Rückkehrrecht in Vollzeit: Überflüssig, schädlich, widersprüchlich

Das Bundesarbeitsministerium hat den nächsten aktionistischen Gesetzesvorschlag aus dem Hut gezaubert: Das Recht auf Teilzeitarbeit soll um das Rückkehrrecht in Vollzeit erweitert werden. Dass das ein betriebswirtschaftliches Ding der Unmöglichkeit ist, kann vermutlich sogar jeder Arbeitnehmer erkennen.

Ein wesentliches Merkmal der Arbeitsmarktpolitik der großen Koalition besteht darin, dass sie Reformen und Gesetzesvorhaben anschiebt und verabschiedet, deren Notwendigkeit sie zuvor weder hinreichend begründet noch empirisch fundiert hat. Davon zeugen die Regulierung von Zeitarbeit und Werkverträgen, das Lohngleichheitsgesetz und zuletzt der vom Arbeitsministerium vorgeschlagene Anspruch auf befristete Teilzeit.

Gegenwärtig haben Arbeitnehmer bereits das Recht, ihre Arbeitszeit zu verkürzen. Nach dem Willen von Andrea Nahles soll künftig das Recht dazukommen, eine einmal verkürzte Arbeitszeit wieder zu verlängern. Dabei sieht das Gesetz auch jetzt schon vor, dass Teilzeitbeschäftigte bei der Besetzung von Vollzeitstellen bevorzugt berücksichtigt werden müssen. Von der Neuregelung verspricht sich das Arbeitsministerium insbesondere für Frauen bessere Chancen, der sogenannten Teilzeitfalle zu entkommen. Diese führe unter anderem dazu, dass Frauen seltener Führungskräfte werden, beim Gehalt hinter Männer zurückfallen und im Alter weniger eigene Rentenansprüche haben.

Ausgangspunkt der Überlegungen ist die Vorstellung, dass viele Arbeitnehmer unfreiwillig in Teilzeit arbeiten. Zwar wollen in der Tat viele Teilzeitbeschäftige ihre Arbeitszeit ausdehnen, ganz überwiegend aber nicht so weit, dass sie Vollzeit arbeiten würden. Nur 14 Prozent der teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmer, die weniger als 35 Stunden arbeiten, würden ihre Arbeitszeit gerne verlängern. Hinzu kommt, dass für unerfüllte Arbeitszeitwünsche in den wenigsten Fällen der Betrieb verantwortlich ist. Nur 13 Prozent der Teilzeitbeschäftigten macht geltend, keine Vollzeitstelle gefunden zu haben. Die meisten Betriebe können die Arbeitszeitwünsche ihrer Beschäftigten zumindest nach einer Weile erfüllen.

Gerade einmal zwei Prozent der Betriebe geben an, dass eine Ausdehnung der Arbeitszeit überhaupt nicht möglich sei.

Wenn der Wunsch nach einer längeren Arbeitszeit unerfüllt bleibt, sind häufig Gründe ausschlaggebend, die gar nicht im Einflussbereich des Arbeitgebers liegen – zum Beispiel unzureichende Möglichkeiten der Kinderbetreuung. Das Recht auf Rückkehr in Vollzeit geht somit am Kern des Problems vorbei.

Etwas gesetzlich zu regeln, das auch ohne die Maßgaben des Gesetzgebers funktioniert, ist bestenfalls überflüssig. Ein Recht auf befristete Teilzeit würde darüber hinaus aber handfesten Schaden anrichten. Denn das Arbeitsministerium hat zusätzlich vorgeschlagen, dass künftig der Arbeitgeber – gegebenenfalls gerichtsfest – beweisen muss, dass er die Arbeitszeit für bestehende Teilzeitbeschäftigte und solche, die vorzeitig in Vollzeit zurückkehren wollen, nicht verlängern kann. Insbesondere kleine und mittlere Betriebe werden durch immer neue derartige Dokumentations- und Beweispflichten auf der Kostenseite komplett überfordert. Wenn Arbeitnehmer nahezu beliebig zwischen Voll- und Teilzeit wechseln, entstehen zudem Probleme, den Betriebsablauf zu sichern.

Diese neue, sehr weitgehende Anforderung an die betriebliche Flexibilität steht in einem eklatanten Widerspruch zu anderen Projekten der großen Koalition. Diese zielten darauf ab, die Nutzung flexibler Beschäftigungsformen zu erschweren. Wer es jedoch den Arbeitnehmern ermöglicht, ihre Arbeitszeit drei Jahre lang zu reduzieren, es aber den Arbeitgebern untersagt, diese drei Jahre durch den Einsatz einer Zeitarbeitskraft zu überbrücken, der hat nicht verstanden, dass immer zwei Seiten dazu gehören, Flexibilität und Sicherheit auf dem Arbeitsmarkt zu gewährleisten.

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Autor:

Holger Schäfer ist Senior Economist für Beschäftigung und Arbeitslosigkeit beim Institut der deutschen Wirtschaft.

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