Schuldenbremse: Mit Tesa an den Mast gekettet

Schuldenlast in Prozent des BIPNoch nie war Deutschland so hoch verschuldet wie heute. Jetzt plant die Politik eine Schuldenbremse. Der Bundesrat entscheidet am Freitag.  Von der Sache her gut, findet der ÖkonomenBlog Autor Ulrich van Suntum. Problematisch sei jedoch die Möglichkeit, die Selbstbindung auszuhebeln.

Zum Ende der Legislaturperiode hat die Große Koalition doch noch etwas Gescheites zustande gebracht. Mit Zweidrittelmehrheit wurde im Bundestag jetzt eine Schuldenbremse im Grundgesetz durchgesetzt. Demnach dürfen die Länder ab 2020 gar keine neuen Schulden mehr machen, der Kreditspielraum des Bundes wurde auf 0,35% des BIP begrenzt. Die Regelung wurde in der Föderalismuskommission mit den Ländern abgestimmt, so dass auch mit der Zustimmung des Bundesrates gerechnet werden kann.

Damit folgt Deutschland der Schweiz , wo eine Schuldenbremse bereits 2001 in der Bundesverfassung verankert wurde. In einigen Kantonen gibt es entsprechende Regelungen schon sehr viel länger, und zwar durchaus mit Erfolg. Der Trick ist der gleiche, den einst Odysseus anwandte: Er ließ sich an den Mast seines Schiffes binden, um nicht von den verführerischen Sirenenklängen ins Verderben gelockt zu werden. Ebenso berauben sich nun die Politiker selbst der Möglichkeit, wählerwirksam ständig mehr Geld auszugeben, als sie eigentlich haben. Auch das führt nämlich letztlich ins Verderben, wenn auch erst in einigen Jahrzehnten.

Und noch etwas hat man geschickt gemacht: Den ärmeren Ländern wurde die Zustimmung durch großzügige Übergangsfristen und Sonderzahlungen abgekauft. So konnte man künftige Ministerpräsidenten binden, ohne den heutigen Regierungschefs allzu viel zumuten zu müssen. Das normalerweise schädliche Phänomen, dass Politiker meist nur bis zum nächsten Wahltag blicken, wurde so diesmal zum Vorteil genutzt. Ganz nebenbei ist zudem die Kfz-Steuer auf den Bund übertragen worden, wo sie von der Sache her auch hingehört.

Uneingeschränktes Lob also? Nicht ganz. Natürlich enthält das Verschuldungsverbot auch einige Ausnahmen, etwa für Finanzkrisen und Naturkatastrophen. Das ist notwendig und somit grundsätzlich nicht zu beanstanden. Problematisch ist aber, dass für die Ausrufung des Ausnahmezustands nur eine einfache Regierungsmehrheit nötig ist. Das öffnet dem Missbrauch Tür und Tor, denn die Politiker können ihre Ketten dadurch bei Bedarf leicht wieder lösen. Die Große Koalition hätte dafür eine Zweidrittelmehrheit in dem jeweils zuständigen Parlament zur Voraussetzung machen sollen. Damit hätte sie eine wirklich historische Weichenstellung für mehr Nachhaltigkeit in der Finanzpolitik vollbracht. So aber kann man ihr leider nur die Note Zwei minus für die Schuldenbremse geben.

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Prof. Dr. Ulrich van Suntum ist geschäftsführender Direktor des Centrums für angewandte Wirtschaftsforschung der Universität Münster (CAVM) und stellvertretender Bundesvorsitzender der Partei Allianz für Fortschritt und Aufbruch (Alfa).

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