Rettungspaket für die Türkei? Wie der Wertverlust der türkischen Lira zum Risiko wird
Die Abwertung der türkischen Lira bringt südeuropäische Banken in Bedrängnis. Drohen jetzt finanzielle Rettungspakte für die Türkei, um eine Krise abzuwenden?
Seit Jahresbeginn hat die türkische Lira gegenüber dem Euro um 60 Prozent abgewertet. Das erhöht die Zins- und Tilgungslasten von türkischen Banken und Unternehmen, die mit circa 300 Milliarden Euro in Fremdwährung in der Kreide stehen. Einigen, insbesondere südeuropäischen und französischen Banken wird ein beträchtliches Ausfallrisiko nachgesagt. Die spanische Banco Bilbao Vizcaya Argentaria (BBVA) zeigt exemplarisch das Problem. Die BBVA hat Kredite in Höhe von circa 60 Milliarden Euro in die Türkei vergeben. Das entspricht elf Prozent ihres gesamten Kreditvolumens und 214 Prozent des Kernkapitals.
Zur Erinnerung: Seit dem Jahr 2003 finanzierten spanische und andere südeuropäische Banken mit Hilfe von Auslandskrediten riesige Immobilienblasen. Als diese 2007 platzten, waren die Banken Südeuropas und Irlands mit einem Berg fauler Kredite konfrontiert. Umfangreiche europäische Rettungspakete, Leitzinssenkungen gegen null und immense Anleihekäufe durch die Europäische Zentralbank (EZB) waren zur Rettung der südeuropäischen Banken nötig. Seitdem überwacht die EZB die großen europäischen Banken, um neue Krisen zu verhindern. Die BBVA und andere südeuropäische Banken scheinen nun mit der Hilfe der EZB ein gefährliches „Glückspiel der Wiederauferstehung“ (Niinimaki 2007) betrieben zu haben.
Zunächst kaufte die BBVA zwischen 2010 und 2015 für rund 4,2 Milliarden Euro knapp die Hälfte der türkischen Garanti Bank. Dann betrieb sie lukrative „Carry Trades“: Während das Kreditgeschäft in Spanien mit der Krise stagnierte, weitete die BBVA ihre Kreditvergabe in der Türkei aus. Eine billige Finanzierungsquelle dürften wegen der EZB-Vollzuteilungspolitik die Banco de España und damit die EZB gewesen sein. Während sich die TARGET2-Kredite des Europäischen Systems der Zentralbanken zu null Prozent verzinsen, lagen in der Türkei die Kreditzinsen für Eurokredite bei über 3,5 Prozent und für Lira-Kredite bei über 15 Prozent. Dank der Auslandskredite konnte die Garanti Bank ihren Kreditbestand von 64,8 Milliarden Lira im Jahr 2010 auf 210 Milliarden Lira im Jahr 2017 ausweiten.
Da aufgrund üppiger Kapitalzuflüsse und großzügiger Investitionsprogramme der Regierung Erdogan die Türkei boomte, galt das türkische Kreditgeschäft bis vor kurzem als sicher und lukrativ. Die BBVA konnte sich dank der Türkei und anderer aufstrebender Volkswirtschaften über Wasser halten. Der Verfall des Aktienkurses wurde gestoppt. Der Anteil der (offiziell ausgewiesenen) faulen Kredite am Kreditvolumen sank von 6,8 Prozent im Jahr 2013 auf 4,4 Prozent 2017.
Doch mit der türkischen Währungskrise entpuppen sich nun sowohl die Übernahme der Garanti Bank als auch die Carry Trades als schmerzhaftes Verlustgeschäft. Durch die Abwertung der Lira ist die Garanti Bank aufgrund der hohen fremdwährungsdenominierten Auslandsverschuldung in Schieflage geraten. Damit drohen neue faule Kredite für die BBVA, die noch dazu in Mexiko ähnliche Risiken eingegangen ist. Die Aktienkurse beider Banken sind eingebrochen.
Ein neues Wanken der BBVA und anderer südeuropäischer Banken würde offenlegen, dass die EZB mit ihrer Geldpolitik nicht nur risikoreiche Carry Trades europäischer Banken in der Türkei und anderen aufstrebenden Volkswirtschaften zins- und bedingungslos finanziert hat. Auch die Bankenaufseher der EZB würden als Schlafmützen entlarvt. Um dieser Peinlichkeit vorzugreifen, dürften wohl bald unter dem Deckmantel der Solidarität (Andrea Nahles) Rettungspakete für die Türkei geschnürt werden. Auch der Ausstieg aus der lockeren Geldpolitik dürfte wohl vertagt werden. Dem deutschen Bürger, der die komplizierte Interessenlage nicht kennt, wird es spanisch vorkommen, warum dem türkischen Autokraten Erdogan nun plötzlich so großzügig geholfen wird.
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Quellen: Niinimaki, J.-P., 2007. Evergreening in Banking. Journal of Financial Stability, 3, 4, 368–393.
Autor:
Prof. Dr. Gunther Schnabl und Taiki Murai Prof. Schnabl ist Leiter des Instituts für Wirtschaftspolitik an der Universität Leipzig. Taiki Murai ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Wirtschaftspolitik