Soli und kein Ende: Wie Sparer und kleine Unternehmen weiter zahlen müssen

Es heißt, nur noch Spitzenverdiener und Reiche müssten künftig den Soli zahlen. Das stimmt aber nicht. Denn der Soli auf die Kapitalertragsteuer bleibt genauso unverändert bestehen wie auf die Körperschaftsteuer. Das trifft nicht zuletzt Sparer und kleine Unternehmen.

Nach langem Warten geht jetzt alles ganz schnell. Kaum lag der Vorschlag aus dem Bundesfinanzministerium auf dem Tisch, beschloss das Kabinett in dieser Woche den „Referentenentwurf eines Gesetzes zur Rückführung des Solidaritätszuschlags“. Im Herbst schon soll der Bundestag darüber abstimmen. Die Bundesregierung arbeitet ihre Vorgaben aus dem Koalitionsvertrag also fleißig ab.

Leider hat sie zumindest in diesem Punkt schlecht gearbeitet. Dass nur noch wenige Gutverdiener und Reiche künftig den Soli zahlen müssen, wie seitens der Politik gerne betont wird, stimmt nicht. Denn viele Einkommensteuerzahler haben auch Kapitaleinkünfte in Form von Zinsen oder Dividenden. Darauf zahlen sie den Soli weiter.

Gerade bei langjährigen Anleihen mit relativ hohen Zinssätzen oder dem Aufbau einer privaten Altersvorsorge macht sich das bemerkbar und betrifft nicht nur Gutverdiener. Und auch für die mehr als 700.000 Kapitalgesellschaften [1] – rund drei Viertel davon sind kleine Unternehmen mit weniger als zehn Mitarbeitern – bleibt der Soli unverändert bestehen.

Sparer und Anleger zahlen im Jahr 2021 voraussichtlich 1,5 Milliarden Euro in den Soli-Topf. Bei Kapitalgesellschaften beläuft sich das Soli-Aufkommen dann auf schätzungsweise knapp zwei Milliarden Euro. Dadurch wird insgesamt mehr als ein Drittel des Aufkommens im Jahr 2021 von Steuerzahlern bezahlt, bei denen der Soli unabhängig von der Höhe der Einkünfte fällig wird.

Auch bei der Einkommensteuer trifft es ab dem Jahre 2021 nicht nur ein paar Reiche. Der von der Regierung „Milderungszone“ getaufte Einkommensbereich zwischen 62.000 und 96.000 Euro zu versteuerndem Einkommen, in dem ein reduzierter Soli bezogen auf das gesamte Einkommen erhoben wird, erstreckt sich auf Teile der Mittelschicht.

Und auch oberhalb der „Milderungszone“ geht es in vielen Fällen weniger um Reichtum als um Fragen von Liquidität, Eigenkapital und Investitionsanreizen. Denn rund 40 Prozent der Einkünfte, auf die weiter der volle Soli erhoben werden soll, entfällt auf Selbstständige und Personengesellschafter. In der Summe bestreitet der Unternehmenssektor künftig mehr als die Hälfte des Soli-Aufkommens. Indem die Rückführung des Soli fast vollständig an den Unternehmen vorbeigeht, verpasst es die Regierung, den Standort Deutschland wenigstens etwas zu stärken.

Dass der Soli aus guten Gründen Ende dieses Jahres auslaufen müsste, steht auf einem anderen Blatt. Immer wieder haben Generationen von Politikern seit Einführung des Soli im Jahr 1991 die Vorläufigkeit dieser Ergänzungsabgabe betont und die Erhebung zunächst an die Finanzierung des Golfkriegs und später an die Förderung der ostdeutschen Bundesländer geknüpft. Genau deshalb wurde der Solidaritätszuschlag als ein Fremdkörper im deutschen Steuerrecht konzipiert. Wenn die Regierung dieses Versprechen jetzt kassiert, schwächt sie das Vertrauen in die Politik.

[1]  Anmerkung der Redaktion: laut HGB, 3. Buch, 2. Abschnitt gehören dazu AG, KGaA und GmbH

Keinen Ökonomen-Blog-Post mehr verpassen? Folgen Sie uns auf Facebook, Instagram und Twitter, und abonnieren Sie unseren WhatsApp-Nachrichtenkanal, RSS-Feed oder einen unserer Newsletter.

Autor:

Dr. Tobias Hentze ist Experte für Finanz- und Steuerpolitik am Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW).

Datum:
Themen:

Das könnte Sie auch interessieren