Schulische Bildung: Wie wir die Corona-Krise meistern

In den letzten Jahren haben sich beim INSM-Bildungsmonitor die Ergebnisse in den Handlungsfeldern Schulqualität, Bildungsarmut und Integration/Chancengleichheit verschlechtert. Durch die Corona-Krise drohen sich die Probleme bei der Bildungsarmut und der Ungleichheit der Bildungschancen zu verschärfen. Um diesen Gefahren entgegenzuwirken, sollte die Digitalisierung der Schulen weiterentwickelt und die Förderinfrastruktur an Kitas und Schulen weiter ausgebaut werden.

Insgesamt gibt es in den betrachteten Handlungsfeldern des Bildungsmonitors 2020 seit dem Bildungsmonitor 2013 eine Stagnation der Ergebnisse. Verbesserungen in den Bereichen Internationalisierung, Förderinfrastruktur und Betreuungsbedingungen stehen Verschlechterungen in den Bereichen Schulqualität, Bildungsarmut und Integration/Chancengleichheit gegenüber.

Die Corona-Krise hat vom März bis zum Sommer zu Schulschließungen geführt. Empirische Studien zu Schulunterbrechungen zeigen deutlich: Probleme bei Schulqualität, Bildungsarmut und Ungleichheit der Bildungschancen drohen sich zu verschärfen.

Ein guter Fernunterricht könnte diese Gefahren verringern. Beim Fernunterricht bestanden jedoch große soziale Unterschiede: Die Ausstattung mit digitalen Endgeräten und ruhigen Arbeitsplätzen und die Unterstützungsmöglichkeiten durch die Eltern ist bei Kindern und Jugendlichen aus bildungsfernen Elternhäusern im Durchschnitt geringer als bei Kindern und Jugendlichen aus Akademiker-Haushalten.

Auch der Unterricht selbst musste Qualitätseinbußen erleiden: Eine gute Unterrichtsqualität resultiert aus einer kognitiven Aktivierung im Unterricht. Empirische Studien zeigen, dass Feedback durch andere Lehrkräfte und daran anknüpfende Verhaltensänderungen, Feedback an Schüler und eine bestärkende Beziehung zu den Schülern Unterrichtsqualität verbessern, Hausaufgaben hingegen nur geringe nachweisbare Effekte haben. In der zurückliegenden Phase des Fernunterrichts musste aber stark auf Hausaufgaben zurückgegriffen werden. Lehrkräfte berichten in Befragungen, dass sie nicht in ausreichendem Maße Feedback geben oder bekommen konnten.

Um einer Verschärfung der Ungleichheit der Bildungschancen vorzubeugen und um auf verschiedene Szenarien des Infektionsgeschehens vorbereitet zu sein, ist die Digitalisierung der Schulen weiterzuentwickeln:

  • Strategien und Konzepte zur Schulbildung sind klar zu kommunizieren, damit Verunsicherungen bei Eltern, Kindern und Jugendlichen sowie beim Fachpersonal in Schulen verringert werden. Für verschiedene Infektionsgeschehen in den Kreisen sollten die entwickelten Szenarien und Strategien transparent kommuniziert werden, ab welcher Infektionsschwelle vom Regelbetrieb auf andere Formen übergegangen wird und wie dabei eine Differenzierung nach Kita, Primarbereich und Sekundarbereich aussehen soll.
  • Weiterentwicklungen digitaler Bildungsformen sind durch wissenschaftliche Evaluationen zu begleiten. Vergleichsarbeiten sollten nicht – wie vereinzelt vorgesehen – ausgesetzt, sondern bezüglich der damit verbundenen Möglichkeiten zur Evaluation weiterentwickelt werden.
  • Fortbildungen und Lehrplanvorgaben zur Integration digitaler Technologien sind im Unterricht verbindlich umzusetzen und Lehrkräften sollte genug Zeit gegeben werden, um digitale Lehr- und Lernkonzepte zu entwickeln und zu integrieren sowie sich über die Erfahrung mit deren Einsatz auszutauschen.
  • Die Ausstattung der Schulen mit digitalen Medien ist weiter zu verbessern. In allen Schulen, bei Lehrkräften sowie Schülerinnen und Schülern sind WLAN und digitale Endgeräte verfügbar zu machen, Lernmanagement-Systeme und internetbasierte Anwendungen für gemeinschaftliches Arbeiten einzusetzen.
  • Zusätzliches IT-Personal sollte die IT-Administration unterstützen. Es sollten für die rund 40.000 Schulen in Deutschland rund 20.000 IT-Kräfte zusätzlich eingestellt werden. Die Mittel des Konjunkturpaketes stellen einen ersten Schritt dar. Insgesamt werden für die 20.000 IT-Stellen jährlich rund zwei Milliarden Euro zusätzlich benötigt.

Ferner ist die Förderinfrastruktur an Kitas und Schulen weiter auszubauen:

  • Das Angebot an U3-Betreuung und Ganztagsplätzen ist weiter auszubauen, bestehende Lücken sind zu schließen. Ganztagsschulen sollten teilgebunden organisiert werden, um eine Selektivität der Nutzung zu vermeiden.
  • Die Sprachförderung sollte in Kitas und Schulen weiter intensiviert, Lehrkräfte sollten weiterqualifiziert werden.
  • Finanzielle Ressourcen sind für das Bildungssystem zielgerecht zu verteilen. Schulen und Einrichtungen, die einen höheren Anteil an Kindern und Jugendlichen mit besonderem Unterstützungsbedarf haben, sollten mehr finanzielle Mittel erhalten (Verteilung via Sozialindex).
  • Über die IT-Experten zur Unterstützung der Digitalisierung hinaus sollte die Multiprofessionalität an Schulen weiter gestärkt werden. Experten in den Bereichen Gesundheit, Schulsozialarbeit und Schulpsychologie sollten die Lehrkräfte an Schulen unterstützen.
  • Chancenbeauftragte sollten an Schulen ernannt und qualifiziert werden, die Konzepte entwickeln, wie die im Zuge der Corona-Krise entstandenen Einbußen an Chancengleichheit kompensiert werden können. Durch Vergleichsarbeiten sollten Daten zur Evaluation gewonnen werden.

Mehr Interesse an ökonomischen Aspekten der Corona-Krise? Stöbern Sie hier durch unsere Übersichtsseite.

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Autor:

Prof. Dr. Axel Plünnecke ist stellvertretender Leiter des Wissenschaftsbereichs Bildungspolitik und Arbeitsmarktpolitik und Leiter des Kompetenzfelds Humankapital und Innovationen beim Institut der deutschen Wirtschaft.

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