Seid endlich klug und sprecht mit uns!
Der von Kampagnen-Ökonomen wie Hans-Werner Sinn entfachte Streit um die richtige Euro-Politik ist eine Offenbarung der Eitelkeit. Er zeigt nicht nur die Profilierungsneurosen schlaumeierisch anmutender Wissenschaftler, sondern auch die Dünnhäutigkeit von Politikern, denen es um ihren Status geht. Was für ein schöner Mist! Das einzige, was die Bürger wirklich endlich brauchen, ist Orientierung.
Wenn man sieht, wer sich an dem Streit um die deutsche Euro-Politik beteiligt, sind es mal wieder die üblichen Verdächtigen. Dass der gutmütig dreinschauende Herr mit dem Kapitän Ahab-Bart alias Hans-Werner Sinn vorneweg schreitet, ist ja nichts Neues. Mit großer Medienpräsenz hat er sich in den vergangenen Jahren viele Titel verdient: von „klügster Wirtschaftsprofessor“ bis (vor allem in den englisch-sprachigen Ländern) recht schlicht „Häns-Wörnör“ der Warner. Geholfen haben ihm diese Auszeichnungen alle nichts. Im Gegenteil. Der jüngste Aufschrei gegen ihn und seine über 200 Gesinnungsgenossen, die sich gegen die aktuelle Euro-Politik der Regierung zusammengeschlossen haben, war so groß wie schon lange nicht mehr: Ein Stammtisch-Ökonom sei er, ein Popanz, eine Nervensäge. Der Ökonom Gustav Horn warf ihm vor, er sei „sarrazinesk“. Was das heißen soll, weiß keiner so richtig. Fremdenfeindlich? Wohl kaum. Populistisch? Wohl eher. Die Süddeutsche schlägt vor: „Sarrazinesk: sinnloses Verfassen unlesbarer Texte unter Ausschaltung der eigenen Kontrollfunktion.“
Es hagelt also Häme. Aber auch das ist im Grunde unwichtig. Denn was interessieren uns Bürger die abstrakten Ausführungen dieser Herrschaften. Natürlich geht es hier um unser Geld. Aber wir brauchen keine selbsternannten Euro-Gegner und –Rettungshelden. Wir brauchen keine Rettungsaktionen im Hau-Ruck-Verfahren. Wir brauchen weder eitel krackelende Ökonomen, die ja immer schon alles besser gewusst haben, noch regierende Politiker, die beleidigt auf das Kleingedruckte in irgendwelchen Beschlüssen hinweisen, um ihr Handeln zu rechtfertigen. Wir brauchen auch keine ökonomische Gegenbewegung, die die Chance sieht, die Ahab-Bärte dieser Welt endlich zu stutzen.
Was wir brauchen sind sinnvolle und vor allem verständliche Vorschläge, die auch die Menschen erreichen und überzeugen. In einer solchen aufgeladenen und irritierenden Streitsituation wird ja schon fast das für den normalen Bürger ansonsten sehr abstrakte Bundesverfassungsgericht zu einer letzten Instanz der Beruhigung – allein dadurch, dass die Karlsruher entschieden haben, das Urteil über den ohnehin für den Steuerzahler ominösen ESM erst mal auf Mitte September zu vertagen.
Es geht im Streit der Ökonomen um die Frage: Wie glaubwürdig ist das Versprechen, dass eine Bankenaufsicht dafür sorgt, dass Verluste von Banken nicht am Ende über den ESM bei den Steuerzahlern der solideren Euro-Länder landen. Es geht um das Problem der Haftung. Und da hilft es nichts, dass genau darüber irgendetwas im Kleingedruckten von Verträgen steht. Denn die Bürger haben die bisherige Geschichte des Euro und der Schuldenkrise als einen einzigen Fortsetzungsroman von Regelverstößen wahrgenommen.
Was bei allen wohl gemeinten und durchdachten Aktionen wirklich fehlt, ist eine funktionierende Kommunikation mit den Bürgern dieses Landes. Als der damalige Kanzler Schröder seine Agenda 2010 auf den Weg brachte, ging ein Aufschrei durch die Republik. Vielleicht erinnert sich der ein oder andere, wie unpopulär die Agenda 2010, von der wir ja heute nicht genug kriegen können, damals war. Schröder bekannte später, dass sein Reform-Paket mit mehr Transparenz und Kommunikation und weniger Basta-Politik sicher schneller Vertrauen und Zustimmung in der breiten Bevölkerung gefunden hätte.
Um dieses Feingefühl und die entsprechende Kommunikation geht es auch heute. Es geht um Glaubwürdigkeit. Hieran sollte vor allem die Regierung arbeiten. Und die Ökonomen sollten sie darin unterstützen. Denn vielleicht macht die Kanzlerin gar nicht so viel falsch. Zumindest hat das – groteskerweise – ausgerechnet Hans-Werner Sinn im aktuellen Spiegel zugegeben: Auf die Frage, welche Fehler Angela Merkel konkret gemacht hat, sagte er: „Macht Merkel etwas falsch? Ich glaube, nichts Gravierendes.“
Dies ist ein Beitrag aus der Reihe “WachstumsBlog”. In einem bis zwei Beiträgen pro Woche beschäftigen sich Wirtschaftsexperten im ÖkonomenBlog mit Themen rund um nachhaltiges Wachstum.
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Autor:
Dr. Martin Roos ist freiberuflicher Journalist. Er arbeitet als Autor, Ghostwriter und Redenschreiber für Unternehmen und Topmanager.