten erhält, denn es ist ein Zuschuss zur Miete. Die Bewohner werden also immer noch angeregt, die Kosten und den Wohnkonsum zu begrenzen. Aus ökonomischer Sicht sollte die Politik daher das Wohngeldsystem wieder deutlich stärken. Die 2016 in Kraft tretende Wohngeldreform mit deutlichen Leistungssteigerungen ist daher ein richtiger und wichtiger Schritt.
Grundsteuerreform zur Bodensteuer
Um „bezahlbaren Wohnraum“ auch in wirtschaftlich starken und attraktiven Regionen langfristig zu sichern, muss die Bautätigkeit deutlich ausgeweitet werden. Allerdings gibt es in den Ballungszentren kaum noch Neubau- und Nachverdichtungsmöglichkeiten. Hier kann eine Reform der Grundsteuer helfen: Im jetzigen Grundsteuersystem werden Eigentümer von unbebauten Grundstücken mit einer niedrigeren Grundsteuer „belohnt“. Ein völlig falscher Anreiz – schließlich sind noch immer rund 7 Prozent der Siedlungsflächen in Deutschland Brachland und Baulücken. Würden diese Flächen für Häuser oder Bürogebäude genutzt, stünde mehr Bauland zur Verfügung. Die Grundsteuer sollte daher als eine Bodensteuer reformiert werden, damit mehr Realinvestitionen in den Flächenbestand fließen.
Kein originär wohnungspolitisches Problem
Es ist klar erkennbar: Unsere Wohnungsmärkte funktionieren, aber sie müssen für die aktuellen Herausforderungen fit gemacht werden. Eine starke Binnenwanderung – in den Städten gibt es mehr Jobs, auf dem Land krankt die Infrastruktur – führt dazu, dass die Bevölkerung einiger Metropolen und Kernstädte stark wächst. In den vergangenen 20 Jahren hat die Politik jedoch eher die Zentren gestärkt und die ländlichen Räume vernachlässigt. Hier muss ein Umdenken in vielen Ressorts stattfinden.
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Autor:
Dr. Ralph Henger Ist Experte für Wohnungspolitik und Immobilienökonomik am Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW).